Chemiekonzern Syngenta Aktionäre kämpfen gegen China-Übernahme

Beim Schweizer Pflanzenschutzkonzern Syngenta fehlen Chef und Perspektive. Nun wollen Aktionäre den gesamten Verwaltungsrat aus dem Amt heben und den Verkauf an die Chinesen verhindern.

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Chemchina will den Konzern übernehmen. Quelle: Reuters

Düsseldorf Es ist eine der meist umworbenen Bräute in der weltweiten Chemieindustrie, aber auch eine der sperrigsten: Der Schweizer Agrochemiehersteller Syngenta hat im vergangenen Jahr bereits eine Übernahme-Offensive aus den USA erfolgreich abgewiesen. Monsanto zog im August seine Offerte über 45 Milliarden Dollar für die Schweizer zurück. Jetzt bedrängen die Chinesen den weltweit führenden Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut – und das offenbar mit mehr Erfolg.

Darauf deuten die Signale aus der Schweiz hin. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg soll der Verwaltungsrat von Syngenta konkrete Übernahmegespräche mit dem staatlichen chinesischen Chemiekonzern Chemchina unterstützen. Chemchina hat sich im vergangenen Jahr bereits an Syngenta mit Fusionsgesprächen gewandt, die aber zurückgewiesen wurden. Vor wenigen Wochen haben die Chinesen aber einen weiteren Anlauf gestartet. In Branchenkreisen heißt es, Chemchina würde rund 44 Milliarden Dollar für die Übernahme des Konzern mit rund 15 Milliarden Dollar Jahresumsatz auf den Tisch legen.

Nun könnte die Syngenta-Führung auch diese Avancen wieder zurückweisen, aber die Karten sind diesmal anders verteilt. Das zeigt schon die Kommunikation von Verwaltungsratschef Michel Demaré. Kurz vor Weihnachten überbrachte er in einem Interview mit „Finanz und Wirtschaft“ den Mitarbeitern und Aktionären die frohe Botschaft, dass ein Alleingang der Firma kaum noch durchzuhalten sei, wolle man den Erwartungen der Investoren gerecht werden.

Soll heißen: Wachstum aus eigener Kraft ist nur begrenzt möglich. Und da in der Agrochemie das große Fusionsfieber ausgebrochen ist, will auch Syngenta dabei sein:  „Wenn sich unsere Konkurrenten zusammenschließen und wir außen vor bleiben, dann steigt der Druck auf uns. Daher müssen wir alle unsere Optionen prüfen“, sagt Demaré. Dazu spreche man über Fusionen – nicht nur, aber auch mit den Chinesen.

Doch diese Option will ein Teil der Syngenta-Aktionäre verhindern. Am Montag veröffentlichte Folke Rauscher, Geschäftsführer der „Vereinigung kritischer Syngenta-Aktionäre“ einen Brandbrief in der „Baseler Zeitung“. Darin fordert er den Rücktritt des kompletten Verwaltungsrates. Die oberste Führung des Agrarchemiekonzerns habe den Glauben an ein Überleben als unabhängiges Unternehmen aufgegeben, könne aber auch keine Alternativen vorweisen, schreibt Rauscher.

„Der gegenwärtige Verwaltungsrat könnte sich ein letztes Mal um Syngenta verdient machen, wenn er den nötigen Wechsel selber einleiten würde“, heißt es in dem Beitrag weiter. "Tut er das nicht, werden die Aktionäre einen solchen herbeiführen", droht Rauscher mit Blick auf die kommende Syngenta-Generalversammlung. Die Vereinigung hat nur rund ein Prozent der Syngenta-Aktonäre hinter sich. Doch den Missmut über die Situation bei den Schweizern teilen viel mehr Investoren.  


Aktionärsvertreter kritisiert Gespräche mit Chinesen scharf

Denn Syngenta steht derzeit ohne klare Perspektive da, auch Mitarbeiter beklagen diesen Schwebezustand. Nach der erfolgreichen Abwehr der Monsanto-Offerte sonnte sich das Unternehmen keineswegs im Glück – im Gegenteil. Viele Investoren waren sauer und forderten im Spätsommer zielführende Schritte, wie der Aktienkurs von damals rund 330 Schweizer Franken auf die von Monsanto gebotenen 450 Franken pro Aktien gehoben werden soll.

Im Herbst trat dann CEO Mike Mack von seinem Posten zurück, unter anderem, weil sich die Investoren an ihm und seiner Strategie rieben. Bis heute ist der Chefposten bei den Schweizern unbesetzt. Die Geschäfte führt Finanzchef John Ramsay als Interims-CEO, Verwaltungsratspräsident Demaré vertritt das Unternehmen nach außen. Er hält einen Verkauf an die Chemchina für machbar: China sei ein ernsthafter Partner und müsse bei Analyse aller Optionen für Syngenta einbezogen werden, sagt er.

Aktionärsvertreter Rauscher kritisiert die Gespräche mit den Chinesen scharf. Es sei fraglich, ob der Verwaltungsrat die Konsequenzen einer Verstaatlichung durch einen Verkauf an ein Staatsunternehmen eines kommunistischen Landes zu Ende gedacht habe. „Für uns langfristige Aktionäre ist zwar ein hoher Unternehmenswert wichtig, aber andere strategische, für den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens entscheidende Werte sind es ebenso.“

Demaré hingegen weiß, dass ein Deal mit den Chinesen einige Vorteile bieten würde. Jede andere Kombination  - etwa ein Zusammengehen mit Monsanto aus den USA – würde faktisch auf eine Zerschlagung von Syngenta hinauslaufen. Unter dem Dach von Chemchina würde der Konzern aber bestehen bleiben und vermutlich zum Kern für alle Agrarchemiegeschäfte der Chinesen ausgebaut werden.

Chemchina ist bislang zwar keine große Nummer im Pflanzenschutz, hat aber bereits im Ausland zugekauft: 2011 übernahm der Staatskonzern die Mehrheit am israelischen Agrochemiespezialisten Adama. Vor wenigen Tagen kündigte Chemchina die Übernahme des deutschen Kunststoff-Maschinenbauers Krass-Maffei für 925 Millionen Euro an. Das Münchner Unternehmen soll im Premium-Maschinensegment zur Kernmarke der Chinesen werden.

Bis zum chinesischen Neujahrsfest am 8. Februar soll über die Avancen von Chemchina entschieden sein, meldet Bloomberg unter Berufung auf Syngenta-Firmenkreise. Die Anleger an der Börse rüsten sich bereits: Der Aktienkurs ist in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen und notierte am Montag bei 375 Franken.

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