China lauert auf Markteintritt Windkraftbranche aufgepasst: Die Senvion-Pleite ist erst der Anfang

Offshore-Windparks Nordsee 1 mit Anlagen vom Typ Senvion 6.2M126 in der Nordsee vor der ostfriesischen Insel Spiekeroog (Niedersachsen). Der Windkraft-Konzern Senvion hat beim Amtsgericht Hamburg Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Quelle: dpa

Der Windkraft-Konzern Senvion hat Insolvenz beantragt. Doch nicht nur die Hamburger kämpfen mit dem globalen Wettbewerb. Europas Hersteller müssen sich in Acht nehmen, besonders vor Konkurrenz aus China.

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Es ist ein Insolvenzverfahren, wie es schon lange keines mehr gab in Deutschland: 1,45 Milliarden Euro Umsatz, 4000 Mitarbeiter, 40 Millionen Euro operativer Gewinn – am Dienstag hat das Hamburger Windkraftunternehmen Senvion einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Zuvor waren Verhandlungen mit Kreditgebern des Unternehmens gescheitert, teilte Senvion mit. Das Unternehmen war durch Verzögerungen bei großen Projekten in einen finanziellen Engpass gerutscht, weil Umsätze ausblieben und Strafzahlungen an Kunden fällig wurden.

Seit Jahren schon kämpfen mittelgroße deutsche Windkraftanlagenhersteller wie Senvion, Nordex und Enercon mit den Veränderungen auf dem Weltmarkt. Der globale Markt für Windkraftanlagen wächst und die Prognosen zeigen nach oben. Vor allem in China, den USA, Indien, Brasilien und Frankreich werden neue Windräder errichtet. Und hier liefern sich Hersteller wie Senvion mit großen Herstellern wie der weltweiten Nummer eins, dem dänischen Hersteller Vestas, einen gnadenlosen Preiskampf bei den Aufträgen. Großkonzerne wie Siemens und GE aus den USA haben ihre Windsparten teils durch Zukäufe erweitert. Siemens etwa hat sein Geschäft mit Windrädern mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa zusammengelegt. Die können mit größeren Stückzahlen günstiger anbieten als kleine und mittlere Anlagenbauer.

Der weltweit größte Markt für neue Windräder ist allerdings China. Dieser Markt ist für westliche Unternehmen aber nicht gut zugänglich für den Bau von Windkraftanlagen. Er wird von chinesischen Herstellern dominiert. Die konzentrieren sich noch auf dem Heimatmarkt. Aber ihr Interesse an europäischen Firmen ist hoch. Immer wieder sind die Namen Senvion oder Nordex, die beide börsennotiert sind, als mögliche Übernahme-Kandidaten gefallen. Mit der Insolvenz von Senvion könnte sich den Chinesen jetzt ein günstiger Einstieg bei einem europäischen Hersteller bieten.

Erfahrene Sanierer übernehmen das Ruder

Bei Senvion sollen nun die beiden Sanierungsspezialisten Gerrit Hölzle und Thorsten Bieg von der Insolvenzkanzlei Görg als Eigenverwalter das Management unterstützen. Zum vorläufigen Sachwalter wurde der Hamburger Jurist Christoph Morgen von Brinkmann & Partner bestellt. Er soll in dem Verfahren dafür sorgen, die Interessen der Gläubiger zu wahren und war unter anderem bereits bei der Schwergutreederei Hansa Heavy Lift als Insolvenzverwalter im Einsatz und bei der Reederei Rickmers als Chief Insolvency Officer.

Auch die Görg-Partner Bieg und Hölzle gelten in der Branche als „sturmerprobte Sanierer“. Beide unterstützten zuletzt etwa den den Hamburger Traditionsautohändler Willy Tiedtke bei der Eigenverwaltung. Görg sowie Brinkmann & Partner zählen zu den führenden Insolvenzkanzleien Deutschlands. Bislang beziehe sich der Antrag auf die Senvion GmbH und die Tochtergesellschaft Senvion Deutschland; im Verlauf der Woche sollen weitere Konzerngesellschaften dazukommen, teilte das Unternehmen mit.

Ziel des Verfahrens sei es, das zu Jahresbeginn eingeleitete Umbauprogramm fortzusetzen, teilte Senvion mit. Damals hatte der ehemalige GE-Manager Yves Rannou den Chefposten übernommen. Er plant eine „Verschlankung des Produktportfolios“, um die Kosten zu senken, sowie Sparmaßnahmen in der Beschaffung und der Produktion.

Banken fürchten Finanzspritze der Investoren

Der Großaktionär Centerbridge war vor vier Jahren günstig an Senvion gekommen, weil dessen indischer Eigentümer Suzlon in Engpässe geraten war. Einschließlich Verbindlichkeiten lag der Unternehmenswert damals bei einer Milliarde Euro, Centerbridge zahlte rund 400 Millionen. Der ehemalige Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger führte Senvion 2016 an die Börse. Dort brach die Firma nach dem Insolvenzantrag um zeitweise mehr als 40 Prozent ein.

Der Finanzinvestor Centerbridge, der 71 Prozent an Senvion hält, hat einem Bericht der Nachrichtenagentur „Reuters“ zufolge in den vergangenen Monaten schon 82 Millionen Euro eingeschossen und wäre Insidern zufolge auch bereit, seine Anteile mit den Hedgefonds Anchorage und Davidson Kempner zu teilen. Sie haben bereits die Mehrheit an einer 400 Millionen Euro schweren Anleihe von Senvion mit großen Abschlägen zusammengekauft und wollen die Papiere in Aktien tauschen. Die Banken - allen voran Deutsche Bank und BayernLB - sperren sich gegen die neue Finanzspritze, weil sie damit die Wahrscheinlichkeit sinken sehen, dass sie ihre Kredite über 950 Millionen Euro zurückbekommen, die offenbar gut besichert sind.

Für die Sanierer dürfte das Austarieren der unterschiedlichen Interessen der Gläubiger dann auch die eigentliche Herausforderung werden.

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