Clemens Tönnies Von der Schlachtbank zum Fanblock

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Der Hustendetektor fürs Schwein

Clemens Tönnies, Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04, steht im Schalker Fanblock Quelle: dpa

Reicht das?

Mir ehrlicherweise nicht. Darum haben wir eine Forschungsgesellschaft gegründet, die sich um die Kritik kümmert, die es an der Schweinehaltung gibt. Der wollen wir die Basis entziehen. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass Ferkel kastriert werden...

...bei vollem Bewusstsein und unter lautem Schreien.

Wir wollen auch nicht, dass den Ferkeln die Schwänze gestutzt werden...

...ebenfalls ohne Betäubung.

Die Bauern machen das seit Jahrzehnten. Wir haben nun Entwicklungen angestoßen, die sich unorthodox anhören, die aber tolle Ergebnisse bringen.

Zum Beispiel?

Wir haben einen Hustendetektor entwickelt, der mittels Mikrofon erkennt, ob die Tiere in ihren Ställen und Buchten grunzen, fressen oder eben husten. Der Hoftierarzt bekommt dann eine Meldung: In Bucht 35 ertönt ein Husten. Erst dann kann er dem Tier, wenn nötig, ein Antibiotikum verabreichen und nicht wie bisher prophylaktisch. Mit solchen Maßnahmen werden die Bedingungen auf den Höfen mit einem enormen Drall verändert. Und da wollen wir Vorreiter sein.

Was sagen Ihre Wettbewerber dazu?

Mag sein, dass das dem einen oder anderen auf die Nerven geht, weil er uns hinterher hecheln muss. Als wir vor fünf Jahren von den Bauern verlangt haben, dass sie aufhören zu kastrieren, haben mich alle für verrückt erklärt.

Warum?

Wir haben an einer alten Gepflogenheit gerüttelt. Seit über 100 Jahren werden Schweine im Ferkelalter kastriert, damit die Tiere bei der Geschlechtsreife im Alter von 26 Wochen keine geruchsbildenden Hormone bilden können. Heute werden die meisten Schweine aber schon vorher geschlachtet. Die drei Prozent, die trotzdem nach Eber riechen könnten, sortieren wir aus. Der Großteil davon kann bedenkenlos gesalzen weiterverarbeitet werden, einen Anteil von insgesamt 0,3 Prozent vernichten wir wegen des Geruchs. Trotzdem kommen viele Bauern nicht auf die Idee, mit der Kastration aufzuhören, und das, obwohl sie das eigentlich nicht gern machen, aber es schon immer so gemacht haben. Sogar unser Angebot, die aussortierten Schweine praktisch mitzubezahlen, hat kaum etwas bewirkt. Deshalb erhalten wir heute erst 25 Prozent der männlichen Tiere unkastriert – immerhin.

Wieso sollen die Leute Ihnen glauben, dass Sie die Tiere artgerecht halten, wenn Sie diese zur Schlachtbank führen?

Laufen Sie doch einfach durch den Betrieb und schauen sich alles an. Das sage ich auch den größten Kritikern. Aber das trauen die sich nicht, weil sie dann vielleicht positiv überrascht würden. Wir zeichnen alle Bereiche, in denen Tiere sind, mit Videokameras auf. Unterstellt, jemand von einer Tierschutzorganisation würde behaupten: Bei dir werden Tiere schlecht behandelt! Dann sage ich: Moment mal. Wann und wo soll das gewesen sein? Dann schick ich ihm den Überwachungsfilm auf DVD. Dann sieht er, wie es bei uns zugeht.

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