CO2-Ausgleich UN vermitteln offenbar unwirksame Klimazertifikate

Quelle: imago images

In einer Art Online-Shop der UN können Verbraucher und Unternehmen billig ihre CO2-Emissionen ausgleichen. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche und des Online-Magazins Flip ist ein Teil der dort angebotenen CO2-Zertifikate aber offenbar wirkungslos.

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Die Vereinten Nationen (UN) vermitteln CO2-Zertifikate, die offenbar unwirksam sind – und damit das Klima nicht schützen. Sie betreiben dazu eine Plattform im Internet, die sich in Form eines Online-Shops an Verbraucher und Unternehmen richtet. Ihre Nutzer können besonders kostengünstig Emissionen ausgleichen, teilweise für wenige Cent pro Tonne CO2. Das ist ein Bruchteil der üblichen Kosten von mehreren Euro pro Tonne. Nach Recherchen des Online-Magazins Flip und der WirtschaftsWoche könnte ein erheblicher Teil der dort angebotenen Billig-Zertifikate wirkungslos sein. Nach Einschätzung von Carsten Warnecke vom New Climate Institute wird „die Öffentlichkeit getäuscht“.

Flip und die WirtschaftsWoche untersuchten unter anderem ein Staudamm-Projekt in Brasilien, dessen CO2-Zertifikate ein brasilianisches Unternehmen in dem Online-Shop der UN anbietet. Nach Angaben verantwortlicher Mitarbeiter des Betreibers wäre der Staudamm auch ohne das Geld aus den Zertifikaten gebaut worden. Das Projekt spart demnach keine zusätzlichen Emissionen ein. Die Zertifikate, die damit in Verbindung stehen, dürften also wertlos sein. Trotz mehrfacher Anfrage äußerten sich die UN nicht zu den Ergebnissen der Recherche.

„System auf Basis von Lügen und falschen Kalkulationen“

Der weltweite Handel mit CO2-Zertifikaten steht immer wieder in der Kritik. Mit solchen Zertifikaten, wie sie unter anderem im UN-Online-Shop vertrieben werden, kompensieren viele Unternehmen ihren CO2-Ausstoß und bewerben sich in der Folge als „klimaneutral“. Die Recherche zeigt nun, in welchem Ausmaß die Vereinten Nationen, die den globalen Markt für Klima-Kompensation maßgeblich mit aufgebaut haben, in den Skandal um wertlose CO2-Zertifikate verstrickt sind.

Nach Auffassung unabhängiger Experten sind derzeit erhebliche Mengen unwirksamer UN-Zertifikate im Umlauf. Der Klimaforscher Martin Cames vom Öko-Institut etwa geht davon aus, dass bis zu 85 Prozent der UN-Projekte dem Klima nicht so helfen, wie sie es vorgeben. „Trotzdem trägt das alles das UN-Siegel, ich halte das für problematisch“, sagt Cames. Auch Barbara Haya von der University of California, Berkeley kritisiert, dass das Regelwerk der UN voller Schlupflöcher sei. „Die UN haben ein System auf Basis von Lügen und falschen Kalkulationen geschaffen. Das ist sehr gefährlich“, sagt Haya. 

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