CO2-Emissionen So gerechtfertigt ist das grüne Gewissen der Dax-Konzerne

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Welche Unternehmen ihre Emissionen am meisten gesteigert haben

Als wäre die Debatte um Flugscham nicht schon genug: Lufthansa, Deutschlands größte Airline, hat im vergangenen Jahr den Treibhausgasausstoß um zwölf Prozent erhöht. Teilweise kommt diese Steigerung dadurch zustande, dass Lufthansa nun auch Brussels Airlines und die von Air Berlin übernommenen Flugzeuge mit einrechnen muss. Man arbeite intensiv an Wegen, Treibstoff zu sparen, erklärte der Konzern. Im vergangenen Jahr habe die Lufthansa nur noch 3,65 Liter Kerosin pro Passagier für 100 Kilometer Strecke benötigt – „der bisher niedrigste Wert in der Geschichte der Lufthansa“. Doch an dem Beispiel zeigt sich auch: Reduzieren heißt noch nicht, dass Emissionen auch vermieden werden. Solange die Lufthansa mehr Passagiere befördert, steigen auch die Emissionen.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat bisher anscheinend noch nicht allzu viel Wert auf seine Klimapolitik gelegt. Nicht nur, dass Adidas seine Scope-3-Werte gar nicht erst errechnet. Selbst bei Scope 1 und 2 – also den durch Energieverbrauch und den eigenen Fuhrpark entstehenden Emissionen – hat Adidas im vergangenen Jahr ordentlich zugelegt: sechs Prozent mehr Treibhausgase stieß der Konzern aus.

Ähnlich sieht die Situation bei Covestro aus. Der Kunststoffhersteller – eine Abspaltung des Bayer-Konzerns – steigerte seine Emissionen ebenfalls um sechs Prozent. Covestro macht dafür die Entwicklung des Energiemix an seinen Standorten in den USA und in Deutschland verantwortlich – wenn dort weniger grüner Strom ins Netz fließe, könne Covestro auch weniger nutzen. Um seine Ziele zu erreichen, seien in den nächsten Jahren „verstärkte Anstrengungen“ nötig, erklärt der Konzern selbst.

Andere Unternehmen rechnen erst gar nicht damit, dass sie ihre Emissionen reduzieren können. So teilt die Telekom teilt mit, dass sie in den kommenden Jahren von einem „steigenden Energieverbrauch“ ausgeht. Das hänge vor allem mit dem Ausbau der Mobilfunknetze und benötigten Rechenzentrumskapazitäten zusammen. Auch die Deutsche Post DHL verzeichnete im vergangenen Jahr um über zwei Prozent steigende Emissionen und führt das auf das Marktwachstum zurück. Innerhalb von Deutschland setzt der Logistiker seinen Elektrolieferwagen StreetScooter und Lastenfahrräder ein. Aber zu den Dienstleistungen gehört auch die Expresslieferung per Flugzeug, die einen Großteil der Emissionen ausmacht.

Auffällig ist auch die Entwicklung von RWE: Zählt man Scope 1, 2 und 3 zusammen, hat der Konzern im vergangenen Jahr um mehr als 40 Prozent bei den Emissionen zugelegt. Der Grund dafür liegt in der sich verändernden Struktur des Konzerns: RWE führt ein Tauschgeschäft mit Konkurrent E.On durch und gibt dabei auch die Grünstrom-Tochter Innogy ab. „Nach Abschluss der Transaktion und dem Verkauf der RWE-Anteile an Innogy wird der Ausweis unserer Emissionen wieder entsprechend niedriger ausfallen“, erklärt der Konzern.

Welche Unternehmen ihre Emissionen am meisten reduziert haben

Nivea-Produzent Beiersdorf hat im vergangenen Jahr einen wichtigen Schritt getan und seine Stromversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt. Heute bezieht der Konzern 81 Prozent seines Stroms aus Wind, Sonne und Wasser. 2017 waren es erst 45 Prozent. Dadurch senkten sich die Emissionen des Konzerns um 15 Prozent.

Allerdings sind andere schon weiter: SAP zum Beispiel gibt an, 100 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Mitarbeiter bekommen eine Bahncard 100 anstelle eines Firmenwagens, und auf Flugreisen gibt es einen internen CO2-Preis. Allein im vergangenen Jahr hat SAP seinen Ausstoß um 13 Prozent gesenkt.

von Simon Book, Jacqueline Goebel

Relevanter für das Klima dürfte allerdings die Entwicklung von E.On sein: Der Konzern konnte seine Emissionen ebenfalls um rund 13 Prozent reduzieren. Ein Großteil davon entstehe durch Berechnungseffekte, erklärte der Energieversorger selbst. Für die Zukunft verbreitet er Optimismus: „Wir gehen davon aus, dass die Kohlenstoffintensität des bezogenen Stroms weiter abnimmt“, erklärt der Konzern. Der Grund: Auch andere Länder, von denen E.On Strom bezieht, stellen ihren Energiemix auf Grünstrom um.

Drei Konzerne erklären, sie seien schon da, wo die Welt noch hin will: Der Versicherer Allianz, Munich Re und die Deutsche Bank arbeiten angeblich klimaneutral. Der Strom komme aus nachhaltigen Quellen, die Gebäude seien so energieeffizient wie möglich. Was nicht vermieden werden kann, gleichen die drei Konzerne durch freiwillige CO2-Kompensation aus. Allerdings: Alle drei bieten vor allem Dienstleistungen an, haben also keine große Produktion, die Emissionen verursacht. Die Industrie und die großen Produzenten brauchen andere Strategien, wenn sie die Klimaziele einhalten wollen.

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