Corona-Impfstoff Moderna verzichtet auf Patentschutz in ärmeren Ländern

Moderna will künftig in fast hundert Ländern der Welt dauerhaft auf die Durchsetzung seiner Patentrechte verzichten. Quelle: imago images

In Entwicklungsländern sollen mehr Menschen gegen Corona geimpft werden – daher will der US-Konzern Moderna dort gegen Kopien seines Impfstoffs nicht mehr juristisch vorgehen. Konkurrent Biontech hat ebenfalls Pläne für ärmere Länder.

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Die „Ärzte ohne Grenzen“ kritisieren die Impfstoffhersteller schon seit Monaten – und sie sind nicht die einzigen. Die Unternehmen sollten ihre Vakzin-Patente doch bitte rausrücken, fordern die Nichtregierungsorganisationen. Nur so könne die Impfkampagne in den Entwicklungsländern endlich in Schwung kommen. Denn während in den westlichen Industrieländern nahezu jeder, der will, die Spritze erhalten hat, sind in den Ländern mit niedrigem Einkommen gerade mal fünf Prozent der Bevölkerung geimpft.

Der US-Impfstoff-Hersteller Moderna kommt solchen Forderungen nun einen großen Schritt entgegen – künftig will das Unternehmen in fast hundert Ländern der Welt dauerhaft auf die Durchsetzung seiner Patentrechte verzichten. Dies kündigte Moderna am heutigen Dienstag anlässlich einer Veranstaltung der CEPI, eines Zusammenschlusses von Regierungen, Unternehmen, und Forschungseinrichtungen zum Zwecke der Epidemie-Vorbeugung, an. Auf der Veranstaltung erklärte das Unternehmen zudem, künftig Impfstoffe gegen Krankheiten wie Malaria, Ebola oder HIV zu entwickeln; entsprechende klinische Studien sollen bis zum Jahr  2025 starten. Außerdem will Moderna seine mRNA-Plattform auch für externe Wissenschaftler öffnen.

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Zum Verzicht auf den Patentschutz erklärte Modernas Top-Manager Stephen Hoge der WirtschaftsWoche die Pläne des Unternehmens: „Wir wollen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sicherstellen, dass unsere Patente den Zugang zu unserem Corona-Impfstoff nicht behindern. Deswegen verzichten wir darauf, unsere Patentrechte in 92 Ländern der Welt zu verfolgen.“ Generika-Firmen können so mit einer Kopie der Impfstoff-Technologie Vakzine produzieren. Die 92 Länder, in denen Moderna künftig auf seine Patentrechte verzichtet, wurden von der internationalen Impfallianz Gavi definiert. Gavi griff dabei wiederum auf Daten der Weltbank zum Bruttoinlandseinkommen in den Jahren 2018 und 2019 zurück. Zu den Ländern zählen vor allem afrikanische Staaten sowie unter anderem die Philippinen, Indonesien und Indien (siehe Grafik unten).



„Wir machen keinen Gewinn – im Gegenteil“

Moderna hatte bislang zugesagt, seine Patentrechte in ärmeren Ländern bis zum Ende der Pandemie nicht zu verfolgen. „Jetzt gilt diese Zusage unbegrenzt“, erklärt Hoge, der dem Vorstand von Moderna angehört. Eine Lizenzgebühr fällt laut Hoge nicht an: „Für die Nutzung der Patente verlangt Moderna kein Geld. Wir machen damit keinen Gewinn – im Gegenteil.“ Moderna liefert die Technologie bereits in mehrere Länder, in denen das Unternehmen seinen COVID-19-Impfstoff herstellt. „Einen weiteren Know-how-Transfer in zusätzliche Länder können wir jedoch nicht leisten“, schränkt Hoge ein, „das ist ein sehr intensiver Prozess und würde die Ressourcen unseres Unternehmens völlig überfordern.“

Wann der vor Ort produzierte Impfstoff dann in den 92 Ländern auf den Markt kommt, ist nach Ansicht von Beobachtern unklar, das hänge im Wesentlichen von den Regulierungsbehörden ab.



Zu den  Ländern, in denen Moderna künftig auf Patentschutz verzichten will, zählt die Ukraine. Moderna bemühe sich, die Bevölkerung dort über Hilfsprogramme mit seinem Corona-Impfstoff zu versorgen: „Wir sind zuversichtlich, dass unsere Lieferketten für die Impfstoffproduktion halten werden. Aber das ist nicht der entscheidende Faktor. Es gibt dort Menschen, die leiden, und wir tun alles, was wir können, um dieses Leid zu lindern“, so Hoge.

Produktion für Afrika

Zudem kündigt Moderna an, eine eigene Impfstoff-Produktionsstätte in Kenia aufzubauen, dazu hat das Unternehmen Anfang März eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Pro Jahr sollen dort 500 Millionen Impfdosen produziert werden, frühestmöglicher Start ist 2023. Modernas deutscher Konkurrent Biontech hatte vor wenigen Wochen ebenfalls angekündigt, eine Impfstoff-Produktionsstätte in Afrika aufbauen zu wollen. Als mögliche Standorte sind Ruanda, Senegal und Südafrika im Gespräch. Im zweiten Halbjahr 2022 soll der Aufbau beginnen, auch dort soll 2023 die Produktion anlaufen.

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Zur Frage der geistigen Eigentumsrechte hatte Biontech stets erklärt, seine Patente nicht freigeben zu wollen und darauf verwiesen, dass die Produktion vom mRNA-Impfstoffen sehr komplex sei. Allerdings hat auch Biontech durchblicken lassen, Patentverstöße in Entwicklungsländern nicht zu verfolgen.

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