Coronavirus Vliesmangel gefährdet Masken-Produktion in Deutschland

Eine FFP2 Atemschutzmaske, die zu einem großen Teil aus Vlies besteht. Quelle: dpa

Vlies ist der wohl wichtigste Bestandteil von Atemschutzmasken – doch der Stoff ist bei deutschen Herstellern ausverkauft. Andere Länder haben ein Exportverbot verhängt. Nun sucht die Branche verzweifelt nach Lösungen.

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Ein massiver Mangel an dichtem Vliesstoff gefährdet die Produktion von Atemschutzmasken in Deutschland – und damit den Kampf gegen Covid-19. „Das Material ist komplett ausverkauft“, berichtet etwa Kristin Glatzeder, Geschäftsführerin bei P. Glatzeder, einem Hersteller unter anderem von chemischen Schutzanzügen, der jetzt in die Maskenproduktion eingestiegen ist. Vor allem sogenannter SMS-Vlies sei Mangelware. In Deutschland gibt es dafür nur zwei Hersteller. Große Produzenten in der Türkei, wo P. Glatzeder sonst SMS-Vlies einkauft, dürften das Material nicht mehr exportieren, so die Geschäftsführerin: „Die Regierung dort hat den Herstellern ein Ausfuhrverbot erteilt.“

Die Situation ist inzwischen so angespannt, dass beispielsweise die Unternehmensgruppe Freudenberg, immerhin der größte Vlieshersteller der Welt, die wichtige Ware nicht mehr frei verkauft. „Wir haben entschieden, dass das rare Gut so effizient wie möglich eingesetzt werden muss“, bestätigt eine Sprecherin gegenüber der WirtschaftsWoche. Deshalb liefert Freudenberg nur noch an professionelle Schutzbekleidungshersteller. Das soll etwa verhindern, dass Spekulanten den Vliesstoff horten – und in den nächsten Wochen zu Wucherpreisen verkaufen.

Freudenberg stellt in Kaiserslautern und den USA sogenannten Meltblown-Vlies her, der für die Verwendung in FFP1-, FFP2- und FFP3-Masken zertifiziert ist. In dem superdichten Gewebe bleiben kleinste Partikel wie Feinstaub, Bakterien und eben Viren hängen. Alles, was die Maschine in Kaiserslautern außer Masken-Vlies bislang noch produzierte, sei von Freudenberg storniert worden, sagt die Sprecherin. Das Unternehmen will so zumindest soviel an Nachfrage bedienen, wie möglich.

Vorsichtsmaßnahmen gegen Spekulanten hat auch das oberfränkische Unternehmen Sandler ergriffen, bestätigt ein Sprecher des Herstellers von SMS-Vlies. Auf der Unternehmenswebsite teilt Sandler inzwischen mit: „Leider sind unsere Fertigungskapazitäten für Vliesstoffe für Atemmasken zum aktuellen Zeitpunkt vollkommen ausgeschöpft. Wir können daher voraussichtlich bis Anfang Juni keine Neuaufträge bearbeiten.“ SMS-Vlies ist eine besonders robuste Mischung aus Meltblown-Vlies und Spinnvlies. 

Um den Mangel an SMS- und Meltblown-Vlies zu überbrücken, testen mehrere Unternehmen nun mögliche Alternativen: Freudenberg experimentiert gemeinsam mit dem Textilhersteller P. Glatzeder mit einem sogenannten Evolon-Vlies. Das französische Gesundheitsministerium hat das Material gerade erst als ausreichend für Schutzmasken eingestuft, weil es besser filtert als einfache Community-Masken. Allerdings darf es bisher nur für sogenannte OP-Masken verwendet werden, nicht für leistungsfähigere Feinstaubfilter – und das auch nur in Frankreich. Hergestellt wird Evolon in einem Freudenberg-Werk im französischen Elsass.

Für FFP-Masken will P. Glatzeder nun unter anderem in Kooperation mit der Feuerwehr in Baden-Württemberg Alternativen suchen, beispielsweise in Form einer Kombination von Evolon mit einem Spinnvlies. Und auch Freudenberg sucht nach weiteren Möglichkeiten, den Engpass zu beheben. „In Deutschland testen wir gerade jede Menge Materialien und auch andere Technologien“, so die Sprecherin. Da gebe es aber noch kein Ergebnis.

Der Mangel an Vlies ist auch deshalb problematisch, weil Deutschland in den nächsten Wochen Milliarden von Masken benötigt, um die Wirtschaft wieder hochfahren zu können. Politiker und Gewerkschaften fordern, Arbeitnehmer mit Masken auszurüsten, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren.

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