Covestro-Chef Steilemann „Ein großartiger Tag für den freien Welthandel“

Markus Steilemann, 48, ist seit Juni Vorstandsvorsitzender des Leverkusener Chemiekonzerns Covestro. Quelle: dpa

Seit Juni führt der 48-jährige Markus Steilemann den Leverkusener Chemiekonzern Covestro. Im Interview spricht der Dax-Chef über die Gefahr von Handelskonflikten, die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline und die Frage, wie lange das Wachstum bei Covestro noch weitergeht.

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WirtschaftsWoche: Herr Steilemann, im zweiten Quartal hat Covestro seinen Umsatz um zehn und das operative Ergebnis um sechzehn Prozent erhöht. Wie lange geht das noch gut? Irgendwann endet doch jeder Konjunkturzyklus mal.
Markus Steilemann: Zunächst einmal freuen wir uns über das tolle Ergebnis. Wir steuern 2018 auf ein weiteres Rekordjahr zu. Der Umsatz dürfte insgesamt bei über 15 Milliarden Euro liegen, das operative Ergebnis wie 2017 bei etwa 3,4 Milliarden Euro. Dazu tragen alle Bereiche bei – sowohl unsere Kunststoff-Vorprodukte Polycarbonat und Polyurethan als auch unser Geschäft mit Lacken, Klebstoffen und Spezialchemie. Im zweiten Halbjahr 2018 werden die Zahlen, saisonal bedingt, etwas schwächer ausfallen. Ich sehe insgesamt aber keinen Anlass, dass sich unser Wachstum in den nächsten drei bis fünf Jahren abschwächt.

Ihr Wachstum profitiert doch davon, dass bei der BASF und anderen Wettbewerbern Großanlagen für das wichtige Vorprodukt TDI ausgefallen sind. Bei der BASF läuft die Produktion gerade erst wieder an.
Stimmt, das ist eine Sonderkonjunktur, die jetzt bereits seit knapp zwei Jahren anhält und uns einen jährlichen Ergebniseffekt von insgesamt rund 500 Millionen Euro bringt. Da wird sicherlich eine Normalisierung eintreten – wie schnell oder wie langsam das geht, vermag ich aber nicht zu sagen.

Wie erklären Sie sich, dass Ihre Aktionäre vorsichtig geworden sind? Von den Höchstständen zu Anfang des Jahres ist das Covestro-Papier weit entfernt.
Die Zurückhaltung der Aktionäre betrifft die gesamte Chemieindustrie, da sind wir keine Ausnahme. Viele Analysten haben sich wohl auch Sorgen um die TDI-Sonderkonjunktur gemacht.

US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker haben einen Waffenstillstand im Handelskrieg angekündigt. Stärkt das Ihre Zuversicht?
Ich hoffe, das gestern ein großartiger Tag für freien und fairen Welthandel war. Das wäre auch ganz im Sinne der Chemiebranche. Bei Covestro sind wir von Handelskonflikten aber nur in geringem Maße betroffen, da wir in jeder Region der Welt produzieren. Einen weltwirtschaftlichen Abschwung aufgrund von Handelskonflikten würden wir natürlich auch spüren.

Sie haben angekündigt, bei Zukäufen mutiger als ihr Vorgänger Patrick Thomas zu sein. Wie weit sind denn die Verhandlungen? Haben Sie schon Konkretes im Auge?
Es gibt noch nichts Konkretes. Zukäufe sind vor allem in unserem Geschäft mit Lacken, Klebstoffen und Spezialitäten denkbar. Es geht darum, unsere Geschäfte noch weniger konjunkturabhängig zu machen. Aber wir lassen uns da nicht treiben. Ein Zukauf muss Wert schaffen und optimal ins Portfolio passen, und Markt- und/oder Technologiezugang ermöglichen.

Suchen Sie auch schon nach einem neuen Großaktionär? Covestro könnte zum Übernahmeziel werden, nachdem sich Bayer weitgehend zurückgezogen hat.
Bayer hält noch etwa sieben Prozent der Anteile. Wir sind natürlich an langfristigen, strategischen Investoren interessiert. Wir haben drei starke Segmente, halten führende Marktpositionen und haben keine versteckten Werte, die anders gehoben werden könnten.

Suchen Sie aktiv danach?
Die Frage stellt sich derzeit nicht.

Gerade entstehen neue, starke Wettbewerber. Im arabischen Raum rücken Saudi Aramco und Sabic näher zusammen, in China Chemchina und Sinochem. Was heißt das für Covestro?
Größe erhöht ja nicht automatisch die Wettbewerbsfähigkeit. Und ich denke, wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir uns auch gegen große, finanzstarke Wettbewerber durchsetzen können. 

Ein Großprojekt von Covestro, die umstrittene CO-Pipeline, die ihre beiden Standorte Dormagen und Krefeld verbindet und hochgiftiges Kohlenmonoxid quer durch Wohngebiete transportiert, beschäftigt seit über einem Jahrzehnt die Gerichte. Wird das Industriemonstrum eigentlich je in Betrieb genommen?
In diesem Jahr wird es keine endgültige Entscheidung der Gerichte mehr geben. Aber wir wollen die Pipeline nach wie vor. Sie ist für Covestro wichtig – und sie ist das sicherste Transportmittel. 

Verstehen Sie die Ängste der Anwohner vor hochgiftigem Kohlenmonoxid? Anders gefragt: Würden Sie mit ihrer Familie neben die CO-Pipeline ziehen?
Ich nehme die Emotionalität sehr ernst. Noch einmal: Sicherheit hat für uns oberste Priorität.

Bei Covestro stimmt die Chemie laut Experten

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