Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will den Einsatz des Corona-Medikaments Paxlovid erleichtern. Künftig sollen Hausärzte das Medikament direkt an ihre Patienten abgeben können, anstatt wie bislang den Umweg über Apotheken zu gehen.
Eine Million Packungen Paxlovid hat er im Namen der Bundesregierung bis Ende des Jahres bestellt. Eine davon kam Lauterbach, der seine Corona-Infektion Anfang August öffentlich machte, bereits selber zugute. Fünf Tage lang musste er zweimal täglich jeweils drei Tabletten einnehmen. „Zur Vermeidung von Komplikationen“, wie Lauterbach auf Twitter schrieb.
Man darf davon ausgehen, dass der Minister alle Studien zu Paxlovid kennt. Zwar gibt es auch noch andere Corona-Medikamente – von Herstellern wie Merck & Co., Glaxo SmithKline oder AstraZeneca. Doch Expertinnen und Experten wie die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff halten Paxlovid für das beste Mittel seiner Klasse. Laut einer von Pfizer durchgeführten Studie kann Paxlovid das Risiko schwerer Verläufe um 89 Prozent senken. Im Gegensatz zu anderen Mitteln – wie etwa Ronapreve von den Herstellern Roche und Regeneron – wirkt das Pfizer-Mittel auch gegen Omikron. Das Prinzip: Paxlovid blockiert das Enzym des Erregers und hemmt so die Vermehrung des Virus.
Tablette statt Infusion
Gegenüber anderen Corona-Medikamenten verfügt Paxlovid über zwei Vorteile: Es kann als Tablette eingenommen werden und muss nicht, wie andere Mittel, aufwändig per Infusion verabreicht werden. Neben Paxlovid ist nur noch das Präparat Lagevrio vom US-Konzern Merck & Co. als Tablette verfügbar – dessen Wirkung ist allerdings deutlich schlechter als beim Pfizer-Präparat. Der zweite Vorteil besteht darin, dass die Nebenwirkungen günstiger ausfallen als bei Konkurrenzpräparaten.
In einem weiteren Tweet schreibt Lauterbach, dass genug Paxlovid-Tabletten vorhanden sind. Das stimmt. Denn die Verordnung durch die Ärzte läuft – trotz der guten Wirkung – schleppend. Von den zum Jahresende 2021 bestellten eine Million Packungen wurden nach Recherchen des Berliner „Tagesspiegel“ bis April 8700 Packungen „auf ärztliche Anforderung“ abgegeben.
Schleppende Verordnung
Denn für die Ärztinnen und Ärzte bedeutet die Verschreibung von Paxlovid einen hohen Mehraufwand. Gedacht ist Paxlovid vor allem für Menschen ab 60 oder Vorerkrankungen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Die Ärzte müssen damit ihre Patienten auf Corona-Symptome prüfen und checken, ob sie zu einer Risikogruppe gehören. Vor allem muss es schnell gehen – denn wenn das Mittel gut wirken soll, muss es in den ersten Tagen der Infektion, schon bei leichten Symptomen, verabreicht werden. Viel Anamnese und zahlreiche Aufklärungsgespräche sind folglich nötig – und nach der Verschreibung müssen die Patientinnen und Patienten dann noch engmaschig überwacht werden. Viele Ärztinnen und Ärzte scheuen wohl den Aufwand – so offen sagt das natürlich niemand; es ist lediglich unter der Hand zu hören.
Manche Ärzte scheinen auch schlichtweg schlecht informiert zu sein. So berichtet ein Patient, sein Arzt habe im erklärt, Paxlovid werde erst im Krankenhaus verabreicht - was absolut nicht stimmt.
Um die Versorgung zu verbessern, will das Bundesgesundheitsministerium künftig gleich die Hausärzte mit Paxlovid und anderen antiviralen Mitteln bevorraten. Die Patientinnen und Patienten können die Mittel dann gleich in der Praxis erhalten und müssten dazu nicht mehr zur Apotheke gehen. Der Apothekerverband ABDA bezweifelt, dass damit das Problem gelöst wird. Lauterbach wird das Projekt wohl nach seiner Genesung weiterverfolgen.
Zuweilen kann sich die vollständige Genesung allerdings noch etwas hinziehen. Das musste unlängst US-Präsident Joe Biden erfahren, der seine Corona-Infektion ebenfalls mit Paxlovid behandeln ließ. Nur wenige Tage, nachdem Biden wieder negativ getestet wurde, erkrankte er erneut an Corona. Mutmaßlicher Auslöser: der sogenannte Rebound-Effekt durch Paxlovid. Bei einem kleinen Teil der Patienten kann die Virus-Vermehrung nach wenigen Tagen wieder zunehmen, ein Test wieder anschlagen. Die Erreger haben den Körper des Patienten nie ganz verlassen, das Virus vermehrt sich erneut. Anzeichen für eine schwere Erkrankung durch den Rebound-Effekt gibt es nicht.
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Dieser Text wurde erstmals am 8. August 2022 veröffentlicht und aus aktuellem Anlass aktualisiert.