
Die Entscheidung von Beitz, Ulrich Lehner zum Chef des Kontrollgremiums des Stahl- und Technologiekonzerns zu berufen, lag eigentlich sehr nahe. Beitz kennt Lehner seit langem, beide pflegen ein Vertrauensverhältnis. Auch die Familie Henkel, der Lehner lange als Vorstandschef des Düsseldorfer Waschmittelkonzerns (Persil, Pattex) diente, ist Beitz seit langem vertraut. Konrad Henkel war ein alter Weggefährte und bevorzugte Gesprächspartner von Beitz. Außerdem kennt Lehner das Unternehmen ThyssenKrupp seit 2008, denn seitdem gehört er dem Aufsichtsrat an und hört seit langem die Klagen der Aktionäre gegen die milliardenschweren Fehlinvestitionen in Übersee in nutzlose Stahlwerke.





Doch Lehner geht ein Risiko ein und mit ihm Berthold Beitz mit dem gesamten, durch eigenes Verschulden in die Schlagzeilen geratenen Traditionskonzern. Die Staatsanwaltschaft Basel ermittelt gegen Lehner, wegen eines Verdachts. Erwiesen ist noch nichts. Aber selbst gegen Lehner-Vorgänger Cromme, der lange befehdet wurde von Aktionären und Kontrahenten innerhalb der Konzerne Siemens und ThyssenKrupp, lief niemals ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren während seiner Position als Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp. Das ist im Unternehmen nun anders geworden. ThyssenKrupp hat bald einen Chefkontrolleur, gegen den ermittelt wird. Dieser Tausch wird bei vielen ThyssenKrupp-Managern als nicht gerade glücklich angesehen. Der Vorwurf gegen Lehner: Er soll im Verwaltungsrat des Pharmariesen Novartis dem scheidenden Konzernchef Vasella eine Abfindung in Höhe von 60 Millionen Euro genehmigt haben, nicht er allein, aber im Gremium. Und Lehner gehörte bei Novartis auch dem Vergütungsausschuss an. Die Staatsanwaltschaft Basel sagt, ohne Lehner zu namentlich zu nennen: Sie ermittele wegen des Verdachts einer „ungetreuen Geschäftsbesorgung“. Untreuevorwürfe sind keine gute Mitgift für einen Cromme-Nachfolger.
Am 19. März soll Lehner zum Chefkontrolleur gewählt werden. Die Arbeitnehmerseite steht hinter ihm. Sie erhofft sich von Lehner eine sanfte Umorganisation von ThyssenKrupp, keine harten Schnitte, so heißt es aus einem der Betriebsräte des Konzerns. Das war auch der Lehner-Stil bei Henkel. Bisher jedoch hatte sich Vorstandschef Heinrich Hiesinger etwas klarer ausgedrückt, er will den gesamten Konzern auf den Prüfstand stellen und kennt dabei keine Tabus. Es darf kein Tabu sein, Untreuevorwürfen gegen ThyssenKrupp-Manager nachzugehen. Staatsanwaltliche Ermittlungen dürfen nun kein Grund sein, solche Manager auch bei schwebenden Verfahren heraus zu komplementieren.
Wenn schon der Aufsichtsratschef den Staatsanwalt aushält, dann gilt das von nun ab auch für andere verdächtige Manager, zum Beispiel wenn gegen sie wegen des Verdachts von Kartellverstößen ermittelt wird.
Ist das ein guter Start in die neue ThyssenKrupp-Ära?