Cypress Semiconductor Infineon wagt riskante Übernahme in den USA

Infineon kauft Cypress Semiconductor für 9 Milliarden Euro Quelle: dpa

Chiphersteller Infineon plant den größten Zukauf in seiner Unternehmensgeschichte. Doch die Aktionäre sind skeptisch.

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Kaum hatte Infineon-Chef Reinhard Ploss am Montagmorgen die geplante Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor angekündigt, machte er sich auf den Weg ins Silicon Valley, um Mitarbeitern des Speicherherstellers und Anlegern dort den Kauf schmackhaft zu machen. Zu Hause in Deutschland waren die Aktionäre zunächst gar nicht begeistert über die Absicht, den größten Zukauf in der Unternehmensgeschichte zu stemmen: Bei fortgesetzt negativem Trend des Dax straften sie Ploss und Kollegen regelrecht ab.

Tatsächlich ist der Plan nicht ohne Risiko, und da sind Anleger im Umfeld von Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China derzeit ohnehin auf der Hut. Der angekündigte Preis von insgesamt 9 Milliarden Euro oder 23,85 Dollar je Cypress-Aktie erscheint auf den ersten Blick überteuert. Infineon-Chef Ploss hält zwar mit dem Argument dagegen, dass sein Unternehmen damit in die Top Ten der Halbleiterunternehmen aufsteigen und bei Chips für die Automobilindustrie sogar Platz eins einnehmen wird. Auch lockt Ploss mit der Aussicht, dass die Zeit der mauen Prognosen mit der Integration des neuen Unternehmens für die Münchner endgültig vorbei sein soll. Nach zweimal hintereinander gesenkten Umsatzerwartungen – die erste im Februar auf plus neun Prozent, die zweite bereits Ende März auf nur noch fünf Prozent mehr – soll es dann mit über neun Prozent aufwärts gehen. Auch die Profitabilität soll wieder steigen und eine Ergebnismarge von 19 Prozent für gute Stimmung sorgen.

Doch das 4,5-Fache des Cypress-Umsatzes zu bezahlen und einen Aufschlag von 46 Prozent auf den durchschnittlichen Aktienkurs der Amerikaner zwischen Mitte April und Mitte Mai sind durchaus ein Brocken für die Münchner. Nach den letzten Kursverlusten beträgt der eigene Börsenwert nur noch knapp 18 Milliarden Euro. Der Kauf eines US-Unternehmens birgt zudem das Wagnis, sich den aktuellen Unwägbarkeiten der amerikanischen Innen- und Wirtschaftspolitik auszusetzen. Zwar macht Cypress derzeit bedeutend mehr Umsatz in Japan als auf dem heimischen Markt. Aber Infineon musste sich gerade dem Druck der Trump-Administration beugen und liefert keine Produkte mehr aus den USA an den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei. Und schon 2017 platzte die damals viel kleinere Übernahme der Cree-Tochter Wolfspeed durch Infineon am Widerstand der US-Regierung. Trotzdem stellte Cree Infineon eine Vertragsstrafe von 12,5 Millionen Dollar in Rechnung. Neben den Anlegern müssen auch diesmal die Behörden ihr Okay geben.

von Thomas Kuhn, Michael Kroker, Thomas Stölzel, Mario Brück

Dass die Infineon-Führung nicht lange fackelte, als sie vor fünf Wochen zum Bieterverfahren eingeladen wurde, liegt am Druck auf die Branche. Kaum ein Sektor leidet stärker unter konjunkturellen Problemen. Deshalb machen zum einen schwächere Konjunkturaussichten die Notwendigkeit zur Bedienung wachstumsstarker Märkte in den Bereichen Automotive, Industrie und Internet der Dinge (IoT) deutlich. Analysten weisen darauf hin, dass ein Großteil der Branche im Gegensatz zu Infineon bereits in den vergangenen Jahren schneller gewachsen ist und die Gewinne beträchtlich steigerte.

Mit dem Kauf des US-Unternehmens Integrated Device Technology (IDT) durch die japanische Renesas war Infineon erst vor wenigen Monaten ein ernster Mitbewerber in der Autobranche entgegengetreten. Dass Qualcomm letztlich die Mega-Übernahme des niederländischen Halbleiterspezialisten NXP abblies, heißt nicht, dass die Amerikaner die Suche eingestellt haben.

Auch die neuen Anforderungen der Kunden nach kompletten Systemlösungen anstatt einzelner Geräte will Infineon mit der Übernahme besser bedienen. „Die Kunden haben keine Zeit und nicht die Kompetenz. Sie sagen: gebt uns was“, bringt Ploss die Situation auf den Punkt. „Wir wollen ein Komplettlieferant sein.“ In der Automobilindustrie werde man künftig mit den Micro-Controllern Aurix aus dem eigenen Haus und Traveo von Cypress das gesamte Spektrum an Wünschen abdecken können. Continental hatte sich jüngst für Traveo zum Einsatz in seiner neuen Karosserie-Elektronikplattform entschieden. Damit will der Zulieferer Optionen für verschiedene Produkte wie zentrale Bordnetzsteuergeräte oder drahtlose Ladegeräte ermöglichen. Cypress bietet laut Infineon-Chef Ploss auch schon die Möglichkeit der WLAN-Nutzung im Auto.

Als weiteres Plus für den Zusammenschluss mit den Amerikanern nennt Infineon, dass etwa der Lieferumfang bei Klimaanlagen um 50 Prozent zulegen werde. Insgesamt wird langfristig ein zusätzliches Umsatzpotenzial von mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr erwartet. Das Sparpotential liegt nach den Erwartungen der Münchner bei jährlich 180 Millionen Euro. 

Die Banken sind dem Vernehmen nach überzeugt: Laut Infineon liegen Kreditzusagen eines Konsortiums mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren vor. Das Unternehmen will die Übernahme mit Barmitteln bis zu einer Höhe von einer halben Milliarde Euro sowie weitere rund 2,7 Milliarden Euro durch neues Eigenkapital finanzieren. Das Eigenkapital könnte über die Ausgabe neuer Aktien oder auch über Pflichtwandelanleihen aufgenommen werden. Der Rest des Kaufpreises wird von den Banken kommen und die Verschuldung von Infineon steigern. 

Analysten macht das skeptisch. Zumal Cypress Semiconductor bei weitem kein Überflieger sei. Nach der Finanzkrise sei das Unternehmen bis 2014 beim Umsatz auf der Stelle getreten, einer Übernahme folgten drei Verlustjahre und Kapitalerhöhungen. Erst 2018 war das Unternehmen demnach wieder nachhaltig profitabel. Bei Aktionären in den USA wird das Infineon-Angebot deshalb wohl Freude auslösen. Zu Hause muss Vorstandschef Ploss noch einige Überzeugungsarbeit leisten. 

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