Daimler Kartellverdacht überschattet Zetsches starke Zahlen

Die Debatten um Dieselmanipulation, Fahrverbote und der Kartellverdacht setzen Daimler zu. Trotzdem präsentiert Konzernchef Zetsche am Mittwoch starke Zahlen – selbst wenn er die Erwartungen nicht komplett erfüllen kann.

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Stuttgart Daimler hat trotz einer starken Pkw-Nachfrage und einer Erholung im schwächelnden Lkw-Geschäft den Gewinn im zweiten Quartal nur leicht gesteigert. Das Konzernergebnis kletterte von April bis Juni um zwei Prozent auf 2,5 Milliarden Euro, wie der Stuttgarter Autobauer am Mittwoch mitteilte.

Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) schnellte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 15 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro in die Höhe bei einem Umsatzplus von sieben Prozent auf 41,1 Milliarden Euro. Allerdings war der operative Gewinn vor Jahresfrist niedrig ausgefallen, da Kosten für den Austausch von Airbags und andere Sonderfaktoren belastet hatten.

Die Zahlen blieben damit leicht hinter den Markterwartungen zurück: Von Reuters befragte Analysten hatten ein unbereinigtes Ebit von 3,8 Milliarden Euro sowie einen Nettogewinn von 2,53 Milliarden Euro vorausgesagt. Schließlich war der Pkw-Absatz der Marke mit dem Stern weiter kräftig gewachsen – um neun Prozent im abgelaufenen Quartal auf fast 600.000 Fahrzeuge. Die Rendite lag etwas über zehn Prozent.

Im Nutzfahrzeuggeschäft verkaufte Daimler acht Prozent mehr Lkws, nachdem der Absatz im Auftaktquartal noch geschrumpft war. Hier hob der Konzern die Absatz- und Gewinnprognose an. Das operative Ergebnis soll nun das Vorjahresniveau erreichen statt darunter zu liegen.

Daimler-Chef Dieter Zetsche verteidigte damit im zweiten Quartal die Position als größter Premiumhersteller weltweit vor BMW. Doch der Erfolg wird von Dieselbetrugs- und Kartellvorwürfen überschattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob bei Mercedes-Benz die Abgasreinigung ähnlich wie bei Volkswagen manipuliert wurde.

Zudem prüft die EU-Kommission, ob Daimler mit den anderen deutschen Herstellern Volkswagen und BMW seit den 90er-Jahren im großen Stil illegale Absprachen zu Technik, Lieferanten und Märkten traf. Einem Insider zufolge hatte Daimler noch vor VW den Kartellverdacht gegenüber den Behörden gebeichtet. So könnte der Autobauer aus Stuttgart als Kronzeuge straffrei ausgehen.

Der IG-Metall-Chef von Bayern, Jürgen Wechsler, forderte, die Vorgänge komplett aufzuklären. „Es wäre unverantwortlich, wenn durch unrechtmäßiges Handeln unsere Technologieführerschaft aufs Spiel gesetzt und damit Arbeitsplätze gefährdet würden“, erklärte er.


Auch der Dieselskandal setzt Daimler unter Druck

Nach Berechnung des NordLB-Analysten Frank Schwope könnte der finanzielle Schaden für die Konzerne in die Milliarden gehen, sollte sich der Kartell-Vorwurf bestätigen. Er verwies in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ auf mögliche Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen und einen noch nicht abzuschätzenden Imageschaden, der Auswirkungen auf die Verkäufe haben könne.

Zudem musste Daimler kürzlich unter dem Druck der Diskussion über Fahrverbote für Dieselautos und Abgas-Betrugsermittlungen eine massive Rückrufaktion ankündigen. Insgesamt drei Millionen Mercedes-Benz Pkw mit Dieselmotoren in Europa sollen durch eine Nachrüstung weniger schädliches Stickoxid ausstoßen, teilte der Autobauer in der vergangenen Woche. Die „freiwillige Servicemaßnahme“, wie Daimler den Rückruf nennt, werde rund 220 Millionen Euro kosten. Die Kunden sollen nichts bezahlen. Daimler will damit das angeschlagene Vertrauen der Käufer in Dieselautos wieder aufbauen.

Der Stuttgarter Autobauer hat bereits mit der im vergangenen Jahr, von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verlangten Nachrüstung von knapp 250.000 Kompaktwagen und Vans begonnen. Das Kraftfahrt-Bundesamt war bei Messungen auf Stickoxid-Werte gestoßen, die nach seiner Ansicht mit technischen Gründen des Motorschutzes nicht zu erklären waren. Eine Manipulation, wie sie Volkswagen unter Druck von US-Umweltbehörden zugab, hatte die deutsche Aufsicht Daimler nicht vorgeworfen.

Diesem Vorwurf geht mittlerweile aber die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach. Sie sicherte mit einer Großrazzia Beweise. In dem dafür ausgestellten Durchsuchungsbeschluss äußert sie nach Medienberichten den Verdacht, bei mehr als einer Million Diesel-Pkw von Mercedes-Benz sei eine illegale Abschalteinrichtung verbaut. Diese würde die Abgasreinigung im Prüfstand an- und auf der Straße teilweise wieder ausschalten. Der Autobauer weist bisher alle Betrugsvorwürfe zurück.

Mit dem freiwilligen Rückruf reagieren die Schwaben auch auf drohende Fahrverbote, die Daimlers Heimatstadt Stuttgart und auch München androhten, um jahrelange Verstöße gegen EU-Luftreinhaltevorschriften zu stoppen. Daimler geht jetzt noch einen Schritt weiter als die Konkurrenten BMW und Audi, die sich gegenüber der bayerischen Landesregierung zur Nachrüstung etwa der Hälfte ihrer Dieselautos mit der älteren Norm Euro 5 bereit erklärten.

Der Autobauer sieht sich dennoch gut gewappnet für weiteres Wachstum. Finanzchef Bodo Uebber kündigte an, die Ausgaben für Investitionen sowie für Forschung und Entwicklung in diesem und im kommenden Jahr nochmals deutlich zu erhöhen. „Die für diesen Wachstumskurs nötige Finanzkraft haben wir“, erklärte er.

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