Daimler und das FBI Die Aufpasser im Vorstandsbüro

Der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh räumte mit der Ex-Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt in der Daimler-Zentrale auf. Ihre Arbeit war Teil einer Abmachung zwischen dem Autobauer und dem US-Justizministerium.

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VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hatte unmittelbar nach Bekanntwerden des Dieselbetrugs Hohmann-Dennhardt von Daimler abgeworben und so ein Zeichen des guten Willens an die US-Behörden gesendet. Quelle: dpa

Es war ein Kulturschock, als Louis Freeh Anfang 2010 in die Daimler-Zentrale einzog. Der ehemalige FBI-Chef verhörte Vorstände, sammelte Akten ein und platzte in Sitzungen. Rigoros räumte der Aufpasser gemeinsam mit der ehemaligen Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt in Stuttgart auf. Die Arbeit des Ermittlers war Teil einer Abmachung zwischen dem Autobauer und dem US-Justizministerium, die Daimler wegen Schmiergeldvorwürfen in den USA eingehen musste.

Bei VW hatten sie lange gehofft, sich den „Monitor“ sparen zu können. Immerhin hatte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch unmittelbar nach Bekanntwerden des Dieselbetrugs Hohmann-Dennhardt von Daimler abgeworben und so ein Zeichen des guten Willens an die US-Behörden gesendet. Doch die Amerikaner bestehen auf einen externen Aufpasser, das ist Teil der am Mittwoch verkündeten Einigung. Drei Jahre lang soll dieser nun kontrollieren, ob die Wolfsburger nach dem Abgasbetrug tatsächlich den Pfad der Tugend beschreiten. Denn aus Sicht der US-Behörden sind Vergehen wie der Abgasbetrug bei Volkswagen immer das Resultat einer mangelhaften Unternehmenskultur, ausgehend von der Führungsspitze. Und die müsse bei VW ebenso nachhaltig korrigiert werden wie zuvor bei Daimler, Siemens oder Bilfinger.

Bei Daimler hatte die Truppe um Louis Freeh schnell den Ruf, wie ein Staat im Staat zu arbeiten. Mehr als einmal habe Hohmann-Dennhardt ihren US-Kollegen bremsen müssen, heißt es in Stuttgart. Tatsächlich scherten sich die Amerikaner zunächst auch wenig um deutsche Befindlichkeiten wie den Datenschutz, wenn es beispielsweise um die Verbindungsdaten von Telefonen ging. Auch das von Freeh eingeführte Whistleblower-System war den Deutschen neu. Über ein Meldesystem konnten Mitarbeiter anonyme Hinweise auf Verfehlungen im Unternehmen melden. Ein weites Feld, wie sich zeigte: Mal wurden ernsthafte Missstände aufgedeckt, mal wurde nur der missliebige Vorgesetzte denunziert.

Sicher ist: Bei Daimler hatte sich einiges aufgestaut. Die Schwaben hatten mit Schmiergeldzahlungen und Geschenken an Würdenträger vor allem in Afrika und Asien ihren Lkw-Absatz angekurbelt. Fortan wurde in Stuttgart intensiv geschult. Hohmann-Dennhardts Abteilung entwickelte eigens das Computerspiel „Monster-Mission“ für die Daimler-Mitarbeiter. Es galt, versteckte Korruptions-Monster im Unternehmen zu erkennen und zur Strecke zu bringen. Immerhin: Die Wolfsburger dürfen sich ihren Monitor selbst aussuchen. Ein Privileg, das 2009 auch Siemens zuteilwurde. Die Münchener entschieden sich für Theo Waigel. Der Ex-Finanzminister hatte sich nach seiner Karriere als Politiker der Kanzlei GSK Stockmann & Kollegen angeschlossen und übernahm die sensible Aufgabe. Das war ungewöhnlich, weil US-Behörden dafür typischerweise international erfahrene Anwälte einsetzen. Allerdings wurde Waigel von der US-Kanzlei Gibson Dunn & Crutcher unterstützt.

Die Münchener hatten über Jahre schwarze Kassen unterhalten und damit nicht nur Kunden, sondern auch Betriebsräte im eigenen Haus bestochen. Eine Arbeit, die Waigel sichtlich Spaß machte. Nicht nur, dass der Ex-Politiker das schönste Büro der Siemens-Zentrale am Wittelsbacher Platz in München belegen durfte. Waigel erhielt für seine 100 Tage bei Siemens auch eine halbe Million Euro. Auch Louis Freeh darf noch einmal an die Arbeit: Beim Mannheimer Baukonzern Bilfinger wurde er im Herbst 2015 als externer Aufseher eingesetzt. 2013 hatte das US-Justizministerium zunächst den Schweizer Juristen Mark Livschitz beauftragt. Nach dem Abgang des Vorstandsvorsitzenden Roland Koch kam es aber zu einiger Unruhe an der Konzernspitze, so dass Livschitz den Job vorzeitig an Freeh übergab. Bilfinger war ursprünglich ins Visier der US-Justiz geraten, weil Manager bei einem Ölpipeline-Projekt in Nigeria Regierungsbeamte mit rund sechs Millionen US-Dollar bestochen haben sollen. Bilfinger zahlte dafür eine Geldstrafe von mehr als 30 Millionen Dollar und stimmte dem Einsatz eines Monitors zu.

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