Dax-Konzerne Vergütung der Aufsichtsratschefs steigt auf Rekordniveau

Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning und Vorstandsvorsitzender Werner Baumann Quelle: AP

Widersprüchliche Trends: Die durchschnittliche Gesamtvergütung der Aufsichtsratschefs der Dax-Konzerne stieg 2018 um 3,9 Prozent. Gleichzeitig gingen die Konzernjahresüberschüsse im Schnitt um drei Prozent zurück.

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In der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist es ein Novum: Erstmals haben die Aktionäre dem amtierenden Vorstandsvorsitzenden eines Dax-Konzerns auf der Hauptversammlung nicht entlastet. 55 Prozent der Vertreter des anwesenden Grundkapitals sprachen Bayers Konzernchef Werner Baumann das Misstrauen aus.

Dieses erschütternde Ergebnis muss sich neben Baumann auch Werner Wenning ankreiden, der selbst von 2002 bis 2010 Konzernchef war und heute Aufsichtsratsvorsitzender bei Bayer ist. Er und die anderen Bayer-Kontrolleure haben die Übernahme von Monsanto maßgeblich mitgetragen, die den 1863 gegründeten Traditionskonzern zum Taumeln brachte.

Die Bayer-Aktie hat allein im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel ihres Wertes verloren. Der Gewinn je Aktie (EPS) sank zwischen 2017 und 2018 um 78 Prozent. Trotz der Verluste, die die Aktionäre erlitten, stieg die Vergütung des Aufsichtsratsvorsitzenden Wenning um drei Prozent von 394.000 Euro im Jahr 2017 auf 407.000 Euro 2018.

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Damit liegt Bayer gewissermaßen im Trend. Das zeigt eine Analyse der Vergütungen der Aufsichtsratsvorsitzenden in den Dax-Unternehmen, die die Unternehmensberatung hkp-Group jährlich veröffentlicht. Obwohl die Konzernjahresüberschüsse im Geschäftsjahr 2018 durchschnittlich um drei Prozent gesunken sind, stieg die durchschnittliche Vergütung der Aufsichtsratsvorsitzenden der Dax-Unternehmen laut Analyse um 3,9 Prozent auf 424.000 Euro. Die hkp-Group hat die Geschäftsberichte und Satzungen von 29 der 30 Dax-Konzerne ausgewertet, die Daten der Linde plc waren noch nicht veröffentlicht.

„Angesichts der von den Unternehmen fortgesetzten Umstellung der Aufsichtsratsvergütung auf reine Fixbezüge haben sich die Vergütungen von der Geschäftsentwicklung entkoppelt“, heißt es in der Analyse. Mit BMW, Continental, der Deutschen Bank, Fresenius und Fresenius Medical Care setzen nur fünf der 30 Dax-Konzerne auf eine Kombination von variabler und fixer Vergütung, sodass sich eine negative Unternehmensentwicklung auch im Salär des Aufsichtsratsvorsitzenden widerspiegelt.

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„Wenn schon eine reine Fixvergütung bezahlt wird, dann sollte diese zwingend durch eine Aktienkaufverpflichtung ergänzt werden“, fordert hkp-Group-Partnerin Regine Stiepmann. Der Trend zur ausschließlichen Fixvergütung bilde nicht die Aufgabenfülle aus Kontrolle und Strategiebeteiligung des Aufsichtsrates ab.

Den ertragreichsten Chefaufseherposten unter Deutschlands Börsenschwergewichten hat – wie auch schon in den Vorjahren – Deutsche-Bank-Aufsichtsratsvorsitzender Paul Achleitner inne. Allein der Posten bei der Deutschen Bank bringt ihm ein Jahressalär von 858.000 Euro ein. Daneben sitzt er in den Aufsichtsräten von Bayer und Daimler – womit er insgesamt auf 1.246.000 Euro pro Jahr kommt, wie die hkp-Group ausrechnet.

Mit all seinen Aufsichtsratsmandaten verdient nur Michael Diekmann mehr, der Aufsichtsratsvorsitzende der Allianz. 2018 verdiente er 484.000 Euro allein für seinen Posten bei der Allianz. Über seine Aufsichtsratsmitgliedschaft bei BASF, Fresenius und Siemens kam er insgesamt auf 1.406.000 Euro pro Jahr.

Die Direktvergütung der Vorstandsvorsitzenden der Konzerne fällt noch einmal deutlich höher aus: Im Schnitt verdienen sie das 15-fache der Aufsichtsratsvorsitzenden, rund 6,4 Millionen Euro pro Jahr. Laut der Analyse der hkp-Group bekommt Bayer-Chef Werner Baumann das zehnfache seines Chefaufsehers Wennig.

Solch große Unterschiede sind aus Sicht der Studienautoren nicht zu rechtfertigen: „Keine nennenswerte Investition oder sonstige Entscheidung von größerem Ausmaß kann heute ohne Einbindung des Aufsichtsratsvorsitzenden getätigt werden“, sagt hkp-Group Senior Managerin Nina Grochowitzki. „Die Vergütung für das Amt sollte daher so ausgelegt sein, um sich auf Augenhöhe begegnen zu können. Davon sind wir aber weit entfernt.“

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