Delphi-Technikchefin Gustanski „Der Diesel stirbt schnell“

Delphi-Technikchefin Mary Gustanski hat eine klare Vision für zukünftige Antriebe: Für den Diesel wird es eng, Elektroautos brauchen noch Zeit. Verbrennungsmotoren müssen daher effizienter werden.

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Delphi-Technikchefin Mary Gustanski sieht Aus für Diesel

Las Vegas Mary Gustanski sitzt zwischen Kisten mit halbausgepackten Motoren auf weißen Sofas am Stand von Delphi Technologies. Die Chefin des Automobilzuliefers von Delphi kämpft gegen den Lärm der Schlagschrauber und Hämmer an der Messebauteams an. Es ist der Vorabend der Technologiemesse CES und das frische ausgegründete Unternehmen will demonstrieren, dass traditionelle Motorentechnik so wichtig ist wie noch nie. Gerade weil Elektro auf dem Vormarsch ist. 

Warum die Aufspaltung von Delphi in zwei Firmen?
Als sich Delphi von einem Zulieferer zu einem integrierten Lösungsanbieter entwickelte, zeigten sich schnell drei Bereiche: fortschrittliche Antriebstechnik, Automatisierung, aktive Sicherheit und Connected?????. Sie brauchen sich alle gegenseitig, aber die Investitionswünsche der Kunden wurden immer fragmentierter und spezieller. Aber das Bedürfnis nach fortschrittlicher Antriebstechnologie blieb. Der Schritt hin zum vollelektrischen Auto passiert nicht über Nacht. Es zeichnete sich ein Punkt am Horizont ab, an dem es bei Delphi Konflikte geben könnte, in welche Bereiche verstärkt investiert werden soll. Der beste Weg, um allen Bereichen ein unbeschränktes Wachstum zu ermöglichen, war die Aufspaltung. Die Bereiche Powertrain und Nachrüstmarkt auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Firma Aptiv mit den Schwerpunkten Konnektivität, Automatisierung und Sicherheit.

Warum sind Sie nicht zu Aptiv gegangen?
Ich habe 34 von 38 Jahren meiner Karriere im Antriebsbereich verbracht und ich glaube, es ist eine aufregende Zeit jetzt die Weiterentwicklungen hier zu sehen und den Herstellern zu zeigen, was möglich ist und was sich auch an die Kunden verkaufen lässt.

Hat das was mit Diesel zu tun?
Ja. Hersteller sagen uns, dass wir keine Diesel mit all der aufwändigen Säuberungstechnologie mehr verkaufen können. Die Kunden wollen es nicht mehr bezahlen, lautet das Argument. Also müssen sie mehr Benzinmotoren anbieten, die aber nicht so effektiv sind und somit steigt der Flottenverbrauch. Und dann kommen wir.

Wie geht es mit dem Dieselmotor weiter?
Der Diesel für Pkw-Motoren mit weniger als zwei Liter Hubraum stirbt. Das sehen wir ganz deutlich. Und er stirbt schnell. Die werden durch Benziner ersetzt. Bei kommerziellen Diesel, bei Lastwagen, sieht es noch ganz anders aus. Da denken die Kunden erst mal über Hybrid-Diesel nach. Hersteller kommen zu uns, um ihre Motoren dafür überarbeiten zu lassen.

Wie soll das gehen?
Wir bauen aus unserem Portfolio individuelle Lösungen zusammen. Antriebsstrang, Zündung, Sensoren, Software, Antriebselektronik – wir haben schon vor 25 Jahren Elektronik für das Elektroauto EV1 von GM entwickelt und sind drangeblieben. Irgendwann kommt es wieder, haben wir uns gesagt. 

Wie werden die kleinen Benziner effektiv genug?
Dazu gehören Direkteinspritzung, höherer Benzindruck, variable Ventilsteuerung und Hybridtechnik. Wir verändern im Prinzip die Menge der Luft, die zugeführt wird, je nachdem wie viel Kraft gerade gebraucht wird. Anstatt also den Motor zu verkleinern, reduzieren wir nur die Leistung. Wir zeigen hier auf der CES zusammen mit unserem Partner Tula aus dem Silicon Valley eine Lösung, bei der Algorithmen zusammen mit unserer Hardware bis zu 6000 mal pro Minute entscheiden, wie viele Zylinder mit welcher Leistung laufen müssen.

Das macht so einen Unterschied?
Bei einem Vierzylinder sparen wir rund sieben Prozent CO2. Bei einem Achtzylinder sind es über 15 Prozent.

Das ist beachtlich ... Was ist noch wichtig?
Wir arbeiten mit 48-Volt-Spannung, wenn wir Hybrid einsetzen. Die Umrüstung auf 48-Volt kostet den Hersteller aber viel Geld. Also muss die Spritersparnis optimal sein. Das ist die Aufgabe der Software. Wenn alles zusammenpasst, ist eine solcher Hybrid mit allen anderen Optimierungen absolut vergleichbar mit der Effektivität eines Turbo-Diesel-Motors. Hybrid-Motoren werden in Europa zunehmend helfen, die Verluste beim Umstieg von Diesel auf Benzin aufzufangen.

Das trifft auf Pkw zu. Was ist mit Lkw?
Gas-Betrieb beobachten wir aufmerksam, aber da gibt es Infrastruktur- und Speicherprobleme. Bei kleineren Fahrzeugen im Stadtverkehr sehen wir einen Wechsel zu Hybrid oder vollelektrisch. Schwerlastverkehr wird noch lange mit Diesel betrieben werden.

Hat Tesla mit seiner Zugmaschine nicht den Markt verändert?
Tesla hat einiges für uns getan. Sie haben uns gezeigt, wie man Software „over the air“ updatet, also ohne Werkstattbesuch. Der „Semi“-Truck belegt zudem, dass ein Elektro-Lkw kein Technologieproblem darstellt. Er ist halt noch etwas teuer. Trucker sind unsentimental. Die schauen sich den Wagen praktisch gar nicht an. Sie interessieren sich für reine Leistungsdaten, die an einer Excel-Tabelle abzulesen sind. Und ich war geschockt, dass Trucker in Amortisierungszeiten von sechs Monaten rechnen, nicht zwei Jahren. Solange das nicht passt, passiert bei Elektro-Lkw wenig. Aber Hybrid für den Stadtverkehr bei Schwerlastwagen, das ist ein Thema. 

Frau Gustanski, vielen Dank für das Interview.

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