Demografie Alternde Gesellschaft: Wer gewinnt, wer verliert

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Neues altersgerechtes Wohnen

Frau mit Rollator Quelle: obs

Noch sind die geburtenstarken Jahrgänge der heute 40- bis 50-Jährigen fit. Aber in 10, spätestens in 15 Jahren sinkt die Spannkraft. Aber wie sollen sie zugleich bei der immer höheren Schlagzahl im Job bis zum Renteneintritt mit 67 mental und körperlich leistungsfähig bleiben?

Der Stuttgarter Prüf- und Dienstleistungskonzern Dekra hat das Geschäftspotenzial erkannt, das in der Frage schlummert – und auch den möglichen Exportschlager. Deshalb positioniert sich die Tochterfirma Dekra Akademie seit Jahren als externer Anbieter für berufliche Weiterbildung, erst im In- und dann auch im Ausland. Rund 150 Millionen Euro setzte das Unternehmen 2011 um, davon 30 Millionen jenseits der Grenzen. Gerade erst kaufte die Dekra Akademie den dänischen Bildungsdienstleister TUC als Einstieg in den skandinavischen Markt.

„Das Geschäft verschiebt sich von der klassischen Weiterbildung zunehmend hin zur Qualifizierungsberatung älterer Mitarbeiter. Darin liegt ein enormes Potenzial im Kampf gegen den Facharbeitermangel“, sagt Dekra-Vorstand Jörg Mannsperger. Nicht nur um die Einnahmen zu steigern, bietet Dekra Akademie Unternehmen clever auch gleich an, staatliche Fördertöpfe für die neue, ältere Klientel aufzustöbern. Der schöne Nebeneffekt: Je mehr Expertise in der Heimat, desto besser der Ruf im Ausland. Mannsperger nutzt ihn schon: „Wir bauen die Erwachsenenbildung international aus. Das Geschäft in Osteuropa wächst seit Jahren, Projekte in Frankreich und den Niederlanden sind geplant.“

Diagramm: Handeln tut not Quelle: IfM

Universelle Unterkünfte

Eckhard Feddersen aus Berlin hat konkrete Vorstellungen, wie er im Alter wohnen möchte. Statt der Villa mit Garten in Dahlem soll es eine 100 Quadratmeter große Wohnung mit Fahrstuhl bis in die Tiefgarage sein – barrierefrei, mit großer Terrasse, geräumigem Bad, offener Küche und Gästezimmer für die Enkel. Rampen oder Haltegriffe sind stets ästhetisch integriert.

Feddersen ist kein Träumer, er baut solche Wohnanlagen. Seine Firma Feddersenarchitekten gehört zu den wenigen in Deutschland, die aus der Not des demografischen Wandels schon eine unternehmerische Tugend machen. Für die Konzeption seniorenadäquater Wohnformen sind die Berliner Architekten international gefragt. Die 35 Mitarbeiter planen für Aufträge aus Russland, Polen, Österreich und der Schweiz. Feddersens Standardwerk „Entwurfsatlas Wohnen im Alter“ erschien gerade in chinesischer Übersetzung.

Was bis vor Kurzem noch altersgerechtes Bauen hieß, kommt heute als „Universal Design“ daher. Ein kluger Zug, denn der neue Leitbegriff steht für Wohnungen, die sowohl kind- als auch behindertengerecht gebaut sind. Und es älteren Mietern oder Eigentümern ermöglicht, „bis zum Tod dort wohnen zu können“, sagt Feddersen. Der Bedarf allein in Deutschland ist riesig: Erst 500 000 Wohnungen werden dem neuen Anspruch gerecht. „1,2 Millionen müssten es jetzt schon sein“, sagt Feddersen. 2020 seien es schon zwei Millionen.

Kunden müssen deswegen nicht viel tiefer als sonst in die Tasche greifen. Experten kalkulieren die Baukosten mit einem Aufschlag von maximal fünf Prozent. Lediglich Extras wie eine Toilette mit elektrisch verstellbarer Sitzhöhe kosten dann gern zehn Mal mehr als Standardware.

Vorreiter auf dem aussichtsreichen Zukunfts- und Exportmarkt in Deutschland war Feddersens Berliner Kollege Axel Gutzeit. Dessen Architektenbüro Goodtime Development berät gerade polnische Investoren beim Bau eines Pflegeheims nahe Warschau und einen Verein in Deutschland lebender Türken, die ein Heim für ihre in Anatolien lebenden Eltern planen. Gutzeit entwickelte auch die ersten Wohnanlagen für Demenzkranke. Deren Zahl soll bis 2030 auf drei Millionen anwachsen.

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