Deutsche Solarbranche Es werde wieder Licht

Nach Jahren im Schrumpfmodus wächst der deutsche Solarmarkt wieder. Trotz der Pleite von Solarworld propagiert die schwer gebeutelte Branche: Die besten Zeiten kommen erst. Warum ein Comeback tatsächlich denkbar ist.

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Nach der Pleite des Bonner Unternehmens Solarworld blickt die Branche trotzdem optimistisch in die Zukunft. Quelle: Reuters

München Es war völlig absurd. Während Solarenergie in den vergangenen Jahren weltweit boomte, implodierte zeitgleich der deutsche Markt. Ausgerechnet im Geburtsland der Energiewende brach der Zubau an Solaranlagen drastisch ein. Wurden in der Blütezeit der heimischen Photovoltaikindustrie um das Jahr 2010 noch Solaranlagen mit einer Kapazität von bis zu acht Gigawatt pro Jahr neu ans Stromnetz angeschlossen, waren es 2015 nach Berechnungen des Bundesverbands Solarwirtschaft nicht einmal mehr 1,5 Gigawatt.

Nach drei Jahren im rasanten Schrumpfmodus und dem Verlust von mehr als 100.000 Arbeitsplätzen hat die Branche die Talsohle im vergangenen Jahr aber endlich durchschritten. Der Markt ist zwar auf ein Fünftel seiner einstigen Größe abgeschmolzen, wächst aber auf diesem niedrigen Niveau zumindest wieder um rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Trendwende ist damit eingeleitet. Jetzt hofft die Branche auf einen Solarboom 2.0 in Deutschland. Im Reich der Sonnenfinsternis bahnt sich ein Comeback an.

Denn laut den jüngsten Daten der Bundesnetzagentur wurde in den ersten drei Monaten 2017 um rund 65 Prozent mehr Solarstromkapazität neu installiert als ein Jahr zuvor. Auf der Intersolar, der größten Solarmesse der Welt, die seit dem gestrigen Mittwoch in München läuft und bis Freitag mehr als 40.000 Besucher anlocken dürfte, strotzt die deutsche Photovoltaikindustrie deshalb wieder vor Zuversicht. Und das obwohl das Aushängeschild der Branche, der Bonner Modulhersteller Solarworld in Folge seiner Insolvenzanträge von Mitte Mai, erstmals nicht auf der Messe mit einem eigenen Stand vertreten ist.

Die Insolvenz von Solarworld sei zwar bitter, markiere aber nicht das Ende der Solarenergie in Deutschland, erklärte Carsten Körnig. Im Gegenteil. Die Nachfrage hierzulande „zeigt wieder nach oben“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Der Geschäftsklimaindex, den sein Verband erhebt, befindet sich auf einem Siebenjahreshoch. So optimistisch wie jetzt, waren die heimischen Solarunternehmen zuletzt Anfang 2010.

„Der Zeitpunkt, sich eine Solaranlage anzuschaffen, ist jetzt wieder ideal“, erklärt Körnig. Der Grund: Das Geschäftsmodell in der Photovoltaikbranche hat sich komplett gedreht. Als die Fördermillionen in Deutschland noch sprudelten, schraubten sich Hunderttausende Eigenheimbesitzer eine Solaranlage aufs Dach. Denn jede Kilowattstunde Sonnenstrom, die sie dann ins Netz einspeisten, wurde mit anfänglich mehr als 50 Cent vergoldet. Staatlich garantiert, über 20 Jahre hinweg. Ein Bombengeschäft.

Mittlerweile hat die Bundesregierung die Vergütung für Solarstrom allerdings massiv gekappt. Die einstige Zauberformel: Solaranlage plus Förderung ist gleich satter Gewinn funktioniert nicht mehr. Dafür ergibt eine andere Rechnung immer mehr Sinn. Weil die Preise für Batteriespeicher alleine in den vergangenen vier Jahren um rund 40 Prozent gefallen sind, lohnt es sich zunehmend, die Sonnenergie vom Hausdach statt ins Netz einzuspeisen, zu speichern und selbst zu verbrauchen. Denn die Alternative dazu hieße, Strom vom örtlichen Versorger zu beziehen – und der ist in der Regel teurer.

„Mit den erneut gesunkenen Preisen wird die Solarstromspeicherung auch wirtschaftlich immer attraktiver“, sagt Solarverbands-Chef Körnig. Schon heute wird jede zweite Solarstromanlage im Eigenheimbereich zusammen mit einem Speicher installiert. Die Akkus sind die große Hoffnung der Solarbranche auf einen nachhaltigen Aufschwung. In Deutschland sind mittlerweile rund 60.000 Batteriespeicher in Kombination mit einer Solaranlage in Betrieb. Alleine im vergangenen Jahr sind laut dem Bundesverband Solarwirtschaft 20.000 neue Speicher hinzugekommen. Und die Nachfrage soll weiter anziehen. Innerhalb der nächsten beiden Jahre wird ein Wachstum auf 100.000 Akkus prognostiziert.


„Neuer Aufschwung in der Branche“

„Die Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung in der Branche sind durchaus realistisch“, sagte Henning Wicht dem Handelsblatt. Der Solar- und Batteriemarktforscher von IHS glaubt, der deutsche Solarmarkt habe sich mittlerweile komplett bereinigt und sei bereit für einen Solarboom 2.0. „Nach einer harten Konsolidierung sind jetzt nur noch jene Anbieter übrig, die auch bei dem aktuellen Preisniveau wettbewerbsfähig agieren können“, sagt Wicht. Einer dieser Anbieter ist SMA Solar.

Das Unternehmen mit Sitz in Niestetal bei Kassel ist der letzte verbliebene Solarkonzern im TecDax und mit einem Jahresumsatz von mehr als 940 Millionen Euro der Primus der heimischen Industrie. SMA stellt Wechselrichter her, die Sonnenstrom vom Hausdach in netztauglichen Strom für die Steckdose umwandeln. „Es geht aber gar nicht mehr alleine um unsere Hardware, sondern um unsere Software“, sagte Pierre-Pascal Urbon dem Handelsblatt.

Der SMA-Chef will das Unternehmen zu einem Energiedienstleister wandeln. Der nächste Schritt in diese Richtung: Urbon präsentierte auf der Intersolar-Messe eine Anwendung, die es Kunden ermöglicht, den Solarstrom vom Dach clever mit den Sektoren Heizung, Klima, Lüftung, Speicher und Elektromobilität zu verknüpfen. „Wir kreieren hier ein völlig neues Ökosystem“, erklärt Urbon. Statt mit dem Verkauf von Hardware will er künftig verstärkt mit intelligenten Dienstleistungen Geld verdienen.

Weil Strom in Deutschland tendenziell immer teurer wird, suchen Unternehmen nach Lösungen, die dabei helfen, ihre Energiekosten zu drücken. Urbon nennt hier Hotels, Supermärkte oder Möbelhäuser als potenzielle Kunden. Denn diese Unternehmen hätten hohe Stromkosten und vielfach ungenutzte Dachflächen, die ideal für Photovoltaik geeignet wären. SMA will künftig die Energieflüsse für diese Kunden so intelligent managen, dass die Energiekosten der Firmen sinken statt steigen. Im Kern soll dabei günstiger Sonnenstrom in alle anderen Bereiche weitergeleitet werden und so Kühltruhen, Heizsystem oder die gesamte Gebäudebeleuchtung mit billiger Energie versorgen. 

SMA ist dabei der Pionier einer Entwicklung, der allmählich die gesamte deutsche Solarindustrie folgt. Statt zu versuchen, die asiatische Konkurrenz bei der Produktion von austauschbarer Massenware niederzuringen, fokussiert man sich lieber auf smarte Anwendungen zur Steuerung von volatilen Energieflüssen. Eine Strategie, die aufgehen könnte.

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