


„Mein Feld ist die Welt“, das Motto der Großreederei Hapag-Lloyd ist auch Leitspruch des Hamburger Hafens. Das zeigen schon die Straßennamen: Der Kamerunweg liegt neben der India- und Australiastraße, der Chicagokai unweit der Koreastraße. Und an den Elbbrücken wird der Hafenbesucher von einem Übersee-Zentrum begrüßt.
Die Straßennamen sagen nicht alles. So finden sich keine russischen Namen an den Kaianlagen des „Tors zur Welt“. Doch „die russischen Kunden schätzen die Qualitätsstandards in Hamburg“, sagt Natalia Kapkajewa, Repräsentantin des Hafens in St. Petersburg. Nicht nur deshalb ist Russland zweitgrößter Handelspartner des Hamburger Hafens, sorgt für doppelt so viel Fracht wie die USA.

Die Krise macht dem Hamburger Hafenbetrieb HHLA zu schaffen
Nur nicht auffallen, lautet deswegen die Devise der deutschen Wirtschaft im drohenden Wirtschaftskrieg zwischen den USA, der EU und Russland. Bisher hatten die von der EU verhängten Sanktionen kaum Auswirkungen auf den Warenverkehr mit Putins Reich. Doch vor allem die USA drängen auf deutlich schärfere Reaktionen. Werden also die Schrauben jetzt noch einmal angezogen? Die Sorge in den Chefetagen der Unternehmen, die es betreffen könnte, ist groß. „Das Problem liegt nicht mal mehr vor unserer Tür, sondern bereits mitten im Treppenhaus“, sagt der Manager eines Hamburger Öl- und Gashändlers.
Schon jetzt macht die Krise dem Hamburger Hafenbetrieb HHLA mächtig zu schaffen. Die HHLA hat einen eigenen Terminal im Schwarzmeerhafen Odessa und büßt dort einen Großteil des Geschäfts ein. Wie hoch der Schwund ist, will bei der HHLA keiner sagen, „wir veröffentlichen keine Zahlen pro Terminal“, sagt ein HHLA-Manager. Aber auch wegen der Ukraine-Krise sank der Gewinn des ersten Quartals bereits um knapp 14 Prozent auf gut 19 Millionen Euro. Die Zahlen für das zweite Quartal, die im August veröffentlicht werden, zeigen wohl die Fortsetzung des Trends, erwartet ein Hafeninsider. Genauere Zahlen zum Russland-Geschäft werden nicht herausgegeben. „Wir fassen das Russland-Geschäft im Ostsee-Verkehr zusammen“, heißt es beschwichtigend.

Langlaufender Rahmenvertrag über sechs Milliarden Euro
Das System „Kopf in den Sand“ wird auch 600 Kilometer weiter südlich, mitten im Schwabenland, angewandt. Vorvergangene Woche kam beim drittgrößten deutschen Energiekonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) die Nachricht an, der wichtigste Handelspartner der Schwaben, die Novatek, stehe auf der Sanktionsliste der USA. Das russische Außenhandelsunternehmen fördert selbst und vermarktet Erdgas von Gazprom im westlichen Ausland. Mit EnBW hat es einen langlaufenden Rahmenvertrag über sechs Milliarden Euro abgeschlossen. Der Zehn-Jahres-Liefervertrag sichert EnBW ein Drittel seines Gasbedarfs. Nun sind die Novatek-Konten in den USA eingefroren, die Manager des Unternehmens haben dort Einreiseverbot. Novatek erklärte vorige Woche, die vom US-Finanzministerium veröffentlichten Sanktionen hätten „keine unmittelbaren Auswirkungen auf bestehende Geschäftsbeziehungen“. Und trotzig heißt es in Stuttgart: „Die US-Regierung kann uns nicht verbieten, unsere Vertragsverpflichtungen mit Novatek zu erfüllen.“ Erleichtert heißt es bei der EnBW, der Versorger betreibe „keine Geschäfte in den USA“, könne also für Geschäftsbeziehungen mit Novatek auch nicht bestraft werden.
Die Sorglosigkeit könnte sich als Trugschluss erweisen. Denn „Novatek wird nun wichtige westliche Banken als Vorfinanzierer von Großprojekten, wie zum Beispiel dem Pipelinebau, verlieren“, sagt ein Frankfurter Banker. Die Moskauer Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ meldete bereits, dass westliche Banken in ihren Kreditverträgen mit russischen Unternehmen Passagen aufgenommen hätten, dass Kredite im Fall der Verhängung von Sanktionen fällig gestellt werden.
Eine US-Bank hat die Finanzierung der Gasförderung auf der sibirischen Jamal-Halbinsel zurückgezogen. Hauptbetreiber: Novatek. Der Energiekonzern könnte deswegen seine Preise gegenüber westlichen Handelspartnern empfindlich anheben.