Deutsche Wohnungskonzerne Die Annington-Gagfah-Fusion ist erst der Anfang

Nach der Großfusion der Konzerne Deutsche Annington und Gagfah erwartet die Wohnungsbranche weitere Übernahmen. Denn hinter vielen Unternehmen stecken dieselben Großaktionäre.

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Häuserfassade in Berlin Quelle: dpa

Willkommen bei den Sch’tis“ möchte man Deutsche-Annington-Chef Rolf Buch beim Blick auf das Ranking der größten Immobilienunternehmen des Kontinents zurufen. Darin wird der künftige Wohnungsriese aus Deutsche Annington und Gagfah, deren Fusion Buch vergangene Woche ankündigte, auf Rang zwei rangieren. Vor ihm: ein französischer Konzern. Hinter ihm: drei französische Konzerne, die mit Shoppingcentern und Büros Geschäfte machen (siehe Grafik).

Der Megadeal an der Ruhr – Annington sitzt in Bochum, Gagfah in Essen – bringt 350 000 Wohnungen unter ein Konzerndach und verändert die Immobilienbranche. Für Ulrich Höller, Vorstandschef des börsennotierten Immobilienunternehmens DIC Asset in Frankfurt, ist die Fusion „ein weiterer Meilenstein im Konsolidierungsprozess des deutschen Immobilien-Aktienmarktes“. Weitere Übernahmen wie diese würden in den nächsten Jahren folgen und der Branche zu „einem schärferen Profil“ verhelfen.

Die größten kontinentaleuropäischen Immobilienkonzerne.

Konzerne zusammenzuführen, ist in der Wohnungsbranche auch vergleichsweise einfach. Denn oft stecken hinter den Konkurrenten identische Hauptaktionäre mit ähnlichen Interessen.

Vermietungskonzerne gibt es nur in Deutschland. Sie gelten als eigene Anlageklasse, die Renditen von drei bis fünf Prozent verspricht. „Der Markt ist hoch reguliert“, sagt Buch, aber das sorge für Stabilität: „Die Investoren mögen stabile Verhältnisse. Wir sind der langweilige, aber zuverlässige Teil in einem Investmentportfolio.“

Trotz der Großkonzerne wird der Mietwohnungsmarkt noch von lokalen Anbietern dominiert. Viel Luft also für Zusammenschlüsse. Im Frühjahr hat die Deutsche Annington bereits den Wettbewerbern Vitus und Dewag 41 500 Wohnungen abgekauft. Zwei bis drei Jahre werde die Aktie nun von der Hebung der Synergieeffekte aus dem Gagfah-Deal leben, meint Wohnungsmarktexperte André Adami vom Berliner Marktanalyse-Unternehmen Bulwiengesa, „dann wird eine neue Perspektive gesucht.“ Als potenzielle Übernahmeziele nennt Adami etwa Mittelständler wie Adler Real Estate in Hamburg oder Westgrund in Berlin. Als potenzieller Übernahmekandidat gilt TAG aus Hamburg mit 74 000 Wohneinheiten.

Karussell gestartet

Durch die Übernahmen in diesem Jahr sei ein „Karussell in Gang gesetzt worden“, sagt Stefan Kofner, Direktor des Trawos-Instituts für Wohnungswirtschaft an der Hochschule Zittau/Görlitz. Sein Geheimtipp für die nächste Runde ist die Düsseldorfer LEG, „denn ihr einseitig auf NRW fokussiertes Portfolio lässt sich nicht gut als Wachstumsstory verkaufen“.

Die höhere Attraktivität für Investoren war auch ein Grund für die Deutsche Annington, Gagfah zu kaufen: Bei seiner Tournee zu Londoner Investoren und Analysten in den vergangenen Tagen wurde Vorstandschef Buch klar, „dass wir uns durch die neue Größe des Unternehmens eine ganz neue Investorengruppe erschließen: Es gibt große Publikumsfonds, die nur in Unternehmen mit so hoher Marktkapitalisierung investieren.“

Das bestätigt Wissenschaftler Kofner: „Durch die Übernahme entsteht eine Art deutschlandweit investierter Wohnungsfonds, mit dem sich das Thema Deutsche Wohnimmobilien aus Anlegersicht gut abdecken lässt.“

In diesen Regionen zahlen Immobilienbesitzer ihr Häuschen am schnellsten ab
27 Jahre, so lange dauert es, bis ein Durchschnittsverdiener in Deutschland sein Eigenheim abbezahlt hat. Der Tilgungssatz liegt dabei im Schnitt bei 2,89 Prozent. Für die Postbank-Studie, aus der die Bild zitiert, wurden die Kaufpreise in allen 402 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland ins Verhältnis zum jeweiligen Einkommensniveau gesetzt. Voraussetzung ist, dass für die Tilgung wie maximal 40 Prozent des Haushalt-Nettoeinkommensaufgewendet werden, 20 Prozent Eigenkapitalanteil vorhanden waren. Sonderzahlungen wurden nicht berücksichtigt. Quelle: dpa
In weniger als der Hälfte (43 Prozent) der Kreise und kreisfreien Städte zahlen Eigenheimbesitzer die Immobilie wie empfohlen in 30 Jahren ab. In besonders teuren Immobilienstädten wie München oder Köln zahlen Durchschnittsverdiener mit einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.700 und 2.600 Euro dagegen auch einmal mehr als 40 lang, bis 110 Quadratmeter Wohneigentum ihnen gehören. Im westlich von Köln gelegenen Rhein-Erft-Kreis haben sie das notwendige Darlehen für eine 110-Quadratmeter-Wohnung dagegen nach 29 Jahren beglichen. Quelle: dpa
Auch im Nordosten der Republik ist eine 110 Quadratmeter-Immobilie für Durchschnittsverdiener trotz moderater Immobilienpreise kaum erschwinglich: Wegen des geringen Einkommens in der Region zahlen Immobilienbesitzer in Berlin, Potsdam, Rostock & Co. deutlich länger als 40 Jahre ihren Kredit ab. Wer in Berlin arbeitet, findet allerdings im brandenburgischen Kreis Barnim nördlich der Hauptstadt Wohnungen mit 110 Quadratmetern, die in der Regel nach 25 Jahren abbezahlt sind. Quelle: dpa
Wer keine Angst hat, zu pendeln, findet jedoch im Umland der großen Metropolen finanzierbare Immobilien. Selbst in teuren Gegenden rund um Frankfurt am Main gibt es Schnäppchen. Allerdings sind hier die Einkommen im Bundesvergleich auch so hoch, dass sich auch Durchschnittsverdiener eine 110-Quadratmeter-Wohnung leisten können. Quelle: dpa
Auch in den unmittelbar an Hamburg angrenzenden Kreisen Stormarn und Segeberg sowie dem Herzogtum Lauenburg dauert die Tilgung eines Kredits im Schnitt 34 Jahre. Quelle: dpa
In Pirmasens (im Bild), dem Landkreis Altenkirchen (Westerwald) und dem Landkreis Wesermarsch dauert die Tilgung eines Kredites für eine 110-Quadratmeter-Immobilie für den Durchschnittsverdiener rund zwölf Jahre. Quelle: dpa
Im Saale-Orla-Kreis, dem Landkreis Nienburg (Weser), Landkreis Holzminden, dem Unstrut-Hainich-Kreis und dem Vogtlandkreis dauert das Abbezahlen der eigenen vier Wände dagegen elf Jahre. Quelle: dpa

Für weitere Deals spricht, dass die Großaktionäre bei Deutsche Annington, Gagfah, Deutsche Wohnen, LEG und TAG auffallend identisch sind. Der kanadische Lebensversicherer Sun Life Financial zählt mit Anteilen von drei bis elf Prozent bei allen fünf Unternehmen zu den großen Eignern, der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock (USA) bei vieren, Norwegens Zentralbank Norges Bank und die US-Investmentgesellschaft The Capital Group jeweils bei zwei Wohnungsunternehmen.

Sie mischen sich nicht wie Hedgefonds in die Unternehmensstrategie ein und sind kaum in den Aufsichtsräten vertreten. Dennoch verhindern die auf verschiedenen Seiten präsenten Teileigentümer scharfe Preiskämpfe bei Immobilienkäufen, beobachtet eine Managerin.

"Investoren haben Wohnungsbestände auf Verschleiß gefahren"

Die ruhigen Großaktionäre tragen auch dazu bei, dass Übernahmen reibungslos verlaufen. Als Anfang des Jahres die Deutsche Wohnen die GSW übernahm, standen Sun Life Financial, Blackrock und Norges Bank auf beiden Seiten. Da sie quasi die GSW-Aktien an sich selbst verkauften, war das Tauschverhältnis für sie kein Problem.

Die Solidität dieser längerfristig engagierten Großaktionäre ist das Gegenmodell zu den Finanzinvestoren, die die Großen der Wohnungsbranche ein paar Jahre beherrscht und ihren Ruf ruiniert haben. Sie pflegten die Bilanzen und ließen die Häuser verkommen. Inzwischen sind sie aus der Branche ausgestiegen: Blackstone vor gut einem Jahr bei Deutsche Wohnen, Mitte 2014 dann Terra Firma bei der Deutschen Annington und Fortress bei Gagfah.

„Die Finanzinvestoren haben die Wohnungsbestände auf Verschleiß gefahren“, sagt Bulwiengesa-Experte Adami: „Nun haben die Nachfolger einiges an Sanierungsleistung vor der Brust.“ Energetische Sanierung und der Umbau zu altersgerechten Wohnungen erhöhten die Chance, auch in Regionen wie Nordrhein-Westfalen – dem Annington-Schwerpunktmarkt – höhere Mieten zu erzielen.

Dass es bei Zusammenschlüssen in der Branche Einsparpotenziale gibt, zeigt sich jetzt in Berlin. Derzeit, erfuhr der „Tagesspiegel“, baut die übernommene GSW fast die Hälfte der zuletzt 320 Arbeitsplätze ab, vor allem zentrale Aufgaben wie IT, Personal und Rechnungswesen, die die Konzernmutter Deutsche Wohnen mit 50 GSW-Mitarbeitern übernimmt.

4000 eigene Handwerker

Ähnlich werden wohl bei Deutsche Annington und Gagfah Doppelstrukturen beseitigt. Aber unter dem Strich will Annington-Chef Buch Arbeitsplätze schaffen. Denn früher ausgelagerte Dienstleistungen lässt der einstige Bertelsmann-Zögling und Arvato-Chef wieder von eigenem Personal ausführen.

Wo die Immobilienpreise am stärksten steigen

So arbeiten für die Annington 2000 eigene Handwerker, die Buch tief in sein Manager-Herz geschlossen hat. Sie sparen internen Aufwand, weil Auftragsvergaben an Handwerksbetriebe Zeit und Personal kostet. Eigene Renovierungstrupps arbeiten laut Buch flexibler, ein Maler verfugt auch mal frisch gelegte Fliesen. Buch attestiert „bessere Leistung zum deutlich geringeren Preis“. In drei Jahren dürfte der neue Konzern bis zu 4000 Handwerker beschäftigen.

Umgekehrt sind die Grünanlagen der Gagfah – gepflegt von 170 eigenen Gärtnern – laut Buch „besser in Schuss“ als die Annington-Rabatten: „Das ist wichtig für die Zufriedenheit der Mieter.“ Also werden auch die Anlagen um Annington-Häuser künftig in Eigenregie von rund 300 noch einzustellenden Gärtnern gemäht.

Auf 84 Millionen Euro Fusions-Sparpotenzial im Jahr kommt Buch. Beitragen soll dazu auch, dass er künftig zwei Annington-Abteilungen, von denen eine Wohnungspakete kauft und die andere Immobilien verkauft, unter eine Verantwortung stellt – wie heute schon bei der Gagfah: „Das funktioniert. Die technische Abwicklung der Vorgänge läuft ja fast gleich ab.“

Dienstleistungs-Profi Buch und Immobilienfachmann Thomas Zinnöcker – bisher Gagfah-Chef und bald Buchs Vize – werden viel tun müssen, bis man ihnen den Imagewandel abnimmt. Wissenschaftler Kofler konstatiert: „Bei der Deutschen Annington war zuletzt ein nachhaltiger Bewirtschaftungsansatz deutlich erkennbar.“ Die jetzige Übernahme aber könne eine Dividendenfantasie wecken, die erneut „auf Kosten des Substanzerhaltes geht“.

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