Diamanten-Dynastie Die Ära Oppenheimer ist Geschichte

Die Familie Oppenheimer hat fast ein ganzes Jahrhundert lang den weltweiten Diamantenhandel dominiert. Mit dem Verkauf vom Förderer De Beers an den Rohstoffkonzern Anglo American endet eine bewegte Geschichte.

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Der De Beers Millennium Star auf einer Show in London. Quelle: Reuters

Kapstadt Selten ist eine Ära so jäh zu Ende gegangen wie die der Oppenheimers zu Monatsbeginn in Südafrika. Fast 100 Jahre lang hatte die reichste Familie der Kaprepublik den weltgrößten Diamantenförderer De Beers dominiert. Zu seinen besten Zeiten beherrschte das Unternehmen mit seinem Verkaufskartell fast 90 Prozent des weltweiten Handels mit Rohdiamanten - und auch deren Preisgestaltung. Mit dem Verkauf ihres 40-Prozent-Anteils an den Rohstoffkonzern Anglo American ist der starke Einfluss, den die Familie jahrzehntelang auf das Wirtschaftsleben am Kap hatte, mit einem Schlag erloschen. Ein Comeback gilt als unwahrscheinlich.

Der große Sieger des 5,1 Milliarden Dollar teuren Deals ist das Unternehmen Anglo American, das früher in enger Verbindung zur Familie Oppenheimer stand. Das Bergbauhaus war 1917 von Ernest Oppenheimer auf den Goldfeldern von Johannesburg gegründet worden, heute hält die Familie des Firmengründers nur noch knapp zwei Prozent. Sollte die Übernahme alle regulatorischen Hürden nehmen, würde Anglo American seinen bisherigen Anteil an De Beers von 45 auf bis zu 85 Prozent aufstocken.

Anglo American muss für den Kauf kein zusätzliches Kapital aufnehmen. Neben 2,2 Milliarden Dollar in bar verfügt das Unternehmen über eine bislang ungenutzte Möglichkeit zur Aufnahme von Anleihen. Zudem wird der Diamantenmarkt gegenwärtig von den meisten Beobachtern ausgesprochen positiv bewertet. „De Beers ist ein einzigartiges Unternehmen mit einer dominanten Marktposition in einer lukrativen Branche“, schreibt etwa die Bank of America Merrill Lynch in einer Studie.

Anglo American sieht sich also vor goldenen Zeiten und verweist darauf, dass die Nachfrage an Diamanten die Förderung immer mehr übersteigt. Steuerten Indien und China 2005 nur knapp acht Prozent zur Gesamtnachfrage bei, werden diese beiden Länder bis 2015 zusammen mit den Golfstaaten für rund 40 Prozent der Nachfrage sorgen - so groß ist der Anteil des heute größten Diamantenabnehmers, der USA.

Vermutlich steht Anglos massive Aufstockung an De Beers in einem direkten Zusammenhang mit der Entscheidung des chilenischen Kupferunternehmens Codelco, einen Anteil von 49 Prozent an Anglo American Sur zu erwerben - jenem Unternehmen, in dem Anglo seine Kupferbeteiligungen in Chile gebündelt hat. Die Gesamteinnahmen aus dem erzwungenen Verkauf seiner Kupferminen dürften sich für Anglo American auf rund fünf Milliarden Dollar belaufen. „In gewisser Weise kommt es damit zu einem Austausch von Kupfer gegen Diamanten“, kommentiert Nick Hatch von der Royal Bank of Scotland.


Für De Beers endet eine bewegte Geschichte

Allerdings ist Anglo American immer noch stark auf seine frühere Heimat Südafrika ausgerichtet, aus der das Unternehmen 1999 nach London umgezogen war. Dies wird angesichts der seit längerem am Kap geführten Verstaatlichungsdebatte von Beobachtern als negativ empfunden. Dabei kommen heute fast 70 Prozent aller Diamanten für De Beers aus dem politisch stabileren Botswana, und Südafrika liefert nur noch wenig mehr als 20 Prozent. Erst kürzlich unterzeichneten Botswana und De Beers eine neue, zehnjährige Fördervereinbarung.

Für De Beers endet jetzt eine bewegte Geschichte. 1888 war das Unternehmen von dem Kolonialimperialisten Cecil Rhodes gegründet worden. Vor zehn Jahren nahmen die Oppenheimers es von der Börse. Seitdem stagniert der Konzern trotz des jüngsten Rohstoffbooms. Ein Grund dafür liegt darin, dass der damalige Aufkauf das Unternehmen mit einem gewaltigen Schuldenberg belastete. Auch hat die Marktstellung von De Beers mit der Aufgabe der Kartellstrukturen vor zehn Jahren stark gelitten: Kontrollierte De Beers 2001 noch rund 65 Prozent des Rohdiamantenmarkts, liegt der Anteil heute bei nur noch 30 Prozent. Zudem deutet vieles darauf hin, dass der staatliche russische Diamantenriese Alrosa die Förderung der Südafrikaner schon bald übertreffen und ihren Anteil weiter vermindern könnte.

Der schwindende Marktanteil sowie die starke Abhängigkeit der Oppenheimers vom volatilen Diamantengeschäft dürfte die Entscheidung der Familie zum Verkauf an Anglo beeinflusst haben. So waren die Oppenheimers im Zuge der Finanzkrise 2008/2009, als der Diamantenmarkt einbrach, durch eine längere finanzielle Durststrecke gegangen.

Die Möglichkeit einer neuen Krise im Fall eines globalen „Double Dips“ dürfte bei der Entscheidung daher eine wichtige Rolle gespielt haben. 2009 hatte De Beers seine Produktion um fast 90 Prozent reduzieren müssen, um einen Preiskollaps bei Diamanten zu verhindern.

Daneben hatte das Unternehmen damals die Dividende gestrichen und rund 1,5 Milliarden Dollar an frischem Kapital aufgenommen. Die Oppenheimers hatten wegen ihres 40 Prozent-Anteils an De Beers rund 600 Millionen Dollar zuschießen müssen. Für die Familie ist dies offenbar eine heilsame Lehre gewesen. Und für Anglo American ist es eine große Chance.

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