Die Concorde wird 50 Meine Reise mit einer Legende

Seite 3/3

An Bord der Concorde perlt der Champagner länger

Zwar haben die vier Triebwerke nebst Nachbrenner rund zwei Drittel mehr Schub als ein Jumbo. Doch in den 30 Sekunden, in denen die Concorde von 0 auf 360 Stundenkilometer beschleunigt, wird kein Passagier mächtiger als sonst in den Sitz gedrückt. Bevor sich Enttäuschung breit macht, erinnern sich die Passagiere an den Rat des Stewards: „Schauen Sie aus dem Fenster!“ Im Gegensatz zu anderen Flugzeugen steigt die Concorde bald nach dem Abheben nicht gerade, sondern in einer Ellipse nach oben.

Grund ist nicht die Physik, sondern Rücksicht auf die Anwohner. Die Concorde ist laut, sehr laut. Nicht nur weil die Triebwerke eigentlich für Bomber konstruiert waren. Moderne Düsenmotoren erzeugen um den Antriebstrom herum einen zweiten sogenannten Mantelstrom, der auch den Lärm dämpft. Und diese Technik war bei der Geburt der Concorde noch nicht serienreif.

Den Passagieren ist das egal. Wer das Glück hat, am Fenster zu sitzen, genießt den ungewohnten Ausblick auf Paris.

Flugzeuge, die Geschichte schrieben
Junkers F 13Die von Hugo Junkers konstruierte "F13" war das erste Ganzmetallflugzeug der zivilen Luftfahrt. Den Erstflug absolvierte der einmotorige Tiefdecker am 25. Juni 1919. Von den insgesamt 322 produzierten F13 wurden 110 in Deutschland zugelassen. Das 9,60 m lange Flugzeug konnte vier Passagiere transportieren und erreichte dabei eine Höchstgeschwindigkeit von 170km/h.
Junkers Ju-52Das Traditionsflugzeug der Lufthansa, die "alte Tante Ju" (hier über der Hamburger Alster 1986) startete vor 75 Jahren zu ihrem Jungfernflug. Das Besondere an den zuerst einmotorigen, später dreimotorigen Flugzeugen ist ihre legendäre Zuverlässigkeit und Robustheit, die sie auch im Dienst für die Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg erwies. So ist die 70 Jahre alte "D-AQUI" auch heute noch bei Rundflügen und Flugshows im Einsatz. Das Universalgenie Hugo Junkers, das allein rund um die Fliegerei 178 Patente erwarb, wurde zur Symbolfigur deutscher Wertarbeit. Quelle: dpa
Foto Douglas DC 3, "Rosinenbomber" Quelle: REUTERS
Foto des Flugzeuges "Lookheed Super Constellation" Quelle: AP
de Havilland DH 106 Comet Das erste Passagier-Strahlflugzeug der Welt entwickelte die britische Firma de Havilland. Der Erstflug fand am 27. Juli 1949 statt. Die Comet war mit 800 km/h doppelt so schnell wie die Konkurrenz mit Kolbenmotor. Aber auf Grund einer Unfallserie war sie kein Erfolg. Nur eine Handvoll Fluggesellschaften kauften Comet-Flugzeuge. Bald war de Havilland auch technologisch von Boeing und Douglas abgehängt.
Foto eines Flugzeuges vom Typ Boeing 707 Quelle: Eduard Marmet
Foto einer Air France Concorde Quelle: REUTERS

Leider sind die Fenster kaum handgroß. Und auch das war den Konstrukteuren eigentlich noch zu viel. Bei der hohen Geschwindigkeit wird der Luftzug so stark, dass er die Außenhaut der Concorde auf bis zu 127 Grad aufheizt - und dabei um 18 Zentimeter ausdehnt. „Da sich der Kunststoff, aus dem die Fenster sind, weniger stark ausdehnt als die Aluminiumhülle“, erklärt Air-France-Chefsteward Blanchard, „muss die Außenhaut dicker sein als bei anderen Flugzeugen, um dicht zu bleiben.“
Angenehmer Nebeneffekt für die Passagiere: Der Luftdruck im Inneren bleibt deutlich höher als bei Flügen mit anderen Maschinen. „Damit wird der Flug weniger anstrengend als bei gewöhnlichen Jets“, sagt Blanchard. Und der Champagner perlt länger!

Angenehmer Nebeneffekt für die Fluglinie: Wegen der Hitze bildet sich praktisch keine Feuchtigkeit und damit auch keine Korrosion. Eine Untersuchung des Herstellers British Aerospace ergab, dass die Concorde deshalb noch bis zum Jahr 2015 fliegen kann.

Über dem Meer fährt der Kapitän die Nase der Concorde hoch und beginnt den Ansturm auf die Schallmauer. Die Stewardessen beginnen derweil, das Essen zu servieren.
Erster Gang sind heute vier Kanapees mit Lachs, Krabben, Käse sowie Schinken. „Kein Kaviar?“ wundert sich einer der Passagiere. So müssen die Reisenden heute mit Hummer vorliebnehmen.

Dabei ist gerade die Concorde bekannt für den Kult um die edlen Fischeier. Ein Prozent der iranischen Produktion landet jährlich im Magen der Überschallpassagiere. Und es könnten noch mehr sein. Müssten die Fluggesellschaften wegen des US-Embargos gegen den Iran bei Flügen nach Europa nicht auf russischen Rogen ausweichen.

Dann folgt die Hauptmahlzeit: butterzartes Kalbsfilet mit Pistazien oder Steak, Markklössen und Piperade. Serviert auf Limoges-Porzellan und mit Silberbesteck von Christofle.
Das Ehepaar aus Marseille in Reihe 16 findet alles einfach „magnifique“.

Nicht nur das Essen, den Wein, die Geschwindigkeit. Sie haben, wie alle Überschallnovizen, eine Urkunde über die Mitgliedschaft im „Club Supersonique“ und eine Mappe mit Concorde-Briefpapier erhalten. „Was gibt es Schöneres zur Silberhochzeit, als eine Reise mit der Concorde“, jubeln sie.

Rentabel war die Concorde eigentlich noch nie. Die Wartung kostet fast dreimal mehr als beim Jumbojet. Außerdem verbraucht sie pro Flugstunde fast dreieinhalbmal soviel Sprit wie ein Airbus A 340. Trotzdem will niemand den Betrieb aufgeben. Der schnelle Vogel bringt einen enormen Imagegewinn.

Eine Stunde nach dem Essen beginnt die Landung. Kaum ist die Tür offen, wird wieder der Spurt über den Fast Track durch Einwanderungsbehörde und Zoll zum Taxi losgehen. „Das ist immer ein kleiner Tod und der ist schmerzhafter als bei anderen Flügen“, sagt der Werbefachmann aus Reihe 5.

Aber deshalb nicht Concorde fliegen?

Niemals.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der WirtschaftsWoche 05/1996, S. 68.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%