Die Deutschen und das Brot Das Leid der Bäckereien in fünf Grafiken

Bäckereien leiden besonders unter den hohen Energiepreisen Quelle: imago images

Die hohen Energiekosten bringen Bäckereien in Existenznot. Doch nicht nur das: Die Deutschen kaufen weniger Brot und das auch lieber beim Discounter. Fünf Grafiken zeigen, warum immer mehr Handwerksbäcker verschwinden.

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„Alarmstufe Brot“ steht auf den Schildern, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bäckerei in die Höhe halten. „Unsere Politiker führen das Bäckerhandwerk in die größte Krise aller Zeiten“, steht darunter. Tausende sind in Hannover zusammengekommen, um auf die Not der Bäcker hinzuweisen, sagt Axel Oppenborn. Er ist Chef der Calenberger Backstuben und einer der Organisatoren der Demonstration, die diese Woche in der niedersächsischen Landeshauptstadt stattfand. Mit Lieferwagen und sogar Silowagen zogen die Bäcker und Bäckerinnen später durch die Stadt. Schon in der vorherigen Woche machten sie aus Protest gegen die steigenden Energiekosten in vielen Filialen das Licht aus.

Seit Monaten schon weisen die Handwerksbäckereien in Deutschland auf ihre Probleme hin: Erst verteuerten sich die Preise für Weizen und Getreide, dann vervielfachten sich die Kosten für Gas für ihre Öfen, nun ziehen auch die Strompreise davon. Die Kosten fressen die Gewinne der Bäckereien auf. Können die Bäckereien ihre Rechnungen nicht mehr zahlen, droht ihnen schlimmstenfalls die Insolvenz. Zwar will die Regierung nun gegensteuern, verspricht umfassende Hilfen. Aber aktuelle Daten zeigen: Die Probleme des Bäckerhandwerks gehen weit über die Energiekosten hinaus.

Die Zahl der Handwerksbäckereien in Deutschland sinken seit Jahren, zeigen Daten des Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Waren vor zehn Jahren noch über 14.000 Bäckereien in der Handwerksrolle eingetragen, waren es schon im vergangenen Jahr nur noch 9.965.



Im Durchschnitt machen die zwar heute zwar wesentlich mehr Umsatz - fast 1,5 Millionen Euro setzen die Handwerksbäckereien im Schnitt um. Doch trotzdem arbeiten in der Branche wesentlich weniger Menschen als früher. Allein in den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Beschäftigen um rund 30.000 Menschen auf 240.800 gesunken, schätzt der Verband.

Das könnte auch einen besonderen Grund haben: Die Gehälter für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren bis vor kurzem noch der größte Kostenblock für die Handwerksbäckereien, zeigen Zahlen für das Jahr 2020. Die Kosten für Rohstoffe wie Mehl, Butter oder auch das Material wie Öfen und Förderbänder machten damals etwa 27,9 Prozent aus. Die Energiekosten, also auch etwa das Gas für die Öfen und Storm für die Kühltheken, lagen hingegen nur bei 3,3 Prozent.



Das dürfte sich mittlerweile deutlich verschoben haben. Bäckereien berichten von Preissteigerungen bei Mehl um 70 Prozent, die Gasrechnungen sollen sich versiebenfacht haben. Auch er habe früher Energiekosten von etwa drei Prozent seines Umsatzes gehabt, berichtet Axel Oppenborn, Chef der Calenberger Backstube mit ihren 23 Filialen. Dieses Jahr dürften die Energiekosten bereits 15 Prozent seines Umsatzes ausmachen, schätzt er. Aktuelle Daten für die gesamte Branche liegen noch nicht vor.

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Viele Bäckereien wissen nicht, wie sie diese steigenden Kosten schultern können. Zwar haben sich auch die Preise für Brot und Backwaren in den vergangenen Monaten erhöht - allein im Juli zogen die Preise gegenüber dem Vormonat um fünf Prozent an, schätzt etwa die Marktforschung GfK. Doch in der Regel können die Bäcker nur einen Teil ihrer Kosten weitergeben und das auch nur zeitverzögert.

So zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes: Die Preise für Getreide wie etwa Brotweizen sind schon im Frühjahr, mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, stark angezogen. Mittlerweile fallen die Getreidepreise bereits, auch weil heute wieder Getreidetransporte aus der Ukraine möglich sind. Das Land ist einer der größten Getreide-Exporteure der Welt. Aber die Verbraucherpreise für Backwaren und Brot sind wesentlich langsamer gestiegen.



Und wenn die Bäckereien zu stark ihre Preise anheben, könnten sie dadurch noch mehr Kunden und Kundinnen verlieren. Denn die Gewohnheiten der Deutschen haben sich verändert, schon vor der Inflation. Immer seltener setzen sich die Familien noch zum Abendbrot zusammen. Allein zwischen Januar und Mai diesen Jahres kauften die Deutschen bereits 8,2 Prozent weniger Backwaren und Brot als noch im Vorjahreszeitraum. Vor der Pandemie, im Jahr 2019, haben die Deutschen im selben Zeitraum noch rund ein Kilogramm Brot mehr pro Haushalt gekauft, berichtete die Lebensmittel-Zeitung.

Außerdem kaufen die Deutschen ihre Brötchen nicht mehr so häufig beim Bäcker. Tatsächlich machen die Bäckereien nur noch rund 32 Prozent des Umsatzes mit Brot und Backwaren aus, zeigen Daten der GfK. Zwischen Januar und Mai ging damit der Verkauf der Bäckereien sogar um zehn Prozent zurück. Auch die Bäckerfilialen im Supermarkt verloren 15 Prozent. Das könnte darauf hindeuten, dass die deutschen Konsumenten und Konsumentinnen in der Inflation auch an ihren Brötchen sparen.



Nur die Discounter konnten mehr Backwaren verkaufen als im Vorjahreszeitraum. Aldi, Lidl und Co stehen mittlerweile für fast ein Viertel des Umsatzes mit Brot und Backwaren in Deutschland. Davon profitieren auch die Großbäcker, wie Lieken oder Mestemacher, die ihre Produkte vor allem in den Supermarktregalen anbieten. Der größte Brotbäcker Deutschlands ist mittlerweile Harry. Laut eigenen Angaben hat das Unternehmen einen Marktanteil von 37,8 Prozent an den im Lebensmittelhandel verkauften Brot und Aufbackwaren. Der Umsatz der Unternehmensgruppe hat sich in den vergangenen 15 Jahren beinahe verdoppelt. Mittlerweile verkauft Harry Brot und Aufbackbrötchen für mehr als eine Milliarde Euro im Jahr.



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