In der Branche ist es kein Geheimnis: Der Dreamliner 787 und der Jumbo-Jet 747-8 sind für Boeing ein Problem. Der Erstere war zu teuer in der Entwicklung, der Letztere verkauft sich nicht.
Daher schlägt die Nachricht des Finanzdienstes Bloomberg wie eine Bombe ein: Seit einem Jahr soll ein interner Informant der US-Börsenaufsicht SEC Geheimnisse über die Bilanztricks bei Boeing verraten haben. Bislang gibt es keine offizielle Anklage, selbst eine Untersuchung wollten weder Behörde noch Boeing bestätigen. Die Aktie gab dennoch um fast sieben Prozent nach – das entspricht einem Wertverlust von rund fünf Milliarden Dollar.
Aufträge von Airbus und Boeing im Vergleich
Airbus: 1.139
Boeing: 878
Anzahl der bei Airbus und Boeing bestellten Flugzeuge bis 2015 (Bruttobestellungen)
Quelle: Statista
Airbus: 1.796
Boeing: 1.550
Airbus: 914
Boeing: 1.339
Airbus: 644
Boeing: 625
Airbus: 900
Boeing: 600
Airbus: 824
Boeing: 1.007
Dem Bericht zufolge hat Boeing beim „Program Accounting“ gepfuscht. Das ist eine besondere Buchhaltungsreglung für Flugzeughersteller: Die Investitionen liegen für einen neuen Jet am Anfang sehr hoch, Boeing und Co. können sie daher über die gesamte Laufzeit des „Programms“ verteilen. Und das kann dauern: Ein Jet-Modell ist oft mehrere Jahrzehnte im Einsatz.
Laut Bloomberg hat Boeing dabei die Zahlen für 787 und 747-8 bewusst optimistisch gefärbt, de facto also Verluste versteckt. JPMorgan Chase-Analyst Seth Seifman hält eine SEC-Untersuchung in einem Bericht für, „möglicherweise signifikant und [sie] erhält jetzt unsere ganze Aufmerksamkeit“.
Problemflugzeuge Dreamliner und Riesenjumbo
Schon vorher warfen die beiden Jets Fragen auf. Die 787 ist ein gänzlich neues Flugzeug, das fast ausschließlich aus Kohlefaserverbundstoff gebaut ist. Durch die leichte Bauweise und sparsame Motoren verbraucht der Jet deutlich weniger Kerosin als andere Modelle. Allerdings verzögerte sich die Markteinführung durch technische Probleme deutlich, das Programm kostete Boeing inzwischen satte 28,5 Milliarden Dollar. „Wir haben noch viel Arbeit bei der 787 vor uns“, sagte Vorstandschef Dennis Muilenburg vor wenigen Tagen auf einer Telefonkonferenz mit Analysten.
Um das Programm zu rechtfertigen, muss Boeing laut eigener Prognose 1300 der Dreamliner verkaufen. Einige Analysten sind skeptisch, ob dies gelingt. Credit Suisse geht beispielsweise von einem Gesamtverlust von 7,5 Milliarden Dollar aus. Sollte Boeing die Zahlen geschönt haben, wäre das ein Hinweis, dass der Dreamliner ein Flop war.
Noch größere Zweifel begleiten die 747-8. Bislang schrieb Boeing 2,6 Milliarden für die frühere „Königin der Lüfte“ ab. 35 Stück will das Unternehmen in Zukunft verkaufen, was wie eine Illusion erscheint. In den vergangenen Jahren verkaufte es so gute wie keine Jets.
Dafür verantwortlich ist eine geänderte Flugpolitik der Airlines. Statt auf Riesenjumbos setzen sie auf kleinere Jets, die sparsamer sind und mit ihrer höheren Reichweite die Märkte der jeweiligen Fluglinie punktgenau bedienen können. Die 747-8 braucht zudem eine längere Landebahn und rechnet sich nur auf Flügen zwischen großen Drehkreuzen.
Boeing hofft, mit der Frachtversion der 747-8 zu punkten. Auch soll die Air Force One des US-Präsidenten bald ersetzt werden. Das wäre der Schlusspunkt des Programms, schreibt Citigroup-Analyst Jason Gursky in einem Report: Die Order-Bücher für die 747-8 sind nach seinen Informationen „sehr schwach“.