Plötzlich ist die ganze Welt voll von Produkten aus 3D-Druckern. Lampenschirme und Hybridautos, Handyhüllen und künstliche Gewebe kommen aus dem Drucker. Ja, sogar Häuser aus Mondgestein sollen in einer fernen Zukunft mit Hilfe der Hightech-Maschinen die Besiedlung des Weltraums möglich machen. Manches, was in den letzten Wochen über das Potenzial von 3-D-Druck-Verfahren geschrieben wurde, erinnert mehr an Science Fiction, als an seriöse Forschung. Natürlich ist der Gedanke, auf Knopfdruck jedes beliebige Objekt produzieren zu können, faszinierend. Was für eine Welt wäre das wohl, in der man wie der Captain der Enterprise Jean-Luc Picard vor dem "Replikator" stünde und sich eine Tasse "Earl-Grey, heiß" bestellen könnte?
Geht es nach dem US-Starökonom Jeremy Rifkin, läutet der 3-D-Druck die dritte industrielle Revolution ein. Wenn sich Firmen einfach eine große Maschine hinstellen können, die ihnen alle wichtigen Teile ausspuckt, so der Grundgedanke, wozu brauchen sie dann noch Zulieferer, die diese Teile bisher in vielen einzelnen Arbeitsschritten aufwendig, gefräst, gestanzt, gebohrt haben? "Diese Drucker verändern die globale Wertschöpfungskette", schrieb ZEIT-Journalist Götz Hamann kürzlich. Bald werde man ein Bauteil vielleicht nicht mehr in einem Billiglohnland wie Vietnam oder Mexiko ordern, weil es noch günstiger sein könnte, es einfach vor Ort in den heimischen Werkshalle zu drucken. Wirtschaftskreisläufe könnten so wieder ein Stück regionaler werden und und und.
3D-Drucker machen in der Tat schon heute Dinge möglich, von denen Ingenieure und Maschinenbauer bisher nur zu träumen wagten. Aber drehen wir das Rad ein Stück zurück. Was ist ein 3-D-Drucker? Wie genau arbeitet er? Welche Stoffe kann er verarbeiten und wo liegen die Grenzen der Verfahren? Und sind die neuen Drucker tatsächlich in der Lage, traditionelle Verfahren des Maschinenbaus zu verdrängen oder sogar vollständig zu ersetzen?
So arbeitet ein 3D-Drucker
Im Grunde funktioniert ein 3D-Drucker wie ein gewöhnlicher Tintenstrahldrucker nur, dass statt Tinte Kunststoff fließt. Das Plastik härtet aus - je mehr Lagen aufgetragen werden, desto höher wird das Objekt. Das ist aber nur eine Art der additiven oder generativen Druckverfahren, wie sie Experten nennen. Auch Metallpulver kann mit einem Laser geschmolzen und zigtausendfach übereinander geschichtet werden. Oder aber der Laser verflüssigt gezielt kleinste Punkte im Pulverberg und backt so ein Stück heraus. Das ist das Sinter-Verfahren.
Auswahl von 3D-Druck-Verfahren
Ähnlich der "Heißklebepistole" wird Material aufgetragen, das anschließend aushärtet.
Ähnlich wie beim Tintendrucker wird Material tröpfchenweise aufgebracht und ausgehärtet - zum Beispiel wird Kunststoff durch UV-Strahlung polymerisiert.
Ein Bindematerial wird auf eine Materialschicht (zum Beispiel Sand) aufgebracht - später wird das ungebundene Material abgenommen und die gewünschte Kontur bleibt stehen.
Eine Pulverschicht wird durch Wärme (Laser) verschweißt. Nach dem schichtweisen Aufbau kann das lose Material abgenommen werden und es bleibt die gewünschte Kontur stehen.
Direktes Materialschmelzen - ähnlich dem Pulverbett-Schmelzen, allerdings wird das Material bereits gezielt am gewünschten Ort aufgetragen und verschmolzen.
Kunststoff - und Metallpulver sind bisher die gängigsten Ausgangsmaterialien für 3D-Drucker - Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Titan, Sand, Keramik, Gips und sogar Holzverbindungen sind möglich, zusammen sind es schon weit über 100 Stoffe. Was Ingenieure und Drucktechniker wie Rainer Gebhardt, im VDMA zuständig für den Bereich Druck- und Papiertechnik, an den Hightech-Drucker fasziniert, ist es Dinge zu produzieren, die bisher konstruktiv nicht möglich waren.
Mit dem neuen Laserschmelzverfahren ist das, was der Fachmann Hinterschneidungen nennt, nämlich kein Problem mehr. Gemeint sind Teile, die verhindern, dass sich ein Bauteil aus der Gussform entnehmen lässt - ein gängiges Problem im Maschinenbau. "Ich bin begeistert davon, was man mit 3D-Druckverfahren alles machen kann", schwärmt Gebhardt, "aber es gibt natürlich auch Hürden wie den Zeitfaktor und die Qualität."
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Zu langsam, zu teuer, zu ungenau
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Der deutsche Maschinenbau auf einen Blick
"Nicht gut, aber auch nicht schlecht“, fasst VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers, die aktuelle Situation zusammen. Zum Jahresbeginn schwächelt das Inlandsgeschäft. Im Januar lag der Auftragseingang im Maschinen- und Anlagenbau real um zwei Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres. Das Inlandsgeschäft sank um sieben Prozent, die Auslandsorders stiegen leicht um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt deutet vieles auf Besserung hin. Man verzeichne seit Monaten eine bessere Stimmung im In- und Ausland. Das soll sich zeitversetzt im Auftragseingang widerspiegeln.
In der Euro-Schuldenkrise hatten Unternehmer aus Unsicherheit Investitionen in Maschinen und Anlagen auf Eis gelegt. Das hat auch die Maschinenbauer getroffen, die ihre Produktionsprognose von zwei Prozent Wachstum im Jahr 2012 verfehlten und nur ein mageres Plus von 0,9 Prozent erreichten. VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers: "Schön ist, dass wir der einzige Industriezweig sind, der im Jahr 2012 Plusraten bei der Produktion verzeichnen kann."
Die Schlüsselindustrie hat 2012 rund 30.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Damit waren in der Branche zum Jahresende nach früheren Angaben 978,000 Menschen beschäftigt - so viele wie in keinem anderen Industriezweig.
Dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau ist es 2012 gelungen, seinen bisherigen Exportrekord von 2008 zu brechen. Einem nominalen Zuwachs von fünf Prozent steht ein Exportvolumen von 145 Milliarden Euro gegenüber. Das Chinageschäft ist um zehn Prozent oder 1,8 Milliarden Euro geschrumpft. VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers: „Interessanterweise ist das genau der Betrag, den wir bei den Exporten in die USA gewinnen konnten.“
Bisher arbeiten die neuen Drucker nämlich "sehr gemütlich" wie Gebhardt es freundlich ausdrückt. An das Tempo einer modernen herkömmlichen Produktion mit Gussformen, Stanz- und Fräsmaschinen kommen die Drucker noch lange nicht heran. Für ein simples Stück vergehen Stunden, für komplexe sogar Tage. Der deutsche Maschinenbau gilt als der beste der Welt. Die Prozesse sind ausgereift. Die Bauteile müssen schließlich extremen Belastungen standhalten - wie Frost und große Hitze, Druck oder hohe Geschwindigkeit. Auftraggeber wie Siemens, VW oder Porsche machen Vorgaben für Dichte, Flexibilität, Sprödigkeit oder Temperaturbeständigkeit der bestellen Materialien.
Von der serienreifen Anwendung sieht Torsten Bell, Referent für Technik und Forschung beim Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, die 3D-Drucker noch Lichtjahre entfernt. "Wenn sie keine großen funktionalen Ansprüche an ein Teil stellen, dann ist ein 3D-Drucker eine interessante Spielerei", so sein Urteil, "aber bei Bauteilen, die auf den 1000tel-Millimeter genau gefertigt sein müssen, sind sie ungeeignet. Dafür sind die Oberflächen, die ein 3D-Drucker produziert, viel zu grob." Gerade beim Abkühlen der Kunststoffe entstehen Ungenauigkeiten am Material, die Maschinenbauer nicht tolerieren können.
Qualität und geringe Produktivität sind das eine Problem, die Kosten das andere. Für Drucker, die Metall oder Keramik formen können, werden schnell hohe fünf- wenn nicht sogar sechsstellige Beträge fällig. In den meisten Fällen lohnt sich die Anschaffung für die Maschinenbauer noch nicht.
Also doch keine industrielle Revolution? Sind 3D-Drucker nur nette Spielzeuge für zuhause - die Knetmasse des 21. Jahrhunderts? Vielleicht nur der Beginn einer neuer Ära von Plagiatismus?
Selbst für Spielzeug noch zu schlecht
Spielwarenhersteller Lego zumindest hat keine Angst, dass durch hausgemachte Lego-Steine die Umsätze schrumpfen lassen könnten. "Dafür ist unser Kunststoff viel zu speziell", erklärt Sprecherin Katharina Sutch. Die Plastikklötzchen sind nicht nur kratz- und beißfest, Kindern müssen sie beim Spielen auch mal ablecken können, ohne dass sich auf der Zunge Pusteln bilden. Und natürlich soll ein Stein perfekt auf den anderen passen. "Die Abweichungen bei den Steinen dürfen nur minimal sein, sonst klappt das mit der Klemmkraft nicht", weiß Sutch. Dennoch findet der Klötzchen-Konzern das Thema 3D-Druck spannend.
Fans der Marke haben mit Hilfe des programmierbaren Lego Mindstroms NXT System einen eigenen 3D-Drucker gebaut und das Ergebnis auf Youtube präsentiert (siehe Video oben). Für eine mondtaugliche Behausung reicht das Ergebnis zwar noch nicht, doch das Beispiel zeigt, dass das Thema 3D-Druck die Massen ergriffen hat.
Jeder kann zum Produzenten werden
Der ehemalige Chefredakteur der US-Zeitschrift "Wired" Chris Anderson glaubt an eine neuer 'Macher-Bewegung', die er in seinem Buch "Makers" beschreib. "Die Auswirkungen der 3D-Druck-Revolution werden größer sein als die Erfindung des Internets", prophezeit er. Der Kreativität und der Produktivität sollen keine Grenzen mehr gesetzt sein.
Kleine Drucker für den Hausgebrauch sind schon für unter 1000 Euro zu haben. Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Globald Industry Analyst GIA geht in einer Studie aus 2012 davon aus, dass bis zum Jahr 2018 die 3D-Druck-Branche auf weltweit drei Milliarden US-Dollar wachsen soll. Forscher sehen eine neue Fertigungsdemokratie heranwachsen, in der Hobby-Ingenieure und Designer ihren Ideen schnell und einfach im eigentlichen Sinne des Wortes Ausdruck verleihen können.
Rapid Prototyping
Das schnelle Modell aus dem Drucker ist bisher der häufigste Anwendungsbereich für 3D-Drucker. Beim so genannten Rapid Prototyping geht es darum, möglichst schnell eine erste dreidimensionale Version von einem neuen Bauteil zu bekommen. Die Mitarbeiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Automobilzulieferer Schaeffler nutzen deshalb seit Jahren den 3D-Druck und setzen ihn im Packaging ein. Der Fachbegriff meint die bestmögliche Anordnung der Komponenten im Motorraum des Fahrzeugs. Was, wo am besten Platz findet, probieren Forscher mit den innerhalb weniger Stunden ausgedruckten Bauteilen aus. Früher mussten sie erst Gussformen entwickeln, dann die neuen Teile gießen - nur um festzustellen, dass das Teil doch nicht passt. Ein immenser Aufwand. Die Modelle aus dem Drucker machen den Prozess kürzer, die Komponenten kommen schneller auf den Markt.
Serienfertigung hält Schaeffler-Sprecher Marcus Brans für kaum denkbar. "Bei dem Null-Fehler-Niveau, das viele unserer Teile halten müssen und den extremen Anforderungen, ist das für mich kaum vorstellbar." Beim Zulieferer ZF Friedrichshafen sieht man das ähnlich. Dort werden 3D-Drucker lediglich vereinzelt in der Entwicklung spezieller elektronischer Module genutzt. "Eine Nutzungs-Ausweitung ist derzeit nicht geplant", lässt Sprecher Martin Demel wissen.
Erst eine Handvoll deutscher Maschinenbauer kommen mit ihren Produkten über den Prototypen-Status hinaus. Zwei davon sind der schwäbische Maschinenbauer Festo aus Esslingen und die Experten für Sondermaschinenbau und Automationstechnik LMD mit Sitz im sauerländischen Lennestadt und Bochum.
Klaus Müller-Lohmeier leitet den neuen Geschäftsbereich Fast Factory bei Festo, der die innovative Produktionstechnik industriell nutzbar machen soll. Traditionell stellt Festo Bauteile in großen Stückzahlen her. “Mit der additiven Fertigung dagegen arbeiten wir nun auch bei Serien von einigen Hundert Stück profitabel”, sagt Müller-Lohmeier. Je kleiner die Stückzahl und je komplizierter das gewünschte Bauteil geformt sei, desto eher rechne sich der 3-D-Druck.
Wo sich 3D-Druck lohnt
Aber selbst bei Mengen von 12 000 Stück sei die 3-D-Produktion mitunter schon wirtschaftlicher gewesen als die herkömmliche Fertigung von Spritzgussteilen. Schließlich senke der Verzicht auf die 20 000 bis 30 000 Euro teuren Formen bei Kleinserienteilen die Kosten pro Bauteil um rund die Hälfte, rechnet Müller-Lohmeier vor.
Ein wichtiger Faktor ist der Preis des Ausgangsmaterials. Bei den herkömmlichen Verfahren fällt viel Verschnitt an - zum Teil bleiben nach allen Fräs- und Schleifvorgängen nur 10 Prozent des Ausgangsmaterials stehen. Bei den Druckverfahren wird nur das geschmolzen und verklebt, was zum Objekt werden soll. Das Sparpotenzial ist beträchtlich. Teile können durch die neue Bauweise aber auch deutlich leichter werden, weil Querstreben, die man aus gusstechnischen Gründen brauchte nun wegfallen. Der britische Triebwerkshersteller Rolls Royce forscht im Rahmen des sieben Millionen Euro schweren EU-Projekts Merlin an einer Anwendung, die es ihm erlaubt seine Turbinen im 3D-Drucker herzustellen. Sie sollen dann leichter und energieeffizienter sein.
Machen, was Kunden nicht für möglich halten
3D-Druck wird sich in naher Zukunft immer dann lohnen, wenn entweder die Kosten eine untergeordnete Rolle spielen, die Anwendung so komplex ist, dass neu-konstruierte Teile einen echten Mehrwert bieten, es um die Fertigung von individuellen Einzelstücke geht wie etwa in der Medizintechnik oder der Verschnitt massiv reduziert werden kann. Michael Hümmeler will genau diese Anwendungsgebiete ausloten. Der Maschinenbaumeister setzt seit rund 10 Jahren voll auf 3D-Druck, speziell auf die Sinter-Technik. Während die meisten Unternehmen mit ihren 3D-Druckern Prototypen herstellen, ist Hümmeler nach eigener Aussage schon kurz vor der Serienreife.
Mit "getunten Maschinen" wie er sagt, habe es LMD geschafft, die Qualität der Teile aus dem 3D-Drucker so zu verbessern, dass sie mit den Bauteilen alter Machart mithalten können. Hümmeler will aber viel mehr: "Wir wollen Teile herstellen, die unsere Kunden gar nicht für möglich gehalten haben." Drei ineinander liegende Kugeln jeweils von innen beschriftet, sind theoretisch möglich. Diese Kugeln, wird ein Maschinenbauer wohl nie brauchen. "Es geht darum zu zeigen, was plötzlich möglich ist."
Gerade arbeitet sein Betrieb an einem Greifer. Seine Bauteile sind im Gegensatz zu bisherigen so schön rund und glatt, dass die Verletzungsgefahr auf ein Minimum sinkt. "Dasselbe Teil in dieser Form wäre mit den alten Verfahren zwar möglich, aber unbezahlbar". Fälle wie dieser sind es, die Hümmeler antreiben. Er sehe sich als Marktpionier, "einer der Neuland betreten will".
An eine dritte industrielle Revolution durch 3D-Druck glaubt aber auch er nicht recht. "In manchen Bereichen könnte 3D-Druck andere Verfahren verdrängen, in einigen wird er sich aber schlichtweg nie lohnen. Jedes Verfahren hat seine Stärken und Schwächen." Überhaupt gehe es ja nicht um die Maschine oder das Verfahren an sich. "Die Revolution hängt ja von denen ab, die verstehen, was damit möglich ist."