E-Autobauer Tesla: Was hat Texas, was das Silicon Valley nicht hat?

Das Tesla-Werk in Fremont, Kalifornien, bleibt in Betrieb. Seinen Firmensitz verlegt der E-Autobauer aber nach Austin. Quelle: AP

Oft angedroht, nun wahrgemacht: Auf der Hauptversammlung von Tesla hat Gründer Elon Musk offiziell den Umzug des Elektroautobauers in die texanische Landeshauptstadt Austin bekannt gegeben.

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Es begann mit Elon Musks Ärger, dass sein Stammwerk in Kalifornien im Frühjahr 2020 wegen der Corona-Pandemie die Produktion für mehrere Wochen einstellen musste. „Gebt den Leuten die Freiheit zurück“, wetterte der Tesla-Gründer über die Ausgangsbeschränkungen im Silicon Valley, sprach später gar von Faschismus und lobte Texas, das schnell wieder geöffnet hatte.

Damals drohte Musk erstmals an, mit Tesla aus Kalifornien wegzuziehen. Persönlich hat er das bereits Ende vergangenen Jahres getan. Musk wohnt nun in Texas, wo er am Golf von Mexiko für sein Raumfahrtunternehmen SpaceX sein eigenes Sternenstädtchen namens Starbase aufbaut. Nun zieht der Elektroautobauer hinterher, wie er am Donnerstag bei der jährlichen Hauptversammlung verkündete. Die fand im neuen Werk nahe Austin statt, nur 20 Autominuten von der texanischen Landeshauptstadt entfernt, und wo gerade die Produktion von Teslas Kompakt-SUV Model Y anläuft.

Für Teslas Mitarbeiter wird sich wenig ändern. Das Stammwerk im Silicon Valley bleibt bestehen und wird weiter ausgebaut. Das Büro in Palo Alto, das derzeit als Hauptquartier fungiert, wird es weiter geben. „Wir verlassen Kalifornien nicht“, stellt Musk klar. Doch die neue Zentrale ist künftig in Austin.

Die Blaupause für dieses Manöver stammt von Oracle-Gründer Larry Ellison, ein enger Freund von Musk. Der Multimilliardär, der Aufsichtsrat und einer der größten Aktionäre von Tesla ist, hat den Hauptsitz seines Softwarekonzerns vor ein paar Monaten nach Austin verlegt. Hewlett Packard Enterprise, die abgespaltene Server und Netzwerksparte von Hewlett Packard, ist ebenfalls vom Silicon Valley nach Texas umgezogen, in die Ölmetropole Houston.

Wie Oracle und Hewlett Packard Enterprises begründet auch Musk den Umzug mit den Nachteilen des High-tech-Tals, das zu den teuersten Regionen der Welt zählt. „Es gibt ein Limit, wie stark man in der Bay Area skalieren kann“, sagte Musk auf der Hauptversammlung. „Es ist hart für Mitarbeiter, die sich ein Haus kaufen wollen.“

Aber es geht auch um zwei weitere Gründe: Steuern und Bürokratie. Texas erhebt keine zusätzliche Landes-Einkommenssteuer für seine Einwohner wie Kalifornien, auch die Steuern für Unternehmen sind niedriger. Obwohl die Grundsteuer in Texas höher ist, werden Baugenehmigungen innerhalb von Wochen erteilt, auch weil die Auflagen für den Umweltschutz und die Vorgaben für die Gebäude liberaler sind.

Zwar sind die Hauspreise in Austin, das schon seit etlichen Jahren als texanisches Silicon Valley gilt, in die Höhe geschnellt, langjährige Einwohner klagen über die „Invasion aus Kalifornien“. Doch die Lebenshaltungskosten sind weit niedriger als im Silicon Valley. Als Tesla 2010 sein Stammwerk von Toyota abkaufte, wunderte man sich in der Autobranche über diesen Schritt. Eigentlich hatte Musk seine erste Produktionsstätte nahe Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, ansiedeln wollen.

Das Werk im Silicon Valley, ursprünglich 1962 von General Motors begründet und in den achtziger Jahren in ein Joint Venture mit Toyota umgewandelt, schien viel zu groß für Tesla. Der Bankrott von General Motors nach der Finanzkrise von 2008, hatte ihm den Todesstoß gegeben. Toyota wollte es auch nicht weiterbetreiben, da andere amerikanische Werke weit günstiger produzierten. Und nun wollte ausgerechnet ein Branchenneuling das Autowerk am Rande des exorbitant teuren Silicon Valleys übernehmen, was auf jeden Fall höhere Löhne voraussetzte. Doch Musk, der damals jeden Dollar zusammenhalten musste, handelte nicht nur einen Schnäppchenpreis für die Immobilie heraus. Toyota investierte gleichzeitig 50 Millionen Dollar in den Elektroautohersteller.

Dass ausgerechnet Texas nun die neue Heimat von Tesla wird, birgt eine gewisse Ironie. Denn der Ölstaat hat dem Elektroautohersteller jahrelang Steine in den Weg gelegt, seine Fahrzeuge konnten dort nicht direkt gekauft werden. Kalifornien hingegen förderte mit großzügigen Subventionen erneuerbare Energien und Elektroautos. Käufer erhielten Rabatte und konnten mit einer Plakette die Sonderfahrspuren im Berufsverkehr nutzen.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, der kürzlich seine in einem Referendum geforderte Abwahl überstanden hat, soll persönlich bei Musk interveniert haben. Zumindest hat Musk die Wahl noch abgewartet.

Dass eine Jury in San Francisco vor ein paar Tagen Tesla dazu verdonnerte, an einen ehemaligen Leiharbeiter in der Autoproduktion 137 Millionen Dollar Schadenersatz zu zahlen, wird Musks Laune indes nicht gehoben haben. Owen Diaz, sein Sohn und ein weiterer Mitarbeiter, alle drei Schwarze, hatten geklagt, Tesla habe nichts gegen rassistische Beleidigungen aus der Belegschaft unternommen. Zwar räumt Teslas Personalchefin Valerie Capers Workman ein, dass damals „nicht perfekt“ reagiert worden sei. Doch Tesla sei eingeschritten und habe Verantwortliche gefeuert. Diaz sei damit zufrieden gewesen. Zudem habe er in dieser Zeit seinem Sohn und seiner Tochter empfohlen, bei Tesla zu arbeiten. Tesla wird gegen das Urteil wahrscheinlich Berufung einlegen.

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Greg Abbott, der Gouverneur von Texas, der wegen seines umstrittenen Abtreibungsgesetzes und einer Wahlrechtsverschärfung national und international in der Kritik steht, hilft der Umzug von Tesla immens. Denn in der Techbranche wurde wegen seiner Politik bereits ein Boykott von Texas erwogen. Nun kann Abbott damit prahlen, Kalifornien den wertvollsten Autohersteller der Welt abgeluchst zu haben. Was er sogleich tat: „Der Lone Star State ist das Land der Chancen und Innovation“, frohlockte Abbott nach der Bekanntgabe von Tesla auf Twitter.

Mehr zum Thema: Lange hieß es bei etablierten Autoherstellern, dass mit Elektroautos kaum Geld zu verdienen sei. Eine neue Studie der Unternehmensberatung McKinsey zeigt nun, dass die Hersteller ihre E-Autos jetzt schon kostendeckend verkaufen.

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