Einigung bei Stahlstreit Thyssen-Krupp kommt Belegschaft weit entgegen

Acht Jahre lang sollen Standorte und Jobs gesichert sein – das verspricht Thyssen-Krupp und macht damit einen großen Schritt auf den Weg zur Fusion mit Tata. Doch lohnt sich der Zusammenschluss?

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Bis Herbst 2026 dürfen keine Werke komplett geschlossen werden. Quelle: dpa

Düsseldorf Die Forderungen waren hoch, die verbalen Angriffe heftig, die Verhandlungen hart – am Ende sprang doch ein Kompromiss heraus, der für beide Seiten tragfähig ist: Am Donnerstagabend einigten sich Management und Belegschaftsvertreter nach heftigem Ringen über die Bedingungen, die eine Fusion der Stahlsparten von Thyssen-Krupp und Tata mit Zustimmung der Belegschaft möglich machen soll. 

Entscheidend aus Sicht der Arbeitnehmervertreter dürfte gewesen sein, dass sich der Vorstand des Konzerns zu einer weitreichenden Standort- und Jobsicherung bewegen ließ: Bis Herbst 2026 dürfen keine Werke komplett geschlossen werden. Der bereits angekündigte Abbau von 2000 Stellen auf Seiten von Thyssen-Krupp soll sozialverträglich erfolgen.

Der Konzern sicherte gleichzeitig zu, mindestens sechs Jahre an der neuen Stahltochter beteiligt zu bleiben. Damit kam der Vorstand seinen Beschäftigten weit entgegen. Die erzielten Ergebnisse werden in einem Tarifvertrag festgehalten, über den die gut 20.000 Mitglieder der IG Metall in den Thyssen-Krupp-Werken ab Mitte Januar abstimmen sollen. Da die Gewerkschaftsspitze die Annahme der Einigung empfiehlt, gilt eine Zustimmung als sicher.

Nicht durchsetzen konnte sich die Gewerkschaft mit ihrer Kritik am geplanten Sitz des Joint Ventures in den Niederlanden. Dafür ist in dem Tarifvertrag neben dem Erhalt der Mitbestimmung in Deutschland vorgesehen, dass ein „Employee Executive Committee“ gegründet wird, in dem Vertreter der Arbeitnehmer und des Vorstands des Joint Ventures drei Mal im Jahr über strategische Fragen beraten sollen. Zudem werden die Arbeitnehmervertreter der Stahltochter weiter dem Konzernbetriebsrat mit allen Rechten angehören.

Fusion mit Tata Steel zieht sich hin

Noch unter Vorbehalt steht die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu den Fusionsplänen. Zwei wirtschaftliche Gutachten müssen bestätigen, dass das Joint Venture tragfähig ist. Die Entscheidung darüber wird Anfang 2018 im Aufsichtsrat fallen. „Der Tarifvertrag wird die Beschäftigten schützen, falls es zu einem Joint Venture kommt, egal ob wir dann zustimmen oder nicht“, sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp Steel Europe, Detlef Wetzel dem Handelsblatt. „Ob wir zustimmen werden, hängt einzig davon ab, ob die wirtschaftliche Tragfähigkeit belegt werden kann.“

Auch Personalvorstand Oliver Burkhard, der die Verhandlungen mit Betriebsräten und IG Metall geführt hatte, räumte am Freitag ein, dass ein negatives Votum der Wirtschaftsprüfer die Fusion mit Tata noch torpedieren könnte – theoretisch. Das sei aus seiner Sicht aber wenig wahrscheinlich: „Wir glauben an das Joint Venture“, sagte er. „Auch deshalb haben wir uns so langfristig verpflichtet.“

Der Konzernvorstand kann die Pläne zwar auch gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter vom Aufsichtsrat absegnen lassen. Er würde damit aber einen Bruch mit den Gewerkschaften riskieren, auf deren Unterstützung er bei der Umsetzung der Pläne setzt.


Ausstieg aus dem Stahlgeschäft ist nicht vorgesehen

Trotz der verbliebenen Unsicherheiten bewertete Konzernchef Heinrich Hiesinger den erzielten Kompromiss positiv. „Mit dem heute erzielten Ergebnis haben wir eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, unsere strategische Zielsetzung zu erreichen und gleichzeitig den Interessen unserer Beschäftigten gerecht zu werden“, sagte er. „Die Einigung gibt uns die Möglichkeit, die für das Joint Venture angekündigten wirtschaftlichen Vorteile und Synergien zu erzielen.“

Die sollen zwischen 400 und 600 Millionen Euro pro Jahr liegen, wenn die Fusion zu Europas zweitgrößtem Stahlkonzern nach Weltmarktführer Arcelor Mittal mit einem Umsatz von rund 15 Milliarden Euro und 48.000 Mitarbeitern abgeschlossen ist. Das dürfte Anfang 2019 der Fall sein. Denn der Vollzug der Fusion wird sich vermutlich auch wegen der Überprüfung der Kartellbehörden bis Ende kommenden Jahres hinziehen.

So strikt die Regelung über die Job- und Standortsicherung auf den ersten Blick ausschaut, sie gibt dem Management genügend Luft, weitere Einsparungen zu erzielen und die Produktivität der Werke zu erhöhen, um die angepeilten Synergieeffekte zu erzielen. So ist eine Anpassung einzelner Anlagen und Aggregate weiter möglich. Für die Betriebsteile in Bochum, Eichen und Hüttenheim ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung Ende 2020 vereinbart. Dann soll festgestellt werden, ob die Produktion dort noch fortgesetzt wird.

Allerdings dürfte eine komplette Schließung der Standorte nach Unterzeichnung des beschlossenen Tarifvertrages schwierig werden – schließlich hat sich der Konzern zur Sicherung der Beschäftigung auch in diesen Werken verpflichtet. Zudem sicherte der Ruhrkonzern zu, mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr in alle Standorte zu investieren.

Sollte sich das Stahlgeschäft in den kommenden Jahren überaus positiv entwickeln, ist für Thyssen-Krupp sogar ein Börsengang des Joint Ventures möglich – auch das würde der Tarifvertrag erlauben. Dafür dürfte sogar der Anteil des Konzerns binnen der Haltefrist von sechs Jahren auf 25,05 Prozent sinken. Zusammen mit einem gleich hohen Anteil von Tata ergäbe das immer noch eine knappe Mehrheit von 50,1 Prozent. Ein Verkauf an Dritte, wie beispielsweise Private-Equity-Gesellschaften ist allerdings in dem Zeitraum nicht möglich, versicherte Burkhard. Erst ab 2024 darf der Konzern dann frei entscheiden, was er mit seinem Anteil am Stahl-Joint-Venture künftig vorhat. 

Ein kompletter Ausstieg von Thyssen-Krupp aus dem Stahlgeschäft sei damit zwar theoretisch möglich, sagte Burkhard - es sei aber nicht das erklärte Ziel des Konzerns. Die Option eines Börsengangs dürfte vor allem den Anteilseignern rund um den aktivistischen Investor Cevian entgegenkommen, die zuletzt starke Kritik an der mangelhaften Wertsteigerung des Konzerns geäußert hatten.

Konzernchef Hiesinger will den Konzern auf das weniger konjunkturanfällige Geschäft mit Aufzügen, Autoteilen, Anlagen und U-Booten ausrichten. Thyssen-Krupp beschäftigt in der Stahlsparte knapp 28.000 Mitarbeiter, die Mehrzahl davon in Nordrhein-Westfalen.

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