Unter der Parkbank häufen sich die Zigarettenschachteln, im Busch daneben hängt noch eine Chipstüte, in der Bordrinne sammeln sich Bonbon-Papiere, der To-Go-Becher liegt einfach neben dem Mülleimer auf dem Bürgersteig, wo noch die plattgetrampelten Reste der Böller von Silvester zu erkennen sind. Das ist die typische Szenerie in deutschen Großstädten. Der Müll lässt sich nur dadurch in Schach halten, dass zumindest in einigermaßen regelmäßigen Abständen eine Kehrmaschine vorbeikommt.
Diese Aufräumaktionen zahlten bisher die Steuerzahler. Ab 2025 sollen die Hersteller der To-Go-Becher, Chipstüten, Feuerwerkskörper und Zigaretten diese Kosten übernehmen: Rund 430 Millionen Euro sollen durch den neuen Einwegkunststoff-Fonds eingetrieben werden, den der Bundestag beschlossen hat.
Die Industrie protestiert dagegen: Die Aufräum-Gebühr übertreffe die Verpackungsgebühren um das Doppelte. „Damit hat die Kostenüberwälzung an die Wirtschaft jedes Maß verloren und muss unweigerlich an die Privathaushalte weitergegeben werden“, heißt es etwa von der Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt, einem Unternehmerverband. Den Bürgern drohe nun die doppelte Belastung. Dieser Protest ist nicht nur unberechtigt, er ist dreist. Die Industrie kündigt damit schon jetzt an, dass sie die Kosten nicht tragen will, die ihre Produkte in der Umwelt verursachen – sie will sie an die Verbraucher weitergeben.
Das ist ein altbekanntes Muster. Die Idee, dass die Verursacher des Mülls auch die Kosten tragen, ist nicht besonders neu. 1991 führte Deutschland als erstes Land den Grünen Punkt und damit eine Herstellerverantwortungen für Verpackungen ein. Seitdem müssen Hersteller und Händler in Deutschland Gebühren für ihre Verpackungen zahlen. Die Wirkung dieser Verpackungsgebühren aber sind bis heute begrenzt: Die Menge an Verpackungsmüll in den Mülltonnen der privaten Haushalten ist nie dauerhaft gesunken. Wahrscheinlich hat das auch etwas damit zu tun, dass die Hersteller und Händler die Verpackungsgebühren ebenfalls an die Verbraucher weitergegeben haben, statt mehr Mehrweglösungen anzubieten oder konsequent nachhaltigere Produkte zu designen.
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Wir stehen vor einem gewaltigen, wirtschaftlichen Problem: Wegwerfprodukte und Einwegplastik haben einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Wegwerfen ist günstiger als Mehrweglösungen, Einwegplastik ist günstiger als Rezyklate. Aber diese Preise sind nicht realistisch, sie bilden nicht alle Kosten ab. Und das gilt nicht nur für die Kosten durch den Müll, den die Kommunen von den Bordsteinen und aus den Büschen holen. Die Abfälle zerstören auch Natur, den Lebensraum von Tieren, Mikroplastik und Schadstoffe gelangen auf die Felder und damit in die Nahrungskette und schaden unserer Gesundheit. Die Produktion von Einwegplastik verursacht gewaltige Emissionen und schädigt das Klima. Auch diese Kosten trägt bisher die Gesellschaft.
Die Aufräum-Gebühr des Einwegkunststofffonds ist deshalb ein richtiger Schritt – aber das alleine reicht nicht aus. Der beste Weg, um den Müll in der Landschaft zu reduzieren, ist die Vermeidung. Wir müssen weniger Produkte schaffen, die so schnell zu Müll werden. Wir brauchen Mehrweglösungen, die einfach und praktikabel sind, und sich im Wettbewerb gegen das Wegwerfen behaupten können. Wir brauchen Pfandsysteme, damit eben keine Verpackung in der Umwelt landet, wo sie nicht hingehört und weitere Kosten verursacht. Die EU arbeitet an entsprechenden Regularien. Sie will zum Beispiel das Ziel einführen, den Verpackungsmüll bis 2040 um 15 Prozent zu reduzieren.
Natürlich, auch Mehrweg und Pfand sind teuer, teilweise muss erste eine Infrastruktur aufgebaut werden, um Pfandprodukte zurückzugeben oder Mehrweg-Verpackungen zu waschen und neu zu befüllen. Den Herstellern gefallen diese Ansätze deshalb noch weniger als die Aufräum-Gebühr. Aber wenigstens ließe sich dadurch tatsächlich die Menge des achtlos weggeworfenen Mülls reduzieren.
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