Elektro-Autos Tesla denkt an Kapitalerhöhung

Tesla tauscht den Finanzvorstand aus und hält sich mit Ankündigungen zurück. Allerdings führt das zu weniger Transparenz beim Hersteller von Elektroautos, und das ist für Aktionäre ein Nachteil. Eine Analyse.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Tesla Model X auf der Motor Show in Brüssel. Quelle: AP

San Francisco Das Model 3 kommt, und es kommt wie geplant. Das ist die Kernbotschaft, die Elon Musk am Mittwoch für Aktionäre und Gläubiger bereitgehalten hat. Die Aktie, die seit Anfang Januar gut 30 Prozent zugelegt hat, konnte aber nachbörslich nach stärkeren Gewinnen doch nur ein kleines Plus zum Schlusskurs auf zuletzt 278 Dollar behaupten.

Was führt zu der Zurückhaltung? Der Umsatz im vierten Quartal lag mit 2,28 Milliarden Dollar 88 Prozent höher als im Jahr zuvor, und auch der Nettoverlust war mit minus 121 Millionen Dollar geringer als befürchtet. Ein Jahr zuvor waren es noch Minus 320 Millionen Dollar. Aber zur Überraschung aller Marktteilnehmer gab es am Mittwoch bei der Vorlage der Quartalszahlen keine Prognose für die Absatzerwartungen im Jahr 2017.

Nur für das erste Halbjahr will sich Gründer und Vorstandschef Elon Musk festlegen. Zusammen insgesamt 47.000 bis 50.000 Stück der Modelle S und X will er absetzen. Mit diesem Kniff vermeidet er gleich mehrere potenzielle Fettnäpfchen in einem Jahr, das als das wichtigste der bisherigen Firmengeschichte gilt.

2017 will Tesla mit dem neuen Model 3 den Sprung zum Serienhersteller für den Massenmarkt wagen. Doch Tesla hat bislang noch nie eines seiner wichtigen Ziele im ersten Anlauf erreicht. 2016 wurde zum Jahr der abwärts korrigierten Absatzzahlen. Statt erhoffter 80 bis 90.000 verkaufter Autos wurden es nur 75.000. Diese negative Publicity will Musk nicht noch einmal sehen.

Die fehlende Ganzjahresprognose könnte auch eine mögliche Verzögerung bei der Fahrzeugentwicklung des Model 3 verschleiern. Immerhin soll die Produktion im Juli anlaufen und im September die Serienreife erlangen. „Irgendwann im vierten Quartal“ würden dann 5.000 Einheiten pro Woche vom Band laufen, so Musk.

Die ersten Autos sollen an Unternehmensmitarbeiter ausgeliefert werden, aber fünf Monate vor Produktionsstart ist noch keine finale Version zu sehen. Prototypen werden seit Anfang Februar gebaut. Tesla hat im abgelaufenen Quartal zudem nur 522 Millionen Dollar investiert, statt wie angekündigt rund eine Milliarde. Auch das könnte auf eine Verzögerung hindeuten.

Ein Update zu den Vorbestellungen für das Model 3 wurde ebenfalls vermisst. In einem für die Branche bislang unbekannten Vorbestellungswahn orderten Kunden in 2016 blind rund 373.000 Autos und hinterließen 1.000 Dollar Anzahlung für das 35.000 Dollar teure Fahrzeug. Seitdem herrscht Funkstille, was neue Verkäufe oder Stornierungen angeht.


Der Service ist zu schwach

Stutzig macht da ein Rückgang der Kunden-Anzahlungen um 26,5 Millionen auf 663,9 Millionen Dollar, von denen alleine 373 Millionen aus der ersten Model-3-Vorverkaufswelle stammen. Tesla selbst verweist auf die zügigere Auslieferung von Model X-Fahrzeugen. Da wird jedes mal 5000 Dollar vom Konto abgebucht. Aber entweder kommen dann nicht genug Bestellungen der alten Modelle nach oder der Model 3-Absatz stockt.

Das größte Problem aber wird noch nicht einmal die Produktion des neuen Fahrzeugtyps sein. Auch hier hat Musk gelernt. Viel technisches Spielzeug in den Top-Modellen fehlt im Billig-Tesla, es gibt keine anfälligen Flügeltüren und nur ein Display. Das Model 3 sei mit Blick auf die Serienfertigung entworfen worden, versichert der CEO. Außerdem verstehe man jetzt viel mehr von Fertigung.

Das größere Problem wird der Service sein. Ende 2016 gab es ganze 265 Tesla Service-Center: Zwar 26 Prozent mehr als im Jahr zuvor, aber auf jeden Fall zu wenig, um die 500.000 Kunden zu bedienen, die bis Ende 2018 eines der kalifornischen Autos gekauft haben sollen. Um das Dilemma zu entschärfen, will Tesla fliegende Reparatureinheiten zu den Kunden schicken.

Rund 80 Prozent aller Reparaturen seien so simpel, dass sie von mobilen Einsatzteams erledigt werden können, so Musk. Die Zahl der Teams, die in der Garageneinfahrt oder am Bürgersteig werkeln werden, soll zügig ausgebaut werden. Bleibt noch das liebe Geld: Zwischen zwei und 2,5 Milliarden Dollar werden bis zum Start der Produktion des neuen Modells investiert, heißt es im Quartalsbericht.

Vor dem Hintergrund eines Bestands an liquiden Mitteln von 3,3 Milliarden Dollar ist das ein schwerer Brocken. Musk gibt sich da vage: Das Geld reicht für die Markteinführung, erklärte er auf Nachfrage. Aber man müsse sehen, „wie weit man an die Risikogrenze gehen wolle“. Deshalb könnte eine weitere Kapitalerhöhung sinnvoll sein.

Sinnvoll wäre eine Kapitalerhöhung vor allem für Tesla, weil sich die Aktie nahe ihres 52-Wochen-Hochs befindet. Das trübt die Laune bei Investoren, die eine weitere Verwässerung ihrer Unternehmens-Anteile befürchten. Dazu kommt der überraschende Abgang des Finanzvorstands Jason Wheeler, der im April Tesla verlassen wird.

Wheeler wolle eine politische Karriere verfolgen, heißt es. Zumindest wird er von einem guten Bekannten ersetzt. Deepak Ahuja kehrt zurück, er war bis Ende 2015 in dieser Position bei Tesla tätig. Das war dann der versöhnliche Teil der Nachricht: Ahuja bringt Erfahrung aus seiner Tätigkeit beim Massenhersteller Ford mit. Die wird jetzt dringend benötigt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%