Tesla ist an einem Tiefpunkt, als Elon Musk vor seine Mitarbeiter tritt. Die Produktion des Autoherstellers ist ins Stocken geraten. „Er hielt eine Rede, in der er sagte, wir würden samstags und sonntags arbeiten und unter unseren Schreibtischen schlafen, bis alles erledigt ist“, erinnert sich ein Angestellter an die einpeitschenden Worte seines Chefs. Die Leute hätten genug Zeit für ihre Familie, wenn das Unternehmen pleite sei.
In Anekdoten wie dieser erzählt die neue Biografie „Elon Musk. Die Biografie des Gründers von Tesla, PayPal, SpaceX und wie er unsere Zukunft neu erfindet“ den Aufstieg des Ausnahme-Unternehmers. Mehr als 40 Stunden hat der Wirtschaftsjournalist Ashlee Vance mit Elon Musk selbst verbracht, außerdem mehr als 200 Gespräche mit Angehörigen und Mitarbeitern geführt.
Daraus ist ein knapp 370 Seiten starkes Buch entstanden über einen Mann, dessen größter Wunsch es ist, die Menschheit auf den Mars zu bringen. Und über ein Technik-Genie, das sich am meisten davor fürchtet, dass sein Freund, Google-Gründer Larry Page, eine Roboter-Armee baut, die die Welt vernichtet.
Die Elon-Musk-Biografie
"Elon Musk. Die Biografie des Gründers von Tesla, PayPal, SpaceX und wie er unsere Zukunft neu erfindet"
Finanzbuchverlag, 368 Seiten, 14,95 Euro
Ashlee Vance, geboren 1977 in Südafrika, ist ein amerikanischer Wirtschaftsjournalist. Unter anderem schrieb er für die New York Times, den Economist, die Chicago Tribune, CNN.com und die International Herald Tribune. Bei der Bloomberg BusinessWeek ist er einer der bekanntesten Journalisten und hat unzählige Titelgeschichten über Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Steve Ballmer geschrieben.
Detailliert beschreibt Vance, wie aus einem hochbegabten, gehänselten Jungen, der unter dem Eindruck der Apartheid in Südafrika aufwächst und unter einem schwierigen Verhältnis zu seinem Vater leidet, ein Mann wird, der die Menschheit retten will, indem er ihr bei der Besiedlung des Weltalls hilft. Das Buch schildert seinen Werdegang vom Rucksackreisenden in Kanada zum StartUp-Gründer in den USA.
Der Verkauf seines ersten Unternehmens Zip2 macht Elon Musk über Nacht zum Multimillionär. Durch X.com und PayPal wird sein Vermögen größer. Binnen weniger Jahre baut Musk mit dem Raumfahrtunternehmen Space X, dem Elektroautohersteller Tesla und Solarcity, dem Hersteller von Solarstromanlagen und Ladestationen, drei Unternehmen, die von den Großen der Branche zunächst kaum wahrgenommen, später verlacht und mittlerweile gefürchtet werden.
Die wichtigsten Startups von Elon Musk
Internet-Medienunternehmen, 1999 von Alta Vista für 307 Millionen Dollar übernommen, Musk erhält 22 Millionen Dollar
Musk startet den Online-Bezahldienst, aus dem später PayPal wird. 2002 kauft Ebay die Firma für 1,5 Milliarden Dollar. Musk kassiert 165 Millionen Dollar
Ein Kindheitstraum wird wahr: Musk gründet sein Raumfahrtunternehmen
Musk beteiligt sich am Elektroautohersteller, wird später Mitgründer neben Martin Eberhard, Marc Tarpenning, Ian Wright und Jeffrey Brian Straubel
Lyndon und Peter Rive verleasen und installieren mit ihrem Start-up Fotovoltaikanlagen; Musk kofinanziert die Firma seiner beiden Cousins
Mr. 100.000 Volt wird längst in einer Reihe mit den großen Innovatoren und Technik-Revolutionären genannt – Ford, Hughes, Gates, Jobs, Musk. Sein Ingenieursgeschick und sein Hang, die Welt zu retten, haben dem Gründer den Spitznamen Iron Man eingebracht, benannt nach dem Comic-Helden.
Träumer, Großmaul, Scharlatan?
Sicher, nicht alle teilen diese Begeisterung. Kritiker glauben, seine Versprechungen seien fauler Zauber. Musk selbst sei bestenfalls ein Träumer, schlimmstenfalls ein besserwisserisches Großmaul, das mit Elektroautos, Solarmodulen und Raketen an den falschen Hoffnungen anderer verdient.
Die Skepsis hat Gründe. Mit seinen Unternehmen stand Musk bereits mehrmals vor dem Abgrund. Die ersten drei Startversuche von SpaceX-Raketen endeten im Desaster und verschlangen Unsummen. Bei der Luxus-Limousine Models S vergaloppierte sich das Tesla-Team sowohl bei den Zeitvorgaben als auch bei den Produktionskosten.
Bei den Versuchen, seine Unternehmen zu retten, setzt Musk fast sein ganzes Vermögen auf Spiel. Nur durch viel Glück und geschicktes Pokern mit Wagniskapitalgebern überlebt Musks Imperium das Krisenjahr 2008.
Seitdem geht es steil bergauf. Musk selbst scheint endgültig ein gemachter Mann zu sein. Sein Vermögen wird auf rund zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt. Das reicht für Platz 100 der aktuellen Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt.
Biograf Vance beschreibt Musk als Ausnahme-Unternehmer, der das Unmögliche möglich machen will – und damit Erfolg hat. Musk sei als Person ambitioniert wie sein Herzensprojekt SpaceX.
Tatsächlich wirkt der Südafrikaner mehr wie eine Falcon-Rakete aus den Produktionshallen des Raketenbauers. Schnell, zielstrebig und explosiv. Was immer den Aufstieg bremsen oder stoppen könnte, wird beiseite gefegt.
Wie Musk seine Mitarbeiter quält
Elon Musk ist nachweislich ein harter Hund. Tyrannisch, sagen ehemalige Mitarbeiter. Als ein Angestellter der Geburt seines Kindes beiwohnt, statt zu einer Firmenveranstaltung zu gehen, bekommt er eine knappe Mail seines Chefs: „Das ist keine Entschuldigung. Ich bin extrem enttäuscht. Sie müssen klären, wo Ihre Prioritäten liegen. Wir verändern die Welt und die Geschichte und entweder sind Sie dabei oder nicht.“
Jede Behinderung von Fortschritt nimmt Musk persönlich. Erklärt ein Mitarbeiter, ein bestimmtes Anliegen sei nicht möglich, läuft er Gefahr zu fliegen – mindestens aus dem Büro, wenn nicht ganz aus dem Unternehmen. Erfüllt jemand die Anforderungen des Chefs nicht, übernimmt der mitunter die Aufgabe selbst - und löst die Probleme.
Im lautstarken Streit trennte sich der Tesla- und SpaceX-Chef schon von führenden Angestellten, Geldgebern und selbst Auftraggebern. Seine Mitarbeiter gängelt er mit überzogenen, nicht zu haltenden Zeitplänen.
Dabei nimmt Musk nicht irgendwen in seine Reihen auf, sondern quält seine künftigen Mitarbeiter in mehreren Bewerbungsrunden, die nicht selten in einem Verhör durch den Unternehmer selbst enden. Musk, so scheint es, versammelt die besten und klügsten Köpfe der Welt – und behandelt sie wie austauschbare Werkzeuge.
Zitate aus der Musk-Biografie
"Die Berichte von Ingenieuren, die ein [Bewerbungs-]Gespräch bei Musk hatten, reichen von qualvoller Erfahrung bis ins Grandiose. Manchmal stellt er eine Frage, manchmal mehrere. Eines aber kommt mit Sicherheit von ihm – The Riddle (das Rätsel): "Sie stehen auf der Erdoberfläche. Sie gehen eine Meile nach Süden, eine Meile nach Westen und eine Meile nach Norden. Sie kommen wieder genau dort heraus, wo Sie losgegangen sind. Wo befinden Sie sich?" Eine Antwort darauf ist der Nordpol und die meisten Ingenieure kommen sofort darauf.
Dann aber fragt Musk nach: "Wo könnten Sie sonst noch sein?" Die andere Antwortmöglichkeit ist irgendwo in der Nähe des Südpols, wo der Umfang der Erde eine Meile beträgt, nachdem man eine Meile nach Süden gegangen ist. Darauf kommen schon weniger Ingenieure, und Musk erklärt ihnen bereitwillig die Lösung für diese und andere Fragen und zitiert bei seinen Erklärungen die nötigen Gleichungen. Er interessiert sich weniger dafür, ob er die richtige Antwort bekommt, sondern möchtesehen, wie jemand das Problem und seinen Lösungsansatz beschreibt."
Auszug aus Ashlee Vance: "Elon Musk. Die Biografie des Gründers von Tesla, PayPal, SpaceX und wie er unsere Zukunft neu erfindet"
So abschreckend das für viele wirkt, wer die Tortur und den Kommandoton des Chefs übersteht und mit wenig Schlaf auskommt, kann in der Musk AG Erfüllung finden. Bei SpaceX und Tesla können sie als junge Ingenieure und Techniker ihren Traum ausleben. Sie treiben Innovationen in einer Geschwindigkeit voran, die in den großen Unternehmen der Auto-, Weltraum,-und Energiebranche kaum möglich sind. “Manche Mitarbeiter lieben ihn dafür. Andere hassen ihn, bleiben aber aufgrund von Respekt für seine Energie und Mission eigenartig loyal zu ihm“, schreibt Vance.
Arbeiten bis zum Umfallen
Zur Verbundenheit trägt bei, dass Musk mit sich selbst nicht weniger hart umgeht. „Sein Ideal ist, nicht nur sechs Tage die Woche, sondern sieben zu arbeiten, also praktisch immer“, sagte Vance im vergangenen Winter noch während seiner Recherche im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Diesem persönlichen Antrieb hat Musk einen Großteil seines Privatlebens geopfert. Dreimal ist er geschieden, von zwei Frauen. Nur seine Kinder versucht er regelmäßig zu sehen.
Der Stresslevel des SpaceX- und Tesla-Chefs lässt sich an seinem Körperumfang ablesen. Er wiege mehr, wenn er ernsthaft überarbeitet ist, schreibt Vance. „Auf gewisse Weise ist es lustig, dass Musk so viel über das Überleben der Menschheit spricht, aber nicht bereit ist, etwas gegen die Folgen seines Lebensstils und für den eigenen Körper zu tun.“
Freunde und Feinde von Elon Musk
Kimbal Musk Bruder, ebenfalls Unternehmer, Aufsichtsrat bei SpaceX und Tesla
Tosca Musk Schwester und erfolgreiche Filmemacherin
Maye Musk Mutter, Ernährungsberaterin,
Errol Musk Vater, Ingenieur
Lyndon und Peter Rive Cousins, Musk war und ist an ihren verschiedenen Unternehmen beteiligt
Martin Eberhard Mitgründer und ursprünglicher Ideengeber von Tesla, wurde von Musk gefeuert
Henrik Fisker Ex-BMWDesigner; Musk verklagte ihn erfolglos wegen Ideenklau
James McNerney Der CEO von Boeing rangelt mit Musk um Nasa-Aufträge
Jeff Bezos Der Amazon-Gründer will mit dem Start-up Blue Origin ebenfalls ins All
Larry Page Der Google-Gründer würde sein Milliardenvermögen eher Musk vermachen, als es wohltätigen Organisationen zu spenden
Jeffrey Brian Straubel Technikvorstand von Tesla, Antriebsexperte
Franz von Holzhausen Tesla-Chefdesigner
Tom Mueller renommierter Raketenkonstrukteur, Mitgründer von SpaceX
So umfangreich sie ist, die Biografie bleibt eine erste Zwischenbilanz. Das Tempo mit dem Musk Innovationen vorgibt, ist weiter hoch. Vor zwei Wochen verkündete er, dass die Batterien, die Teslas Elektro-Autos antreiben, künftig auch Büros und Häuser versorgen sollen.
Die weiteren Pläne sind mehr als ehrgeizig. Bis 2025 könnte es gleich fünf oder sechs verschiedene Tesla-Modelle geben und SolarCity zum gewaltigen Versorger werden. Schon 2016 wird SpaceX bemannte Testflüge starten. Zudem lässt Musk die Idee eines Superschnellzugs namens Hyperloop einfach nicht los.
Dabei ist klar, dass das musksche Unternehmensimperium noch immer zusammenbrechen kann. Tesla muss erst noch beweisen, dass es wirtschaftlich ist. Das nächste große Risiko steht SpaceX bevor, wenn die Raketen Menschen sicher ins All und zurück transportieren sollen. Ein Unglück bei Richards Bransons Weltraumunternehmen Virgin Galactic kostet im vergangenen Jahr einen Piloten das Leben – und warf das Projekt zurück.
Egal ob in Krisenzeiten oder in Phasen durchschlagenden Erfolgs - sein eigentliches Ziel wird Elon Musk wohl nie aus den Augen verlieren: Den Menschen die Besiedlung des Weltraums zu ermöglichen.
Sterben wolle er im Idealfall auf dem Mars, sagt Musk. „Aber hoffentlich nicht bei der Landung.“