Emirates und der A380 Feierzwang bei Airbus

Der hundertste A380 von Airbus wird an die arabische Airline Emirates ausgeliefert. Zum Jubiläum des Großkunden vom Golf muss Konzernchef Enders gute Stimmung machen – obwohl er derzeit mächtig unter Druck steht.

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Emirates-Chef Scheich Ahmed bin Saeed Al-Maktoum und Airbus-Chef Thomas Enders (rechts) knipsen sich vor dem hundertsten A380 der Airline. Quelle: dpa

Hamburg Wenn nur dieser Bildschirm am Eingang nicht wäre. „Absolvieren Sie Ihr jährliches eLearning zu Compliance!“, leuchtet den Mitarbeitern und Besuchern am Eingang des Hamburger Airbuswerks entgegen. Dabei soll doch das leidige Thema Compliance – das Befolgen von rechtlichen Vorschriften – an diesem Freitag endlich einmal draußen bleiben, am Ende einer Woche voller Schlagzeilen. Es ging um ausgeweitete Ermittlungen wegen Bestechung, gekrönt noch von aus Paris durchgesickerten Plänen, Präsident Emanuel Macron wolle den europäischen Konzern wieder stärker an die Regierungskandare nehmen.

Der Pariser Vorstoß geht voll gegen den deutschen Airbus-Chef Thomas Enders. Dabei will der 58-jährige Manager an diesem Tag feiern, vielmehr: Er muss. Der Großkunde Emirates bekommt an der Elbe sein 100. Großflugzeug A380 ausgeliefert. Emirates muss zufriedengestellt werden, komme was da wolle. Die Airline ist für das Projekt A380 lebenswichtig, das ist an diesem Freitag an jeder Stelle spürbar.

„Zusammen haben Emirates und die A380 die globale Landkarte des Fliegens verändert“, schmeichelt Enders in seiner Rede. „Ich will auf niemanden zeigen, aber der Branche fehlt es an weiteren Visionären wie Emirates“, ruft er Emirates-Chairman Sheikh Ahmend bin Saeed Al Maktoum und Airline-President Tim Clark zu. Soll heißen: Würde doch nur noch jemand so eifrig auf den Riesenflieger setzen wie Erstkunde Emirates. Zusätzlich zu den 100 ausgelieferten Flugzeugen hat Emirates noch 42 weitere Flieger geordert. Gesamtlistenpreis: 42 Milliarden Dollar. Niemand sonst hat auch nur annähernd so viel Vertrauen in das Flugzeug.

Es ist offensichtlich: Ohne Emirates wäre die A380 ein gigantischer Flop. Für den Golf-Carrier fliegen fast die Hälfte aller ausgelieferten Flugzeuge, die anderen Kunden können die Zahl ihrer A380 meist an zwei Händen abzählen. Die neue Generation mittelgroßer Flieger ist meist wirtschaftlicher als der Doppelstöcker. Amerika und China bleiben weiterhin Hoffnungsmärkte ohne echtes Geschäft, obwohl Enders am Freitag erneut ankündigt, dort mit der A380 endlich durchstarten zu wollen. So steht der Großteil der A380 weiterhin im Nahen Osten – auch wenn Airbus an Prognosen festhält, die in den kommenden 20 Jahren eine Nachfrage von 1200 Flugzeugen im Großraumsegment ankündigen. Davon wollen die Europäer die Hälfte liefern.

Die Blaupause dafür liefert Emirates. 2006 bekam die Airline ihre erste A380, konnte seitdem deutlich Marktanteile gewinnen. Ohne Konflikte ist die Zusammenarbeit mit Emirates dennoch nicht – darüber können auch die Balletttänzer, die Airbus auftreten lässt, nicht hinwegtäuschen. Auch die A380 kommt in die Jahre, doch noch ist nicht klar, ob Airbus den Flieger technisch weiterentwickelt. Die niedrigen Absatzzahlen lassen das kaum zu. Immerhin hat der Konzern im Sommer eine in Aerodynamik und Kabineneinrichtung leicht weiterentwickelte Plus-Variant vorgestellt – allerdings bislang nur als Studie. Er würde sich freuen, wenn Airbus die sparsamere Plus-Variante tatsächlich auf den Markt bringen würde, sagt bin Saeed Al Maktoum auf Nachfrage.

Enders ringt sich immerhin zu der Aussage durch, die A380 solle ja noch viele Jahre gebaut werden. Irgendwann, so stellt er in Aussicht, sei dann logischerweise auch mit einer noch weiter optimierten Neo-Variante mit neuen Triebwerken zu rechnen. Irgendwann. Dabei steht nichtmal fest, ob die Plus-Version kommt – geschweige denn, ob Emirates wenigstens eine Teil seiner Bestellungen in dieser überarbeiteten Version bekommen kann. „Wir werden hart arbeiten, um unsere Kunden auch in Zukunft zufriedenzustellen“, verspricht Enders reichlich unkonkret. Das Problem: Ohne Modernisierung könnten die Kunden noch zurückhaltender werden – und ohne ausreichende Bestellungen lohnt sich die Modernisierung nicht.


Ein überlebensgroßer Scheich

Immerhin: In Kürze könnte Emirates einige weitere A380 bestellen, deuteten die Manager an. „Ich weiß nicht, ob ich John in Rente gehen lasse ohne eine weitere bedeutende Bestellung“, scherzte Ender über Vertriebschef John Leahy, der im kommenden Frühjahr ausscheidet.

Für die Golf-Airline ist der Flieger ein Statusobjekt – und mehr als das. „Er ist gut für unser Ergebnis unter dem Strich – und für unsere Marke“, sagt bin Saad Al Maktoum. Emirates wolle das Flugzeug vermehrt an Flughäfen einsetzen, bei denen die Airline wenig Slots hat, um ihr Drehkreuz in Dubai anzufliegen. In Deutschland ist das Düsseldorf, dessen Flughafen durch die Air Berlin-Pleite gebeutelt ist, dazu kommen etwa Kopenhagen, Warschau und Prag.

Die versammelte Airbus-Führung applaudiert zusammen mit den zehn wichtigsten Emirates-Managern, auch Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Frank Horch klatscht.  Für seine Stadt ist ebenso wichtig, dass der A380 einigermaßen über die Runden kommt. Das Rathaus hat hohe politische Risiken in Kauf genommen, einen Teil der Elbe gegenüber des Nobelviertels Blankenese zugeschüttet für die längere Landebahn. Die Zahl der Jobs in der Luftfahrtbranche sei seit dem Zuschlag für das Projekt in der Region von 27 000 auf über 40 000 gestiegen, rechnet Horch vor.

Wie prestigeträchtig die A380 für Emirates ist, zeigt sich, als hinter den Tänzern der graue Vorhang vor dem Auslieferungsbalkon aufschwingt. Die Fluggesellschaft hat ihr Flugzeug großflächig mit einem Konterfei des Gründers der Vereinigten Arabischen Emirate, Zayid bin Sultan Al Nahyan, bedrucken lassen, samt dem Slogan „Year of Zayed – 2018 – Celebrating 100 years since the birth of the great leader.“ Der 2004 gestorbene erste Präsident des Landes winkt mit überlebensgroßer rechter Hand vom Rumpf des Fliegers.

Emirates nutzt seine singuläre Stellung mit dem Flieger auch, um Business-Kunden zu umwerben, mit einer kleinen Bar im Oberdeck, außerdem mit zwei Duschen für die First Class. Ein merkwürdiger Luxus: Die Passagiere müssen sich für die Duschen anmelden und bekommen ein Zeitfenster zugewiesen, damit nicht alle kurz vor der Landung nach vorne stürmen. Dafür erwartet sie ein recht geräumiges Badezimmer  mit einer recht kleinen Duschkabine, die samt Duschschlauch und -kopf dann doch mehr nach Baumarkt als nach Spa aussieht.

Doch für Misstöne bleibt am Freitag kein Platz. COO Fabrice Brégier, gehandelt als ein möglicher Nachfolger Enders, hält sich im Hintergrund. Angesprochen auf die französischen Pläne, Airbus wieder stärker unter Staatskontrolle zu stellen, sagt Enders den Journalisten: „Wir wollen hier doch ein A380-Event machen.“ Die eigens aus Frankreich eingeflogene Konzernsprecherin betont, Enders sei „sehr klar“ in seinen Aussagen dazu: Airbus laufe sehr gut – und das belege, dass Veränderungen überflüssig seien.

Das zeigt Enders auch nonverbal. Nach der Übergabe des Flugzeugs – es gibt den Gästen entsprechend Lamm, duftenden Reis, Falaffelröllchen und Datteln zum Champagner – lässt sich Enders als einziger eine grüne Flasche kommen. Der Airbus-Chef trinkt zum noblen Mittagessen demonstrativ gelassen ein Feierabend-Bier der Hamburger Kneipen-Marke „Ratsherrn“.

Passend dazu spricht fast zeitgleich im fernen Berlin Regierungssprecher Steffen Seibert. Enders Vertrag laufe bis 2019, betont er. Es gebe keinen Anlass, die Satzung von Airbus zu ändern.

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