Ende des Machtkampfes bei ZF Vorstandschef Sommer legt Amt nieder

Eigentlich hatte der Autozulieferer ZF nach dem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrates auf ruhigere Zeiten gehofft. Stattdessen wackelte der Stuhl des Vorstandschefs weiter - nun ist sein Abschied offiziell.

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Stefan Sommer, Vorstandschef der ZF Friedrichshafen AG Quelle: dpa

Am Ende verkündet eine Mitteilung mit gerade mal 20 Zeilen das Aus für ZF-Chef Stefan Sommer. Tagelang hatte es Spekulationen um seine Ablösung gegeben - die Ungewissheit über seine Zukunft, Streit um die inhaltliche Ausrichtung des Unternehmens und Unmut über eine Dividenden-Erhöhung hatten die Schlagzeilen zu ZF bestimmt. Nun ist klar: Stefan Sommer und der drittgrößte deutsche Autozulieferer gehen getrennte Wege.

Er sei mit Aufsichtsratschef Franz-Josef Paefgen „übereingekommen, die Zusammenarbeit zu beenden, hieß es am Donnerstagabend aus dem Konzern. Sommer lege sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder, bis zur Berufung eines Nachfolgers übernehme sein Stellvertreter und Finanzvorstand Konstantin Sauer die Aufgaben des Vorstandschefs.

Es ist der Höhepunkt eines Machtkampfs, der sich lange hingezogen hatte und der erst kürzlich einen Wechsel im Aufsichtsrat zur Folge hatte: Denn Branchenexperte Paefgen ist selbst erst seit wenigen Tagen im Amt. Er wurde Anfang der Woche auf einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums zum neuen Vorsitzenden gewählt, nachdem sich sein Vorgänger Giorgio Behr überraschend zurückgezogen hatte.

Dem Vernehmen nach herrschte vor allem Uneinigkeit zwischen Sommer und der Stadt Friedrichshafen, deren Oberbürgermeister Andreas Brand für die Zeppelin-Stiftung als Haupteigentümerin von ZF im Aufsichtsrat sitzt. Das Unternehmen soll nach dem Willen der Stiftung künftig 18 Prozent als Dividende an sie abführen - aus Sicht von Brand eine notwendige Vorsorge, die der Stiftung, ihren Betrieben und Mitarbeitern Sicherheit und Unterstützung geben soll. In ZF-Kreisen war man davon weniger begeistert.

Zudem ging es offenbar um die Frage, wie sich ZF künftig ausrichten soll. Sommer hatte in den vergangenen Jahren seine Expansionsstrategie deutlich vorangetrieben, etwa 2015 durch die Übernahme des US-Konkurrenten TRW. Dadurch konnte der Konzern seine bisher von Getrieben und Fahrwerkselementen dominierte Produktpalette unter anderem um Elektronik, Sicherheitstechnik und Sensorik erweitern. Doch Medienberichten zufolge teilten nicht alle im Aufsichtsrat das Interesse an weiteren, schnellen Zukäufen.

Sommer wiederum fühlte sich davon offenbar ausgebremst. Noch im Juni hatte er der „Schwäbischen Zeitung“ gesagt: „Es darf nicht sein, dass die Geschwindigkeit, die ZF am Markt und im Wettbewerb braucht, dadurch gebremst wird, weil bestimmte Notwendigkeiten in Friedrichshafen nicht nachvollzogen werden.“ Von den Vertretern der Stiftungen bekomme das Unternehmen zurückgespiegelt, dass man zunehmend weniger verstehe, wohin und mit welcher Dynamik sich das Unternehmen entwickle.

Um den Machtkampf zu verstehen, muss man aber auch auf das besondere Konstrukt zwischen dem Autozulieferer und der kommunalen Stiftung in Friedrichshafen schauen. Ihre Entstehung verdankt diese eigentlich einem Unglück: Am 5. August 1908 verbrannte das Luftschiff LZ 4 bei Echterdingen nahe Stuttgart. Durch Spendenaufrufe erhielt der Luftschiffpionier Ferdinand Graf von Zeppelin mehr als sechs Millionen Goldmark, mit denen er die Stiftung gründete. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie der Stadt übertragen, die mildtätige und gemeinnützige Zwecke in Friedrichshafen damit unterstützt. Zudem ist die Stiftung mit 93,8 Prozent Hauptaktionär von ZF.

Es sei ungewöhnlich, das hinter solch einer Stiftung eine Stadt stehe, sagt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, Willi Diez. „Normalerweise sind das ja Familien wie beispielsweise bei Bosch oder Mahle.“ ZF sei zudem über viele Jahrzehnte ein eher konservatives Unternehmen gewesen, das sein Kerngeschäft systematisch weiterentwickelt habe. „Aber die Welt ändert sich im Autogeschäft schnell und in so einer Phase muss auch ein solches Unternehmen Geschwindigkeit aufnehmen und sich neu ausrichten.“

An diesem Punkt könne es aber zu einem Konflikt kommen, da es bei einer Stiftung eben auch um das Gemeinwohlinteresse gehe. Bei einer Familienstiftung sei ein solcher Zwist möglicherweise einfacher zu lösen, weil die Eigentümer eher mit dem Unternehmen verbunden seien - und vielleicht auch stärker in der Thematik, sagt Diez. „Ob das auch bei einer Stadt so ist, wo nicht unbedingt Automobilexperten sitzen...“

Um die millionenschwere Stiftung selbst ist übrigens auch ein Streit entbrannt: Urenkel Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin macht sie der Stadt Friedrichshafen streitig. Er hält die Auflösung und Übertragung an die Stadt im Jahr 1947 für rechtswidrig. Der Streit landete vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen, ein Termin für die Verhandlung steht aber noch nicht fest. Die kürzlichen Entscheidungen wie die Erhöhung der Dividende hätten damit aber nichts zu tun, sagt Brand. „Der Gemeinderat beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der Frage, wie die Zeppelin-Stiftung und die Stiftungsunternehmen noch besser und breiter als bisher abgesichert werden können.“

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