Energiemarkt Deutscher Stromverbrauch sinkt erneut

Die Deutschen haben weniger Strom als im Vorjahr verbraucht und schaffen damit etwas, was nur wenige Industrieländer erreichen: Eine Entkopplung von Wachstum und Stromverbrauch. Davon profitieren auch die EU-Nachbarn.

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Klassische Glühlampen finden sich offenbar immer seltener in deutschen Wohnzimmern. Der bundesweite Stromverbrauch ist erneut gesunken. Quelle: dpa

Berlin Der deutsche Stromverbrauch ist im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge gesunken. Zugleich schnellte der Export im ersten Jahr nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auf ein Rekordhoch. In Deutschland wurden 2012 rund 1,4 Prozent weniger Elektrizität verbraucht, wie der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) am Donnerstag in Berlin mitteilte. Als Grund nannte Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller unter anderem das schwächere Wirtschaftswachstum im Vergleich zu 2011. Dennoch ist Deutschland damit eines der wenigen Industrieländer, denen es offenbar gelingt, Wachstum und Stromverbrauch zu entkoppeln. Auch 2011 ging die Stromnutzung bereits trotz einer kräftigen Steigerung des Bruttoinlandsprodukts zurück. Dies wurde auch auf eine höhere Effizienz beim Einsatz von Energie zurückgeführt.

Dagegen wurde nach vorläufigen Zahlen im vergangenen Jahr rund ein Prozent mehr Gas verbrannt, obwohl die Gaskraftwerke wegen der wachsenden Produktion von Ökostrom deutlich weniger liefen. Dies wurde aber durch den kälteren Winter und den höheren Gasbedarf für das Heizen mehr als ausgeglichen.

Der Ökostrom-Anteil am Verbrauch insgesamt stieg vor allem wegen des Ausbaus der Photovoltaik auf knapp 22 Prozent nach rund 20 Prozent 2011. Solarstrom allein stieg auf 4,6 Prozent von 3,2 Prozent. Verdrängt wurden vom Ökostrom die vergleichsweise teuren Gaskraftwerke, Braun- und Steinkohleanlagen lieferten einen leicht größeren Anteil als 2011. Bereits damals war diese Entwicklung zu beobachten, die durch niedrige Preise für Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte begünstigt wird. In Deutschland sank der CO2-Ausstoß dennoch, da auch Gaskraftwerke - wenn auch in geringerem Umfang - Treibhausgas produzieren.

BDEW-Geschäftsführerin Müller wies daraufhin, dass sich die Betreiber der Anlagen in einer kritischen Lage befänden. Die flexiblen Kraftwerke werden gebraucht, um die schwankende Einspeisung von Wind- oder Sonnenstrom auszugleichen. Da deren Menge wächst und vorrangig eingespeist wird, laufen die Anlagen aber immer weniger.

Deutscher Stromexport senkt Preise im EU-Ausland

Drastisch stieg der Austausch von Strom mit dem Ausland. Der Branchenverband geht von einem Rekord-Überschuss von 23 Milliarden Kilowattstunden aus, der 2011 noch bei sechs Milliarden Kilowattstunden lag. Ein Grund ist die Nachfrage aus den Niederlanden, wo der Strompreis höher lag. Trotz des Atomausstiegs hat sich der Tarif an der Leipziger Börse zuletzt weiter verbilligt und liegt für Industriekunden auf dem niedrigsten Stand seit fast drei Jahren. Dies bewirkt vor allem der steigende Verkauf von Ökostrom dort.

Während Privatverbraucher über eine Umlage auf den Tarif die Förderung der erneuerbaren Energien zahlen, werden Großverbraucher aus der Industrie davon teilweise befreit und profitieren direkt vom niedrigeren Börsenpreis. Durch den Export sanken nun auch die Preise in den Niederlanden, die Importe aus Deutschland verdrängten dort ebenfalls die vergleichsweise teuren Gaskraftwerke aus der Produktion. In der Energiebranche war nach dem Atomausstieg gewarnt worden, Deutschland werde vom Export- zum Importland werden.

Der BDEW warnte jedoch, den Überschuss nicht mit Versorgungssicherheit zu verwechseln. An bestimmten Tagen und in bestimmten Regionen könnten trotzdem Engpässe auftreten. Zudem sei unklar, wie hoch die tatsächlich bezahlte Exportmenge sei und wie viel Strom rein physikalisch über die Grenzen fließe. An einzelnen Tagen muss für den Export von Strom auch gezahlt werden, um das Netz zu entlasten. Zudem floss Strom in den vergangenen Jahren unkontrolliert nach Polen und Tschechien ab, wo dies jetzt die sogenannten Phasenschieber an den Grenzen verhindern sollen.

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