Energieversorger Eon investiert Millionen in fliegende Windräder

Mit Drohnen und Flugdrachen, die in 450 Meter Höhe kreisen, will Eon unschlagbar günstigen Ökostrom produzieren. Der Energieriese investiert Millionen in neue Windkrafttechnik. Doch der größte Konkurrent heißt Google.

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Mit Drohnen und Flügeldrachen, die in mehr als 400 Meter Höhe kreisen, wollen Eon und Google die Windkraftindustrie revolutionieren. Quelle: PR

Düsseldorf Monströse Stahltürme, tonnenschwere Turbinen, fast 90 Meter lange Rotorblätter: Herkömmliche Windräder haben mittlerweile solch gigantische Ausmaße erreicht, dass sie nur noch mit Spezialkränen zusammengebaut werden können. Das geht ins Geld. Bei der Errichtung einer 200-Meter-Mühle kostet beispielsweise alleine ein Tag auf der Baustelle bis zu 120.000 Euro, schätzt der ostfriesische Windradbauer Enercon. Noch teurer wird das Ganze, wenn die Windkraftanlage nicht an Land, sondern auf hoher See installiert wird.

Anlagenbetreiber wie Eon suchen daher nach Alternativen zu klassischen Windkraftanlagen, die sich kostengünstiger herstellen, einfacher aufbauen und leichter instand halten lassen. Das größte Potenzial dabei sieht der Essener Energieriese in sogenannten Flugwindenergiesystemen. Nach Informationen des Handelsblatts aus Unternehmenskreisen investiert Eon nun gut drei Millionen Euro, um der „möglicherweise bahnbrechenden Technologie“ zum Durchbruch zu verhelfen.

Konkret entwickelt und baut Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern noch in diesem Jahr in Mayo County in Irland einen Demonstrationsstandort für fliegende Windkraftanlagen. In Kooperation mit Ampyx Power, einem niederländischen Hersteller von Flugwindsystemen, will Eon bereits in diesem Jahr erste Tests durchführen.

Anders als bei herkömmlichen Windrädern werden Flugwindkraftwerke nicht auf einem Turm montiert, sondern schweben in der Luft. Man kann die Technik mit Drachensteigen vergleichen – allerdings in enormen Höhen. Am Boden sind eine Seilwinde und ein Generator verankert. An der Seilwinde hängt wiederum ein Segelflugzeug (Drohne) oder ein Stoffdrachen, der in einer Höhe von bis zu 450 Meter seine Kreise in Form eines Achters zieht. Dabei zerrt das fliegende Windrad unaufhörlich an dem Seil. Durch die Zugkraft wird der Generator am Boden angetrieben und erzeugt Strom.

Der Clou bei der Technik: Der logistische Aufwand ist viel geringer und die Stromausbeute weit höher als bei klassischen Windrädern. Denn in 400 Meter Höhe bläst der Wind deutlich kräftiger und beständiger als in Bodennähe. Als Faustregel gilt: Bei doppelter Windgeschwindigkeit steigt die Energieausbeute auf etwa das Achtfache an. Anja-Isabel Dotzenrath leitet bei Eon die Einheit „Climate & Renewables“ und ist vom Potenzial der Technologie überzeugt. „Flugwindenergie trägt zu einem unserer übergeordneten Ziele bei: Die Senkung der Kosten für erneuerbare Energie“, sagte Dotzenrath dem Handelsblatt.


"Magische Lösung" der Stromerzeugung

Die Eon-Managerin will Flugwindenergie gegenüber herkömmlichen Windmühlen wettbewerbsfähig machen. Gleichzeitig dient der Demonstrationsstandort in Irland laut Dotzenrath auch dazu, eng mit Behörden und dem Gesetzgeber zusammenzuarbeiten. Denn noch ist unklar, ob Eon künftig mit Flugwindkraftanlagen überhaupt an Ausschreibungen für die Errichtung von Windparks teilnehmen darf oder ob die Ausschreibungen auf herkömmliche Windkrafttechnologie beschränkt bleiben.

Die Zusammenarbeit mit Ampyx Power ist für Eon bereits das zweite große Engagement im Bereich der Flugwindtechnologie. Bereits Ende 2016 haben sich die Essener gemeinsam mit dem Ölmulti Shell und dem Ölfeldausrüster Schlumberger an dem britischen Flugwind-Start-up Kite Power Solutions (KPS) beteiligt.

Experten bescheinigen der neuen Technik zwar durchaus Potenzial, warnen aber vor zu hohen Erwartungen. „Physikalisch gesehen funktioniert diese Form der Stromerzeugung problemlos. Aber die Technologie steht erst ganz am Anfang“, sagte Po Wen Cheng dem Handelsblatt. Der Professor am Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttgart ist überzeugt: „Wir können nicht erwarten, dass die Technik innerhalb der nächsten fünf oder zehn Jahre wettbewerbsfähig wird“.

Die Industrie arbeitet unterdessen daran, Prototypen zu entwickeln und die Prozesse zu automatisieren, um möglichst schnell Skaleneffekte heben zu können. In Europa versucht vor allem Eon die Technologie voranzutreiben. Die Essener haben aber mit Google (Alphabet) einen ernstzunehmenden Konkurrenten, der ebenfalls Pionierarbeit im Sektor der Flugwindkraft leistet.

Der amerikanische Internetriese hat 2013 die US-Firma Makani Power gekauft und versucht seither die Windstromerzeugung völlig zu revolutionieren. Im Vergleich zu herkömmlichen Windturbinen sollen die Drohnen von Makani laut Unternehmensangaben um 50 Prozent mehr Energie genieren. Zudem wirbt Makani damit, gut 90 Prozent weniger Material zu benötigen, als bei klassischen Windrädern eingesetzt wird.

Noch ist das Rennen um die Windkrafttechnik von morgen völlig offen. Microsoft-Gründer Bill Gates sieht aber immerhin eine 10-Prozent-Chance, dass Flugwindsysteme die „magische Lösung“ dafür sind, wie sich künftig enorm kostengünstig Ökostrom herstellen lässt.

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