Erbsünden der Familienunternehmen Wie große Mittelständler sich selbst zerfleischen

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Coppenrath & Wiese: Entfremdete Tortenbäcker

Die Streithähne

Kaum anderthalb Jahre nach dem Tod des Patriarchen Aloys Coppenrath im März 2013 wird das emotionale und räumliche Zerwürfnis zwischen seiner Witwe und den drei Kindern offensichtlich. Jens Coppenrath lebt seit mehr als 15 Jahren mit seiner Frau Karle und seinen drei Kindern in der Nähe von Seattle im US-Staat Washington. Der 49-Jährige verwaltet dort Immobilien und sein Vermögen. Seine Schwester, die 53-jährige Anne-Caroline Ramm wohnt mit ihrem zweiten Ehemann, einem Englisch-Lehrer, und den drei Kindern in Berlin. Dritter im Erben-Bund ist der 51-jährige Volkswirt Rolf Coppenrath, dem gemeinsam mit seiner Frau Anne der Hamburger Life-Verlag mit Titeln wie „Food and Travel“ und „Das Karibik-Magazin“ gehört. Lust, in das geerbte Unternehmen zu investieren, hat offenbar keiner der Erben.

Grafik zu den Standorten der Familienunternehmen

Die Streitgründe

Im Sommer 2014 zeigte sich, dass die Erben jegliche persönliche Bindung an das stolze Unternehmen verloren hatten, das mit 2000 Mitarbeitern Torten und Aufbackbrötchen im Wert von mehr als 400 Millionen Euro im Jahr herstellt. Deshalb entschied der Clan, den Nachlass zu versilbern. Favorisiert wurde von Beginn an ein Verkauf an den benachbarten Oetker-Konzern. Auch Finanzinvestoren wie Cinven und EQT oder der Düsseldorfer Bäckerei-König Heiner Kamps meldeten Interesse an. Doch es gibt keine Einigkeit im Erbenkreis. Seitdem wird verhandelt – ohne Ergebnis. Die Unentschlossenheit lähmt den Entscheidungsprozess. Aus dem Umfeld heißt es sogar, die Streithähne könnten vielleicht doch an dem rentablen Unternehmen festhalten.

Die Eskalation

Im Gegensatz zu Tönnies fetzen sich die Erben ausschließlich hinter den Kulissen; niemand äußert sich öffentlich.

Die Entscheidung

Die sich hinziehenden Verhandlungen zeitigen Folgen. Arbeitnehmervertreter betrachten den Stillstand mit Sorge. „Im Betrieb herrscht Unsicherheit, wir kommen nicht zur Ruhe“, klagt Karl-Heinz Hukriede, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Er hofft auf eine schnelle Einigung, um wieder zum Alltag überzugehen. Wichtige Vorhaben wie Investitionen in neue Anlagen lägen auf Eis. „Die Unfähigkeit zu strategischen Entscheidungen ist der Grund für den Verkauf des Unternehmens“, sagte Geschäftsführer Andreas Wallmeier.

Die Lösung

Der Verkauf an Oetker – oder an Nestlé – muss nicht die beste Lösung sein, denn die Gefahr besteht, dass sie Arbeitsplätze kostet. Die Selbstständigkeit des Unternehmens und die Bedeutung der Marke könnten durch einen Finanzinvestor eher gewahrt werden. Doch vorher müssen sich die Familienmitglieder erst mal klar darüber werden, was sie überhaupt wollen. „Jede Familie braucht eine gemeinsame Vorstellung davon, was sie will: verkaufen oder weitermachen. Wo diese fehlt, ist Streit programmiert“, sagt Berater May.

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