Erfolg des Lego-Konkurrenten "Playmobil-Piraten sind immer cool"

Die frisch eingeführten Playmobil-Figuren retteten seine Firma in den 70er Jahren vor der Wirtschaftskrise. Heute, an Horst Brandstätters 80. Geburtstag, sind die Figuren so erfolgreich wie nie zuvor. Das größere Geschäft macht Brandstätter jedoch mit Blumentöpfen.

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Mit zeitlosen Figuren ist Playmobil seit Jahren auf Erfolgskurs - und verzichtet etwa wie die Konkurrenz von Lego auf Lizenzprodukte für aktuelle Filme, wie

Das Potenzial der Idee hat Horst Brandstätter nicht sofort erkannt: Ein schlichtes Systemspielzeug, das stets zum Kauf neuer Bestandteile animiert und so für Kinder eine eigene Spielzeugwelt erschafft: Playmobil. Es bescherte seiner Firma, der Geobra Brandstätter Gruppe, einen Erfolg, der bis heute anhält – dem Tag seines 80. Geburtstag.

Außer seinen Jubilar feiert das Unternehmen auch das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte. Mit 531 Millionen Euro erreichte der weltweite Playmobil-Umsatz 2012 einen Rekordwert. Das gleiche gilt für den Absatz von 61 Millionen versandten Verpackungen. Diese Erfolgsstory war im Einführungsjahr von Playmobil dringend nötig gewesen. Die Ölkrise 1973 machte den für die Produktion von Kunststoff wichtigen Rohstoff Öl teuer. Die Spielzeugproduktion rechnete sich nicht mehr - Horst Brandstätter brauchte einen Verkaufsschlager. Die Rettung schlug ihm der damalige Formenbauer Hans Beck mit seinem Playmobil-Konzept vor.

Der Playmobil-Inhaber Horst Brandstätter feiert seinen 80. Geburtstag. 59 Jahre führt er bereits sein Unternehmen Geobra Brandstätter, 39 Jahre davon begleiten ihn bereits die Playmobilfiguren. Hier präsentieren sie sich etwa im Ägypten-Look. Quelle: dpa

Ein Jahr später stellte Geobra Brandstätter während der Nürnberger Spielzeugmesse erstmals drei Spielfiguren vor: einen Ritter, einen Indianer und einen Bauarbeiter. Die Figuren schlugen ein und ließen den Unternehmensumsatz von damals 20 Millionen Mark innerhalb von drei Jahren auf 100 Millionen anschwellen. Mittlerweile haben sich um die drei Ursprungs-Figuren eine Vielzahl von Varianten und Themenwelten gruppiert. Allein für 2013 hat Brandstätters Unternehmen 118 neue Spielideen vorgesehen, die von „Ferien auf dem Campingplatz“ bis zu Abenteuern im „Asia-Drachenland“ reichen.

Diese Spielwelten sind laut dem Kinder- und Jugendmarktforscher Axel Dammler das Erfolgsrezept von Playmobil. „Es sind vor allem die klassischen Welten, wie das Piratenschiff oder das Ritterschloss, die die Kinder aus Geschichten und Medien kennen, und in denen sie gerne spielen wollen“, sagt der Chef der Unternehmensberatung Iconkids & Youth. Dies beschert Playmobil einen Anteil von 7,5 Prozent am deutschen Spielwarenmarkt, womit das fränkische Unternehmen auf Rang 3 hinter Lego und Mattel landet.

Warum Playmobil auf Lizenzen verzichtet

Die größten Spielzeughersteller der Welt
Der weltgrößte Spielzeugproduzent und Barbie-Hersteller Mattel ist auch auf dem deutschen Spielwarenmarkt die Nummer eins. Seit mehr als 50 Jahren ist es die hohe Nachfrage nach Barbie-Puppen, die die Geschäfte des kalifornischen Unternehmens ankurbelt. Im vergangenen Quartal setzte Mattel etwa zwei Milliarden Dollar um. Quelle: dapd
Hätten Sie's gewusst? Jeder Mensch besitzt - rein statistisch - 75 Legosteine. Allein die im Jahr 2010 verkauften Legosteine würden ein Gebäude von 5000 Quadratmetern Grundfläche mit einer Höhe von 52 Stockwerken ergeben. Mit der Produktion von 381 Millionen kleiner Reifen ist der dänische Spielwarenriese Lego auch einer der größten Reifenhersteller der Welt. 2010 machte das Unternehmen einen Umsatz von umgerechnet 2,15 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 500 Millionen Euro. Quelle: dpa
Komplett mit Gardinen und Dachaufbau: Mit einer Reihe von Automodellen wie dem VW-Bulli zielt der Konzern auch auf die erwachsene Zielgruppe. Der rote Kultwagen T1 aus dem Jahre 1962 kostet knapp 100 Euro und besteht aus genau 1322 Teilen. Lego hat auch einen Unimog mit über 2000 Teilen und pneumatisch betriebenem Kran sowie zahlreiche andere Technik-Produkte erfolgreich auf den Markt gebracht. Allein vom 190 Euro teuren Unimog verkaufte der Konzern in Deutschland bislang rund 60.000 Exemplare. Quelle: Lego
Der US-Konzern Hasbro, zu dem Marken wie Parker, Play-Doh und Monopoly gehören, kommt in Deutschland auf einen Marktanteil von etwa neun Prozent und zählt mit Mattel und Lego zu den größten Playern auf dem Spielzeugmarkt. Nach vorläufigen Berechnungen kommt der Konzern für 2011 auf einen Umsatz von etwa 4,35 Milliarden Dollar. Quelle: gms
Die Simba-Dickie-Group: 2011 hatte der international operierende Spielwarenhersteller seinen Umsatz um neun Prozent auf 620 Millionen Euro gesteigert. Er wuchs damit stärker als die Branche und hat auf dem deutschen Spielwarenmarkt einen Marktanteil von 7,6 Prozent. Quelle: dapd
Zu dem Bobby-Car-Hersteller gehört auch die traditionsreiche Spielzeugmarke Schuco, die in diesem Jahr 100 wird. Quelle: dpa
Die größte deutsche Spielwarenmarke Playmobil stellt seine Männchen seit 40 Jahren auf Malta her - bis Ende 2011 etwa 2,4 Milliarden. Weil der Umsatz 2011 erstmals seit Jahren stagnierte, geht der Konzern jetzt in die Vollen: 2012 sollen mehr als 80 Millionen Euro in neue Maschinen, Formen und Gebäude gesteckt werden. Das sind rund 15 Prozent vom Umsatz der Gruppe aus dem fränkischen Zirndorf. Mit einem Umsatz von 559 Millionen Euro gehört das Unternehmen in der zersplitterten Spielwarenbranche zu den größten Anbietern. Quelle: dpa

Konkurrent Lego setzt zwar ebenfalls auf Themenwelten und schlichte Figuren, die die Fantasie anregen. Der Unterschied zwischen den Spielzeugplatzhirschen liegt jedoch darin, dass Lego außer auf sein Bauklötzchensystem auch auf Lizenzprodukte setzt – wie beispielsweise für "Star Wars" oder "Spongebob Schwammkopf". Auf solche Produkte verzichtet Horst Brandstätter und will dies auch in Zukunft tun. Sein Argument: Einerseits sind solche Lizenzen teuer, andererseits überlebe sich solches Spielzeug schnell.

Spielwarenexperte Axel Dammler ist da geteilter Ansicht: „Wenn Playmobil ein Raumschiff herausbringt, dann tut es sich schwer mit dem Star-Wars-Raumschiff von Lego zu konkurrieren.“ Außerdem sei es für Playmobil schwieriger einen Hype um seine Themenwelten zu inszenieren. Bei Lizenzprodukten sei dies kein Problem, da sie etwa von der Strahlkraft des jeweiligen Films zehren.

Klötzchen, aus denen Kinderträume gebaut werden
Es sind noch einmal 18 Legosteine mehr geworden: 2007, beim 75-jährigen Jubiläum des dänischen Spielzeugherstellers, besaß jeder Mensch im Durchschnitt 62 Legosteine. Zum 80-jährigen Jubiläum sind es schon 80 Legosteine. Jeder Mensch in jedem Alter auf der ganzen Welt wohlgemerkt besitzt statistisch gesehenen so viel Legosteine - die kleinen bunten Kunststoffquader sind längst nicht mehr nur ein Kinderspiel, sondern werden auch von Erwachsenen wieder für sich entdeckt. Quelle: Lego
Die Geschichte des nach Umsatz heute drittgrößten Spielzeugherstellers der Welt ist die Geschichte eines einfachen Tischlers, der sich auch von Widrigkeiten des Lebens nicht vom Kurs abbringen ließ. Ole Kirk Christiansen kam 1891 in der damals bitterarmen Region Jütland zur Welt. 1916 machte er sich als Schreiner und Tischler selbstständig, 1924 brannte seine erste Werkstatt mitsamt seinem Haus ab, nachdem zwei seiner vier Söhne mit Feuer gespielt hatten. Quelle: Lego
Christiansen baute acht Jahre später eine neue Werkstatt auf und gründete am 10. August 1932 in Billund seine Fertigung von Bügelbrettern, Stühlen und Holzspielzeug. Die Umstände für die Geburtsstunde des Unternehmens hätten nicht ungünstiger sein können: Nur gut einen Monat danach starb Christiansens Frau, obendrein brach die Weltwirtschaftskrise ein. Doch der Tischler zeigte sich zäh. Er holte seinen gerade zwölf Jahre alten Sohn Godtfred Kirk in die Firma. Zwei Jahre später erfand er den heutigen Namen. Es ist eine Kurzform von Leg godt, was übersetzt Spiel gut heißt. Quelle: Lego
Der alte Christiansen legte die Basis des Unternehmens, sein junger Sohn war der begnadte Tüftler für die Weiterentwicklung. 1935 entwickelt Lego das erste Konstruktionsspielzeug, bald hing das Familienmotto „Nur das Beste ist gut genug“ auf einem Holzschild in der Werkstatt. Den Durchbruch schaffte die Familie mit der Abkehr vom bisherigen Material Holz. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs schaffte Lego als erste Firma in Dänemark eine Kunststoff-Spritzgussmaschine an und begann mit dem Material zu experimentieren. Quelle: Lego
Zu den ersten durch die Maschine möglich gewordenen Neuerfindungen gehörten die so bezeichneten sich „automatisch verbindenden Steine“, ein Vorläufer der heutigen Legosteine. Sie hatten vier und acht Noppen und wurden nur in Dänemark angeboten. 1954 lernte Godtfred Kirk bei einer Schiffsreise nach Großbritannien einen Einkäufer kennen, der der Meinung war, dass es Spielzeug an System fehlt. Es wurde ein wegweisendes Gespräch: Der nun voll in die Unternehmensführung integrierte Junior entwickelte die Idee für das Lego-System. Quelle: Lego
1955 gab es im Lego System 28 verschiedene Baukästen. Als Christiansen diese auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorstellte, gab es allerdings ein vernichtendes Echo. Für den deutschen Markt sei Lego vollkommen ungeeignet. Dennoch setzte Lego voll auf Expansionskurs und gründete 1956 seine erste Auslandsfiliale in Hohenwestedt in Schleswig-Holstein. Quelle: Lego
Technisch wurde das Jahr 1958 das entscheidende: Denn bislang hielten die Ur-Legosteine nur mäßig zusammen. Doch in diesem Jahr patentierte Lego die Fortentwicklung der Steine, die seitdem außer Noppen an der Oberseite auch Röhren in der Unterseite haben und stabil zusammenhalten. Quelle: Lego

Dafür habe Playmobil den Vorteil, dass seine Spielwaren zeitloser seien und mehr die Fantasie der Kinder anregen. „Wenn ich eine Darth-Vader-Figur habe, kann ich Darth Vader sein. Wenn ich aber eine schlichte Playmobilfigur habe, kann ich alles sein“, sagt Dammler. Zudem würden viele Lizenzprodukte schnell verfliegen. So hat Lego vor einigen Jahren eine „Fluch der Karibik“-Spielwelt herausgebracht: „Ein Jack Sparrow von Lego ist vielleicht ein, zwei Jahre cool, aber der Playmobil-Pirat ist immer cool.“ Letztlich macht der Mix aus Kontinuität mit immer wieder auftretenden Neuheiten das Erfolgsrezept von Playmobil aus.

Trotz des Erfolges der Figuren: Sich davon abhängig machen, möchte Horst Brandstätter nicht. Im Jahr 2000 baute der damals 67-Jährige ein zweites Standbein, das mit dem bisherigen Spielzeug-Geschäft nichts zu tun hatte: Er setzte auf Blumentöpfe und Pflanzenkübel als neuem Geschäftszweig. Damit widersetzte er sich allen Kritikern, die warnten, dass er sich in dieser Branche nicht auskenne und keine Kontakte zum Blumenhandel hätte.

Wie Brandstätter sein Unternehmen führt

Die Bilanz seines Engagements spricht an seinem 80. Geburtstag für Brandstätter: 46,9 Millionen Euro erzielten Lechuza-Gefäße im Jahr 2012. Damit ist Lechuza zwar noch keine gleichwertige zweite Säule neben Playmobil, aber eine Einnahmequelle, die sich sehen lassen kann.

Immer wieder ging Brandstätter neue Wege. Als er 1954 die Firma übernahm, stellte er die Produktion von Metall- auf Kunststoffspielzeug um und feierte vier Jahre später seinen ersten Erfolg mit der Produktion von Hula-Hoop-Reifen. Nach seinen zwei weiteren großen Coups, der Einführung von Playmobil und Lechuza-Kübeln, setzt Brandstätter auf Expansion. So viel, wie dieses Jahr, hat Brandstätter noch nie investiert: 100 Millionen Euro hat der Inhaber vorgesehen, davon geht die Hälfte in ein neues Logistikzentrum im fränkischen Herrieden. Am 28. Mai wurde der Spatenstich für den 55.000 Quadratmeter großen Gebäudekomplex gefeiert, in dem Playmobil-Produkte gelagert und in die ganze Welt verschickt werden sollen.

Beim Spatenstich war der betagte Inhaber natürlich dabei. Auch wenn er das Alltagsgeschäft mittlerweile an seine frühere Marketing-Chefin Andrea Schauer abgegeben hat, schaut er seinen Mitarbeitern stets auf die Finger. Selbst im Urlaub lässt er sich täglich Berichte zuschicken und mischt sich bei Bedarf ein. Auch mit 80 Jahren gibt Horst Brandstätter das Zepter noch nicht vollständig aus der Hand.

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