Erster Auftritt des neuen VW-Chefs VW soll ein loser Verband sein, kein Panzerkreuzer – das ist die Strategie von Diess

Bei seinem ersten Auftritt als VW-Konzernchef beschreibt Herbert Diess seine Strategie mit Militär-Vergleichen. Die Macht im Konzern verteilt er neu.

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Wolfsburg Herbert Diess gibt sich alle Mühe, keine Unruhe aufkommen zu lassen. Bei seinem ersten Auftritt nach der Ernennung zum neuen Konzernchef vor Journalisten will der geborene Münchener am Freitag in Wolfsburg den Eindruck vermeiden, er habe sich hinterrücks an die Konzernspitze geputscht.

Nach den einführenden Worten von Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch bedankt sich Diess immer wieder bei seinem Vorgänger Matthias Müller und lobt ihn. Dieser habe die „Grundlage geschaffen“ und den „Kulturwandel glaubhaft gelebt“. Pötsch sekundiert: Müller habe „Herausragendes geleistet“.

Das Lob für Müller ist wichtig, um die Gemüter zu beruhigen. Bis in den Vorstand hinein reicht die Verunsicherung nach der überraschenden Demission des Konzernchefs.

Er selbst wolle die schon beschlossene Strategie nicht ändern, erklärt Diess. Es gebe keinen Anlass für einen radikalen Umbau. Doch müsse Volkswagen in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld sein Tempo erhöhen.

Überlegungen zu Markengruppen habe es schon länger gegeben, betont Diess. Die finale Strategie habe er mit einem „engen Kreis mit den Stakeholdern“ entwickelt. Allen sei bewusst, wie dynamisch sich die Branche in den kommenden Jahren verändern werde.

Das Management wolle darum künftig schneller entscheiden. „Unser Ziel ist, Volkswagen in Ertragsstärke, Innovationskraft und Nachhaltigkeit zu einem der Führenden in der Industrie zu machen.“

Dann erläutert er die Details, die in weiten Teilen schon vor seinem Auftritt bekannt waren. Insgesamt werde der Konzern in sechs Bereiche aufgeteilt, die unter dem Dach einer Holding stehen sollen. Die Region China werde separat geführt

VW, Skoda und Seat sollen zu einer Volumengruppe zusammengefasst werden, die Diess persönlich leiten wird. Als neuer starker Mann soll er auch für die Fahrzeug-IT und die Entwicklung verantwortlich sein.

Um Diess zu entlasten soll ein neuer Chief Operating Officer an Bord geholt werden. Eine „rechte Hand“ für Diess mit der Aufgabe, dem Konzernchef das mühsame Tagesgeschäft abzunehmen. Die Stelle wolle man intern besetzen, betont Diess. Wer aufrückt, ist allerdings unklar.

Auch Audi-Chef Rupert Stadler soll in der neuen Konzernstruktur eine wichtige Rolle übernehmen. Er soll mit Audi die neue Premium-Gruppe des Konzerns leiten, sowie den konzernweiten Vertrieb.

Perspektivisch müsse man die „Führungsfrage in diesem Segment“ wieder stellen, betont Diess und gibt damit gleich die Leitlinie für Stadler vor. Er soll den Rückstand auf die Konkurrenten Daimler und BMW verringern.

Die Marken Lamborghini und Ducati sollen wie bislang weiter von Audi geführt werden. Perspektivisch prüfe man aber, die beiden Marken anderweitig in die Konzernstruktur zu integrieren, erklärt Stadler.

Die dritte große Gruppe im künftigen VW-Reich sollen die „Super-Premium“-Marken Porsche, Bugatti und Bentley bilden. Hier soll Porsche-Chef Oliver Blume die Führung übernehmen. Er rückt neu in den Vorstand auf und soll künftig die konzernweite Produktion verantworten.

Mit der strukturellen Trennung von Audi und Porsche vermeidet Diess einen Machtkampf der Premiummarken im eigenen Konzern. Seit Überlegungen über eine Aufteilung in Markengruppen im VW-Konzern kursieren, hatten beide Premiumtöchter befürchtet, womöglich künftig aus der Zentrale der anderen Premiummarke heraus kontrolliert zu werden. Im neuen Konstrukt ist das anders.

Den vierten großen Block sollen die Lkw-Marken MAN und Scania bilden, die bereits in der „Truck & Bus GmbH“ unter einem Dach arbeiten. Spartenvorstand Andreas Renschler soll die beiden Lkw-Riesen fit für den Börsengang machen und einen neuen „Global Player“ formen, so will es der Aufsichtsrat. Dafür hat Renschler allerdings noch Zeit. Der Börsengang sei „sicher kein Thema für 2018“, betonte Pötsch bei der Pressekonferenz in Wolfsburg.

Pötsch bestätigte zudem, dass die „Truck & Bus“ getaufte Sparte ihren Hauptsitz von Braunschweig nach München verlagern wird. MAN hat als Teil des Nutzfahrzeuggeschäfts seinen Sitz ohnehin in München. Der Konzern wolle aber die „volle Kontrolle“ über das Lkw-Geschäft behalten, betonte Pötsch.

Die leichten Nutzfahrzeuge wie den Lieferwagen Crafter verantwortet Nutzfahrzeug-Chef Renschler jedoch nicht. Sie sollen der Volumengruppe unter Führung von Diess zugeordnet werden.

Finanzvorstand Frank Witter soll nach den Vorstellungen des neues Konzernchefs auch die IT des Unternehmens leiten. Auf die Schaffung eines Vorstandsressorts für Digitalisierung habe man verzichtet, um „kein zusätzliches Silo“ zu schaffen, sondern die Digitalisierung „nah am Geschäft“ umzusetzen, betonte Diess.

Neu im Vorstand ist Personalvorstand Gunnar Kilian. Der enge Vertraute von Betriebsratschef Bernd Osterloh und langjährige Sprecher der Arbeitnehmer soll nun in Verhandlungen die Interessen des Konzerns vertreten.

Einen Interessenskonflikt sieht Aufsichtsratschef Pötsch hier nicht. Kilian sei ein analytisch genug, habe bewiesen, dass er große Projekte über die reine Betriebsratsarbeit hinaus umsetzen könne.

Der langjährige Einkaufschef Francisco Garcia Sanz scheide auf eigenen Wunsch aus. Kommissarisch soll seine Position von Ralf Brandstätter übernommen werden, der bislang schon den Einkauf der VW-Kernmarke leitete und damit ein enger Vertrauter von Diess ist. Unter seiner Führung steht damit auch das Komponentengeschäft, dessen Zukunft ungeklärt ist.

Man wolle sich genau anschauen, welche Geschäftsbereiche man ausbauen wolle, aber auch Verkäufe seien denkbar, erklärte Diess.

In der abschließenden Fragerunde erklärte Aufsichtsratschef Pötsch noch einmal detaillierter, warum sich die Aufseher am Ende für Diess entschieden. Man habe eine Führung gewollt, die noch an Bord sei, wenn die Folgen der heutigen strategischen Entscheidungen eintreten würden.

Der Vertrag von Matthias Müller wäre 2020 ausgelaufen. Ohnehin kratzte Müller mit seinen 64 Jahren schon an der Altersgrenze des VW-Konzerns, die bei 65 Jahren liegt. Der 60-jährige Diess soll mit einen Fünf-Jahres-Vertrag erhalten.

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