Esprit Wie die Modemarke Zara und H&M einholen will

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Die Konsequenzen

Auch war, was in den Läden landete und womöglich den Geschmack der Kunden traf, lange Zeit meist zu teuer. „Wir waren beim Preis weit weg von den Realitäten im Markt“, so Martinez. Bot die Konkurrenz Sweatshirts für 29,99 Euro an, verlangte Esprit 39,99 oder gar 45,99 Euro. Die Kluft wurde jedoch nicht durch besonders modische Schnitte oder spürbar höhere Qualität wettgemacht. Martinez will das jetzt ändern; auch, indem er die Zahl der Lieferanten von 352 auf 226 reduzierte.

Die beliebtesten Textilhersteller

Um den Verlust zu begrenzen, hat Martinez zudem die Kosten an den gesunkenen Umsatz anpasst. Von 1100 eigenen Läden bei seinem Amtsantritt sind keine 900 mehr übrig, von 10 700 noch gut 9000 Mitarbeiter. Die Schrumpfkur ist nicht abgeschlossen, Martinez schließt weiter Läden oder verkleinert sie, wenn er sie für überdimensioniert hält. Auch das Angebot ist deutlich spärlicher. Seit Februar bringt Esprit statt zwölf nur noch vier Kollektionen in die Läden, für jede Jahreszeit eine. Gleichzeitig hat eine Kollektion 40 Prozent weniger einzelne Teile.

Die Abhängigkeit von den großen Kaufhäusern hat Martinez verringert – was sich allerdings zum Teil durch Kaufhaussterben und Auslistung auch von selbst erledigte. Inzwischen verkauft Esprit deutlich mehr in eigenen Läden oder über Franchisenehmer als bei externen Händlern. Galt Esprit in Zeiten des Höhenflugs als arrogant, schickt der Chef heute ein persönliches Entschuldigungsschreiben, wenn Ware verspätet bei Franchisenehmern eintraf.

Doch ob das reicht, ist fraglich. Denn zum Wettbewerb mit Zara und Primark kommt der wachsende Preisdruck durch Internetanbieter wie Amazon und Zalando. Um denen Paroli zu bieten, geht Martinez ins Risiko: Die Filialen sollen Kundenkarten ausstellen. Kauft der Kunde dann im Onlineshop von Esprit, bekommt der Franchisenehmer auf die Einkaufssumme dieses Kunden eine Provision von fünf Prozent. Er kenne keine andere Marke, die ihr Internetgeschäft „so großzügig mit Handelspartnern teilt“, sagt Esprit-Digital-Chef Jürgen Michelberger.

Die umsatzstärksten Modehändler der Welt

Doch der Ansatz mag zwar Kunden binden, kostet Esprit jedoch Marge. Branchenkenner interpretieren das Bonbon vor allem als Gabe zur Besänftigung frustrierter Franchisenehmer, die über die Jahre die Geduld mit Esprit verloren haben und nun mit einem Obolus bei der Stange gehalten werden sollen.

„Ob bei einer Provision von fünf Prozent diese Onlineumsätze für Esprit überhaupt noch rentabel sind, möchte ich bezweifeln“, sagt Peer Hohn, Gründer und Geschäftsführer der Firma Phizzard in Berlin, die Digitaldienstleistungen im stationären Modehandel erbringt. Die meisten Onlineshops in Deutschland hätten eine Umsatzrendite von unter fünf Prozent, auf die Esprit hier verzichte. Umgekehrt stelle die Provision für Franchisenehmer keinen adäquaten Ausgleich für den Verlust des Umsatzes dar: „Kauft der Kunde im Laden, kann ein Modehändler etwa 40 bis 50 Prozent des Umsatzes als Rohertrag verbuchen“, sagt Hohn.

Wieder Wachstum in Deutschland

Martinez lässt sich dadurch von seinem Kurs nicht abbringen, macht auf Optimismus. „Seit wir im Februar die neu entwickelten Kollektionen in die Läden gebracht haben, ist unser Einzelhandelsgeschäft wieder gewachsen.“ Der Trend setze sich fort, auch im Herbst sei die Entwicklung erfreulich gewesen: „In Deutschland wachsen wir wieder und erzielen höheres Wachstum im Vergleich zum Vorjahr als der übrige Bekleidungsmarkt.“ Die Kapitalseite – größte Anteilseigner sind der Finanzinvestor Sun Life und der Hedgefonds Lone Pine Capital – verlängerte gerade seinen Vertrag als Verwaltungsrat. Sie setzen auf Gedeih und Verderb auf den Spanier, dessen Vorstandsvertrag unbefristet ist.

Marktbeobachter sind skeptischer: „Für Esprit bin ich nicht sehr optimistisch, dass sie die Wende noch hinbekommen“, sagt der Chef eines deutschen Modeherstellers. „Im Prinzip muss sich die Marke komplett neu erfinden.“

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