




Von Hans-Jürgen Klesse, Mark Fehr, Anke Henrich, Matthias Kamp, Julia Leendertse, Lothar Schnitzler, Harald Schumacher, Martin Seiwert
Die Nachricht platzte ins Sommerloch wie eine Bombe: Der britisch-niederländische Ölmulti Royal Dutch Shell werde aus Angst vor der Euro-Krise gut zwölf Milliarden Euro – fast seine gesamten Barmittel – außerhalb Europas anlegen, vor allem in US-Staatsanleihen und bei amerikanischen Banken. Es gebe „ein Umdenken hinsichtlich unserer Bereitschaft, Kreditrisiken in Europa einzugehen“, zitierte die britische „Times“ Finanzvorstand Simon Henry.
Alles übertrieben, bemühten sich Shell-Sprecher um eine Beruhigung der Öffentlichkeit, nachdem Henrys Bemerkungen die Runde gemacht hatten. Von einer Verlagerung könne keine Rede sein, man brauche weiter Liquidität in Europa, um dort Projekte am Laufen zu halten. „Shell muss in Dollar einkaufen, da der Rohölmarkt weltweit in Dollar läuft“, relativiert auch Volkhard Emmrich, Partner und Finanzexperte der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner, „um Währungsrisiken zu vermeiden, ist es generell sinnvoll, die Gelder in der Währung vorzuhalten, in der man einen Großteil seiner Einkäufe abwickelt.“ Das Beispiel sei kein Indiz für eine Euro-Flucht großer Konzerne, zumal der Dollar „kein Stück sicherer“ als der Euro sei.

Konzerne meiden Südeuropa
Allerdings gehen auch andere internationale Konzerne auf Distanz zum Euro, zumindest soweit die Zahlungen aus den südlichen Krisenländern stammen: Die britische International Airline Group (British Airways, Iberia) etwa hat den Anteil ihrer Kontobestände bei Banken auf der Iberischen Halbinsel von 27 auf nur noch 3 Prozent verringert. Der Pharmahersteller GlaxoSmithKline meidet Südeuropa ganz und legt seine Barreserven nur noch in Deutschland an. Konkurrent AstraZeneca wiederum hat ein sogenanntes Eurozone Credit Committee gegründet, das darüber wacht, dass sich nicht zu viel Liquidität in den Süd-Ländern ansammelt.
Unabhängig davon, in welchem Ausmaß Multis wie Shell und Co. tatsächlich vom Euro in den Dollar wechseln und aus welchen Motiven: Alle Unternehmen, die ihren Hauptsitz, ihre Kunden oder Zulieferer in der Euro-Zone haben, stehen heute vor der Frage, wie sie sich angesichts der ungelösten Schuldenkrise der südeuropäischen Mitgliedsländer und des Drucks auf die Gemeinschaftswährung verhalten sollen.
Kurzfristig geht es darum, was mit den für das laufende Geschäft notwendigen liquiden Mitteln passieren soll: Anlegen – aber wo? Ausgeben – aber wofür? Umschichten – aber wie? Und vor allem: Kann man den Banken noch trauen – wenn ja, welchen? Wenn nicht – gibt es Alternativen?
Langfristig ist die Euro-Krise nicht nur ein Problem für die Unternehmen. Sie droht auch die wirtschaftliche Zukunft Europas zu gefährden, weil Konzerne abwandern. „Die unsichere Zukunft des Euro ist längst keine Frage mehr, die allein die Finanzressorts beschäftigt“, sagt Axel Roos, Partner der Beratung Boston Consulting Group (BCG), „vor allem für internationale Konzerne stellt sich jetzt die strategische Frage, wo auf der Welt sie in den kommenden Jahren wachsen können und wollen.“