
WirtschaftsWoche: Herr Engel, vor zwei Wochen hat Evonik den geplanten Börsengang abgesagt. Ende Mai waren Sie noch optimistisch, dass es klappt. Was ist schiefgelaufen?
Klaus Engel: Ein Fußballspiel ist zu Ende, wenn Sie das Ergebnis auf der Anzeigetafel im Stadion sehen. Wenn es hagelt, muss es abgebrochen werden. Das hat der Schiedsrichter bei dem Spiel Ukraine gegen Frankreich bei der Europameisterschaft getan. Angesichts der verhagelten Marktlage haben auch unsere Eigentümer den Börsengang abgebrochen. Das ist bitter, aber kein Beinbruch. Evonik ist in Bestform – der Kapitalmarkt leider nicht.
Lagen die Erwartungen, die sich an hochprofitablen Nischenanbietern statt an Wettbewerbern wie BASF und Lanxess orientiert haben, nicht zu hoch?
Die Einschätzungen der Banken, in welcher Vergleichsgruppe der Markt uns einordnen würde, hätten schon präziser sein können und waren unter den schlechten Marktbedingungen sowieso nicht zu realisieren.
Evonik gehört weiterhin mehrheitlich der RAG-Stiftung, die von 2019 an die Folgekosten des Steinkohlebergbaus tragen soll. Im Kuratorium der Stiftung sitzen Gewerkschafter, der Bundesfinanz- und der -wirtschaftsminister sowie die Ministerpräsidentinnen Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes. Wird Evonik nun zum Spielball der Politiker?
Evonik war und ist kein Spielball der Politik. Meine Vorstandskollegen und ich führen den Konzern mit dem Ziel, den Wert des Unternehmens zu steigern und Mehrwert für unsere Stakeholder zu schaffen. Große unternehmerische Entscheidungen bespreche ich rechtzeitig mit meinem Aufsichtsrat, meinen Gesellschaftern und selbstverständlich auch mit der Gewerkschaftsspitze. Wir sind klug beraten, uns auch mit der politischen Führung in Land und Bund darüber auszutauschen. Wenn Sie das Industriepolitik nennen, dann bin ich dabei – und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.

Werden die Politiker nun noch mehr Einfluss bei Evonik nehmen?
Mit mir wird Evonik keine WestLB. Wir werden in die globale Champions League der Chemiekonzerne aufsteigen. Das ist unser Ziel. Im Übrigen, wer uns dabei unterstützen möchte, ist willkommen.
Im August laufen die Verträge von sechs Mitgliedern im Stiftungskuratorium aus. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kann allein drei Posten neu besetzen, über die ihr CDU-Vorgänger Jürgen Rüttgers verfügt hatte...
...mit dem ich ausgezeichnet zusammengearbeitet hatte. Wie im Übrigen auch mit Frau Kraft. Sie ist eine sehr kompetente und absolut verlässliche Gesprächspartnerin. Ich vertraue ihr...
...auch wenn sie versuchen sollte, den ehemaligen SPD-nahen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller als neuen Stiftungschef zu installieren?
Darüber entscheidet das Kuratorium der RAG-Stiftung. Mit Herrn Müller habe ich im Vorstand in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet – sowie heute mit meinem Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Bonse-Geuking.