Evotec-Chef Lanthaler „Die Biotechindustrie ist die Zukunft nach den Automobilen“

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„Eine VW-Produktionsstraße ist 20 Mal komplexer, als T-Zellen zu isolieren“

Haben Sie denn das Gefühl, dass Biotech jetzt ganz oben steht auf der politischen Zukunftsliste, anstatt auf vermeintliche Glücksfälle zu setzen?
Klar sind Fragen und Forderungen nach einer besseren Förderung jetzt groß. Aber das ist der banalste Wunsch und er greift auch zu kurz. Wichtiger, als 100 Millionen Euro mehr oder weniger auszugeben, wäre eine bessere Verknüpfung zwischen akademischer Grundlagenforschung und der Umsetzung in der Industrie.

Wie könnte eine solche Brücke aussehen? 
Wir brauchen ein besseres Trial-and-Error-System, eine bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Industrie. In den USA kann ein Professor oder eine Professorin kurz rausspringen aus der Uni, ein Biotech-Unternehmen gründen – und wenn es scheitert, dann geht er oder sie zurück in die Uni und dort weiter einer hochwissenschaftlichen Karriere nach. Das ist hier gar nicht möglich. 

Julian Teicke hat mit WeFox eines der erfolgreichsten deutschen Insurtechs gegründet – doch das Geld kommt vor allem von ausländischen Investoren. Warum er sich mehr Wagniskapital aus Deutschland wünscht.
von Sonja Álvarez

Auch beim Wagniskapital ist der Unterschied zu den USA groß. Liegt es allein an den fehlenden steuerlichen Anreizen, dass private Investoren hier deutlich weniger in Start-ups investieren? 
Viele Menschen haben eine unglaubliche Hemmung, wenn sie Menschen wie mich treffen, die nichts anderes können als über Tuberkulose zu sprechen oder therapeutische Antikörper. Dabei ist eine VW-Produktionsstraße 20 Mal komplexer, als T-Zellen zu isolieren. Aber was die Autobauer machen, ist eben ganz, ganz groß, was wir machen, dagegen meistens ganz, ganz klein. 

Aber nicht minder spannend.
Ja, aber es schreckt viele zunächst ab. Die Leute treffen dann vielleicht lieber Menschen, die über Kunst reden. Und in der Folge entstehen mehr Kunstsammlungen als Biotech-Start-up-Investitionen. In den USA gibt es diese Berührungsängste nicht. 

Wovon Sie direkt profitieren, Evotec arbeitet mit der Bill-Gates-Stiftung gemeinsam an Projekten. 
Es ist in den USA ganz normal, dass viel privates Geld in die wissenschaftliche Förderung fließt. Sicher auch, weil die öffentliche Förderung dort anders ausfällt als hier. Aber stellen Sie sich mal vor: Wenn die 3000 reichsten Menschen der Republik nicht nur eine Kunstsammlung eröffnen würden, sondern auch eine medizinische Initiative starten, dann gibt es den notwendigen Wumms in Deutschland. 

Quasi eine Bazooka für Biotech?
Wobei das natürlich ein europäisches Thema ist, denn es bringt ja nichts, wenn jetzt jedes Land anfängt, jede Krankheit isoliert zu denken. Aber wenn man das auf europäischer Ebene durchdenkt, dann ist Biotech eine hervorragende Industrie, um in diesem globalen Wettbewerb zwischen China und den USA als Europa ganz vorne zu agieren. Das geht nur gemeinsam. 

Das Pentagon hat das Potenzial offenbar erkannt, das Bundesverteidigungsministerium plant hingegen kein Projekt mit Ihnen, wie es auf Anfrage mitgeteilt hat. Bedauern Sie das?
Nein, aber es überrascht mich auch nicht. In der amerikanischen Armee gibt es ein ganz anderes Selbstverständnis, sich in Wissenschaftsprojekte hineinzudenken. In den USA gibt’s da hochspezialisierte Ansprechpartner. Wenn’s hier um Hightech geht, dann meint man einen Hubschrauber. Für die Amerikaner ist es komplett logisch, dass sie in Infrastruktur investieren und in medizinische Forschung. 

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Für den Antikörper-Auftrag des Pentagons bauen Sie mit Ihrer US-Tochter Just - Evotec Biologics ein neues Werk in Redmond, Washington. Werden Sie zur Eröffnung fahren?
Ja, ich hoffe, dass wir dann trotz Pandemie hinreisen können. Im zweiten Halbjahr sind wir hoffentlich so weit.

Darf’s denn dann ein Gläschen Schampus sein?
Ja, schauen wir mal. 

Mehr zum Thema: Ist der Aufstieg von Biontech bloß ein Zufall? 

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