Ex-Bilfinger-Straßenbausparte Wie Betam in die Insolvenz gerutscht ist

Beim Verkauf der Bilfinger-Straßenbausparte hat Ex-Chef Roland Koch wohl nicht genau genug hin gesehen: Baustellen stehen still, inzwischen ist Betam insolvent. Nun sind dort rund 450 Jobs in Gefahr.

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Baustelle auf der A7: Seit Wochen steht die Arbeit auf zahlreichen Betam-Baustellen still. Quelle: dpa

Während einer Telefonkonferenz am 12. November 2013 kam der damals noch erfolgsverwöhnte Vorstandschef Roland Koch ins Schwimmen. Auf Fragen der WirtschaftsWoche, warum Bilfinger die verlustbringende Straßenbausparte mit 100 Millionen Euro Jahresleistung und 240 Mitarbeitern an eine unbekannte Neugründung namens Betam verkaufe und wer die drei branchenfremden Investoren hinter Betam seien, wusste der sonst so eloquente Ex-Politiker wenig zu sagen. Genervt rettete er sich in ein Bekenntnis zu den Geschäftspartnern: „Die haben das Know-how, und sie haben das Geld.“

Koch wurde vor einem Jahr bei dem abstürzenden MDax-Unternehmen vom Hof gejagt, weil er weder die Geschäfte noch die selbst angestoßenen Umstrukturierungen im Griff hatte. Nun fällt ihm auch noch der coole Spruch vom Herbst 2013 auf die Füße.

Denn die Betam-Gruppe mit Sitz in Frankfurt und Bochum, durch weitere Zukäufe auf gut 450 Mitarbeiter gewachsen und damit eine Größe im Straßenbau, hat enorme Schwierigkeiten. Baustellen stehen still, Behörden stornieren Aufträge, Löhne werden nicht voll ausgezahlt.

Dabei geraten die Investoren um den früheren Koblenzer Notar Roland Müller nicht zum ersten Mal in Not. Müller ist vorbestraft. Investiert hatte er zuvor in die Brauereibranche und dort mehrere Insolvenzen zu verantworten. Nur drei Monate nachdem Bilfinger Müller Geschäft und Mitarbeiter anvertraute, wurde der heute 58-Jährige vom Landgericht Erfurt wegen Insolvenzverschleppung bei seiner Braugold-Brauerei verurteilt. Der rechtskräftige Richterspruch vom 11. Februar 2014 (AZ 362Js18545/ 0844Cs) bestätigte weitgehend ein erstinstanzliches Urteil von 2011. Die Richter brummten Müller letztendlich 140 Tagessätze à 35 Euro auf. Er hätte die 2007 beantragte Insolvenz seiner Braugold Verwaltungsgesellschaft demnach eineinhalb Jahre früher anmelden müssen.

Gekündigte Aufträge und leere Baustellen

Müller steht für hochfliegende Pläne und krachendes Scheitern. Als „großspurigen Brauvisionär“ beschrieb ihn der Branchendienst „inside-getraenke.de“. Bilfinger räumt ein, vom „erfolglosen Engagement des Investors bei ostdeutschen Brauereien zum Zeitpunkt der Veräußerung“ gewusst zu haben. Dagegen habe Bilfinger aber „keine Kenntnis von einem laufenden Verfahren wegen eines unterlassenen Konkursantrags“ gehabt. Schlecht recherchiert.

Auf welchen Betam-Baustellen die Arbeit stillsteht

Nun geht es – wie zuvor mit der Braugold-Brauerei – mit Betam bergab. Seit Juni liegen diverse Projekte der Firma mit dem gelb-blauen Logo brach:

  • Torsten Conradt, Direktor beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, hat „Zweifel an der Leistungsfähigkeit“ von Betam, weil das Unternehmen bei der Sanierung der A 24 zwischen Hamburg-Ost und Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr „nie die Leistungen erbracht hat, die erforderlich gewesen wären, um den vorgegebenen Fertigstellungstermin zu erreichen“. Conradt hat den Zehn-Millionen-Euro-Auftrag „im Juni gekündigt“.
  • Der Zoo Hannover hat Betam „wegen Untätigkeit“ gekündigt. Ein Neubau unweit des Antilopengeheges lief bis Juni störungsfrei, berichtet Zoodirektor Andreas Casdorff: „Dann war die Baustelle nicht mehr besetzt.“
  • Hans-Michael Bartnick vom Landesbetrieb Mobilität Trier ist „sehr unzufrieden mit der Leistung des Unternehmens“. Betam sollte eine Ortsumgehung für die Stadt Konz bauen. Seit 26. Juni seien keine Arbeiter mehr auf der Baustelle anzutreffen.
  • Auch die Bundeswehr, die Emschergenossenschaft im Ruhrgebiet, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, die Stadt Düsseldorf, der Landesbetrieb Straßen NRW sowie die Autobahndirektion Nordbayern melden Stillstand. Bei den drei Betam-Baustellen in Nordbayern geht es um ein Auftragsvolumen von fast 60 Millionen Euro.

Lieferanten wegen unbezahlten Rechnungen in Not

Auf der Homepage („Mit Erfahrung und Know-how in die Zukunft“) erweckt Betam den Eindruck eines florierenden Unternehmens mit 140 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch Lieferanten versorgen die Baustellen nur noch zögerlich mit Material, die Arbeiter haben nach WirtschaftsWoche-Informationen vom Mai-Lohn nur 600 Euro Abschlag bekommen.

Einzelfälle belegen, dass Betam Lieferanten mit unbezahlten Rechnungen in Not bringt. Ein Baustofflieferant aus Norddeutschland etwa wartet auf mehrere Tausend Euro. Geliefert hat er „wegen der persönlichen Beziehungen zu den Polieren, die ihre Baustellen zuverlässig weiterführen wollten“. Heute würde er „nur noch gegen Vorkasse“ liefern.

Ein schleswig-holsteinischer Subunternehmer, der 2014 für Betam arbeitete, wartet seit mehr als einem Jahr auf Geld aus Bochum, für das er zuvor mit großem Maschinenpark und Personaleinsatz auf Autobahnbaustellen gearbeitet hatte. Der Insolvenzverwalter des Subunternehmers, der zuvor aus anderen Gründen pleitegegangen war, hat Betam auf Zahlung von rund 900.000 Euro verklagt.

„Die Investoren hatten keine Ahnung vom Straßenbau und vertrauten auf einen Manager, der die Branche auch nicht kannte“, erklärt ein Betam-Lieferant die Misere. Der Manager ist Burkhard Irle, einer der ständig wechselnden Betam-Geschäftsführer, der auch bei anderen Projekten für Investor Müller arbeitete.

Das Bilfinger-Geschäftsjahr 2014 nach Sparten

Der neue Betam-Geschäftsführer Helmuth Rauscher wollte zu den Recherchen nicht Stellung nehmen. Investor Müller jedoch bestätigte am 7. Juli gegenüber der WirtschaftsWoche Zahlungsprobleme: „Insolvent sind wir nicht. Wir haben aber ein massives Liquiditätsproblem. Die Situation ist dramatisch.“ Wie dramatisch, zeigte sich am vergangenen Freitag, als Betam Infrastructure beim Amtsgericht Bochum Insolvenz beantragen musste. Auch das Fach-Portal Bauforum hatte über die Vorgänge bei Betam berichtet.

Die Auskunftei Creditreform bewertete Anfang Juli die Bonität der Betam mit „schwach“, der Wert für deren Tochter Betam Infrastructure gelte „als Ausfall“.

Andere Investoren schreckten vor Betam zurück

Warum für Koch Müllers Vergangenheit keine Rolle spielte, warum Bilfinger-Aufsichtsräte wie der IG-Bau-Gewerkschafter Rainer Knerler kein Veto gegen den Verkauf einlegten – die damals am Verkauf der Straßenbausparte Beteiligten werden Fragen beantworten müssen.

Bilfinger spricht heute davon, man sei nach intensiven Prüfungen zum Ergebnis gekommen, „dass es sich um einen ernst zu nehmenden strategischen Investor handelt“. Andere waren skeptischer. 2013 stoppte der Rotterdamer Baukonzern Heijmans den Verkauf seiner deutschen Tochter Oevermann an Müller und seine Partner. „Für uns waren diese Investoren nicht seriös“, urteilte Heijmans damals. Der Grund: deren „aggressives Risiko-Profil“.

Betam plant nun für die Zukunft. „Hier entsteht in Kürze unser neuer Online-Shop für Baumaschinen-Miniaturmodelle“, heißt es auf der Homepage: „Schauen Sie bald noch einmal vorbei!“

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