Eigentlich alles Vergangenheit. Doch nun passiert das, was ein Compliance-Chef natürlich erwartet. Denjenigen Topmanager, die damals Vorgesetzte der Kartellanten waren, wurden und werden von der Staatsanwaltschaft vernommen. Und was machen diese Manager? Sie berichten von Warnungen, die sie an den Chefjuristen gerichtet haben. Das ist zumindest für Vorstände eine billige Ausrede. Denn der Chefjurist, sofern er nicht als Vorstandsmitglied rangiert, ist weisungsgebunden und ein Hinweis aus dem Vorstand wäre für ihn wie eine interne Anzeige behandelt worden.
Schwer vorstellbar, dass Chefjustitiare solches Wissen für sich behalten. Noch schwerer vorstellbar, dass Vorstände nicht nachhaken, wenn sie von ihrem Justitiar lange nichts mehr in der Sache gehört haben. Ganz und gar nicht vorstellbar aber ist, dass ein Vorstand, der den Verdacht eines Schienenkartells hegt, lediglich den Chefjustitiar von seinen brisanten Informationen erzählt und damit seinen Verdacht ad acta legt.
Solches Wissen geben in Dax-Konzernen betroffene Vorstände grundsätzlich an den Vorstandschef weiter. Kremer scheint eine Art Sündenbock zu sein. Solche Leute werden von denen gesucht, die den Staatsanwälten Rede und Antwort stehen müssen. Das wissen Compliance-Vorstände und Chefjuristen in der Regel aus alltäglicher Erfahrung. Oder der Hinweis auf Kremer dient als Ablenkungsmanöver für jemanden, der sich mit Gerhard Cromme nicht anlegen will. Denn was wusste Cromme in der Kartellangelegenheit eigentlich?