Exklusive YouGov-Umfrage Das Kettler-Paradox: Mit vollem Vertrauen in die Pleite

Nach 70 Jahren und der dritten Insolvenz ist Kettler Pleite. 15 Millionen Kettcars verkauften die Sauerländer in der Zeit. Quelle: dpa

Bei Kettler ist seit vergangener Woche Schluss. Eine Umfrage zeigt, wie bekannt das sauerländische Unternehmen in Deutschland für sein Kettcar ist, aber auch Trends verpasste.

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Noch im Frühjahr kündigte Kettler „The greatest comeback ever“ auf der Münchener Sportmesse Ispo an. Der Versuch ist aber gescheitert. Nach 70 Jahren musste Kettler vergangene Woche aufgeben und sich in die Pleite verabschieden. Die dritte Insolvenz innerhalb von vier Jahren war zu viel für das 1949 von Heinz Kettler gegründete Unternehmen. Mit der Schließung geht auch die Geschichte eines mittelständischen Betriebs zu Ende, der das Wirtschaftswunder mitprägte, in der jüngeren Vergangenheit aber Innovationen verpasst hat.

Das zeigt auch eine von YouGov durchgeführte repräsentative Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche. 72 Prozent der Befragten gaben zwar an, dass sie Kettler kennen. Doch die Bekanntheitswerte im Altersvergleich sind auffällig, wie Peter Mannott sagt, Team Manager Custom Research, von YouGov: „Je älter die Befragten sind, desto bekannter ist die Marke. Insbesondere bei Personen unter 35 Jahren sinken die Werte deutlich. Dies lässt den Schluss zu, dass die (Marken-)Kommunikation von Kettler seit geraumer Zeit nicht mehr optimal funktioniert hat.“ 83 Prozent der Deutschen, die älter als 55 Jahre alt sind, gaben an, dass sie Kettler kennen. Bei den 18 bis 24-jährigen ist es nicht mal mehr jeder Zweite.

Die ersten Erfolge feierte Kettler schon in der Nachkriegszeit mit Küchen- und später Campingartikeln. Das bekannteste Produkt von Kettler ist aber ein Tretauto. „Vor allem das Kettcar assoziieren viele mit dem Markennamen,“ erklärt Mannott. Bis heute verkaufte das Unternehmen mit Sitz im Sauerland laut eigener Auskunft über 15 Millionen der kleinen Flitzer für Kinder.

Auch fast 40 Prozent der Befragten von YouGov sind schon mit einem Kettcar gefahren. Immerhin zwei Drittel der Teilnehmer kennen das Kettcar. 1980 bekam es sogar als „mit Pedalen über eine Kette angetriebenes Kinderfahrzeug“ einen eigenen Duden-Eintrag.

Abgesehen vom Kettcar erweiterte das Unternehmen über die Jahre sein Angebot auch in andere Bereiche. Kettler verkaufte (Heim-)Sportartikel, Gartenmöbel und verschiedene Kinderfreizeitartikel. Heute umfasst das Kettler-Portfolio Sportartikel, Gartenmöbel sowie Spielfahrzeuge, Spielgeräte und Büro-Möbel für Kinder. Doch obwohl Kettler seit Jahrzehnten auf Gartenmöbel setzt, verbinden sie nur 30 Prozent der Befragten mit der Marke.

Gut die Hälfte der Befragten bringt Fahrräder mit Kettler in Verbindung. Bei der Gruppe der über 55-jährigen sind es da sogar über 60 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen aber nur noch rund 30 Prozent. Bei Zweirädern erkannte Kettler Trends wie Mountainbikes und E-Bikes viel zu spät.

Insgesamt genießen die Produkte aus dem Hause Kettler aber nach wie vor viel Vertrauen bei den Deutschen. 94 Prozent derer, die Kettler-Produkte benutzt haben, finden, dass sie sich durch hohe Qualität auszeichnen.

Gebracht hat das Kettler nur nichts mehr. Von den verbliebenen 550 Kettler-Mitarbeitern sind schon 400 freigestellt. Die Restlichen sollen nun noch die Produktion abwickeln. Möglicherweise kann der Markenname bestehen bleiben. Kettcars „Made in Germany“ rollen dann aber nicht mehr aus dem Werk im Sauerland.

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