Experte fordert nach Explosion Stadt und BASF sollen Messergebnisse offenlegen

Nach der Explosion und den Bränden bei der BASF vom Montag stieg eine riesige Qualmwolke auf. Ein Experte fordert nun die Offenlegung der Messergebnisse. Die Kommune will am Freitag reagieren.

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Nach dem Unglück auf dem Werksgelände des Chemiekonzerns werden zwei Mitarbeiter weiterhin vermisst. Quelle: dpa

Ludwigshafen Nach der Explosion bei der BASF in Ludwigshafen wächst die Kritik an der Informationspolitik von Stadt und Unternehmen. Oliver Kalusch, Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesumweltministerium, forderte am Donnerstag im SWR, die Kommune solle offenlegen, welche Luftwerte nach dem Unfall gemessen worden seien.

„Es geht darum, dass die Stadt ihrer Pflicht zur aktiven Informationsübermittlung nachkommt. Das heißt, über die Medien jetzt sagt, welche Schadstoffe sind ausgetreten, in welchen Konzentrationen, und wie ist das zu bewerten“, sagte Kalusch in der Sendung „Zur Sache Rheinland-Pfalz!“. „Es ist absolut nicht akzeptabel, dass nicht bekannt ist, was genau die Situation ist.“

Eine BASF-Sprecherin sagte dazu, das Unternehmen habe seine Messergebnisse an die Ludwigshafener Feuerwehr weitergegeben. Bei der städtischen Pressestelle hieß es: „Wir werden unsere Werte veröffentlichen.“ Die Kommune lud für Freitag zu einer Pressekonferenz ein, bei der ihre Messstrategie und -ergebnisse offengelegt werden sollen. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte gefordert, die Feuerwehr solle ihre Messungen so schnell wie möglich offenlegen, um „die betroffene Bevölkerung umfassend zu informieren“.

Am Donnerstag gab es erneut einen Feuerwehreinsatz der Werkstruppe im südlichen Geländeteil. Sie wurde verständigt, um einen möglichen Temperatur- und Druckanstieg in einem Behälter zu verhindern. Durch die Beimischung eines Produkts sei die Situation entschärft worden. In dem Behälter befinden sich Ammoniak, das bei Erwärmung explodieren kann, und Ethylenoxid, das ein extrem entzündbares Gas ist. Beides seien wichtige Grundchemikalien für die Herstellung zahlreicher Produkte. BASF gab am Abend noch Entwarnung. Der Einsatz sei erfolgreich beendet worden, sagte eine Sprecherin. Sicherheitshalber waren Mitarbeiter im Umkreis von 100 Metern aufgefordert worden, die Gebäude nicht zu verlassen. Der Chemiekonzern fuhr unterdessen wichtige Anlagen wieder hoch.

Bei Arbeiten an einer Rohrleitungstrasse im Landeshafen Nord hatte es am Montag eine Explosion gegeben, bei der zwei Mitarbeiter der Werksfeuerwehr getötet wurden. Vermutlich starb auch der Matrose eines Tankschiffes. Mehr als 20 Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Es bildete sich eine riesige Rauch- und Rußwolke. Die Bürger waren aufgefordert worden, sicherheitshalber Fenster und Türen geschlossen zu lassen und sich nicht zu lange im Freien aufzuhalten.

Am Mittwoch hatte das Umweltministerium in Mainz mitgeteilt, die Messungen des Landesamtes für Umwelt hätten ergeben, dass es in der Stadt während des Brandes und danach keine Überschreitung der Grenzwerte gegeben habe. Allerdings seien die Messstationen des Amtes „nicht speziell für solche Schadensereignisse“ installiert. Am Donnerstag hob die Stadt die Sicherheitshinweise für ein Gewerbegebiet in der Nähe des Unglücksortes auf – es war die letzte Gegend, für die die Empfehlungen noch gegolten hatten.

Kalusch bezog sich auch auf das Alter der BASF-Anlagen. „Die Anlage der BASF ist etliche Jahrzehnte alt und natürlich nimmt dann die Häufigkeit von Ereignissen zu. Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass die BASF im Moment ein vernünftiges Management in dieser Richtung hat.“ Die BASF-Sprecherin sagte, das Unternehmen halte die vorgeschriebenen Wartungsintervalle ein. Zudem investiere BASF in die Instandhaltung. BASF-Vorstandschef Kurt Bock will sich am 27. Oktober bei einer Quartals-Pressekonferenz zu dem Unglück äußern.

Die Ludwigshafener Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ berichtete unterdessen von einem Handyvideo, das ein Lkw-Fahrer kurz vor der Explosion gemacht habe. Darauf sei zu sehen, wie ein Arbeiter versuche, Flammen am Rohrgraben mit einem Feuerlöscher zu bekämpfen. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Hubert Ströber, sagte, er habe bisher nichts von dem Video gewusst. Nach seinen Angaben sollte am Donnerstag eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Unglücksstelle aufsuchen, um mit den Sachverständigen zu klären, „welche Befunde vor Ort erhoben werden können“ und „was der Sicherung bedarf“. „Wir wollen die BASF nicht unnötig blockieren“, sagte Ströber, aber Beweismittel müssten erhoben werden.

Die BASF-Sprecherin sagte, erst wenn der Explosionsort von den Ermittlern freigegeben werde, könne man sagen, wie groß der Schaden sei. Sie bestätigte, dass das Unternehmen einen unabhängigen Sachverständigen einschalten werde. Zum Schaden, der infolge des Produktionsausfalls entstehe, könne man noch nichts sagen, hieß es.

Ströber präsentierte unterdessen weitere Erkenntnisse zur Ludwigshafener Gasexplosion von 2014, bei der zwei Menschen getötet und 22 verletzt worden waren. Damals war an der Schnittstelle der Stadtteile Oppau und Edigheim eine Gasleitung explodiert, als Arbeiter sie freilegen wollten. Zu dem Unglück war es laut Staatsanwaltschaft gekommen, als mit einem Bagger eine Spundwand in den Boden getrieben wurde. Einem Gutachten zufolge war die Wand der Gaspipeline an dem geschädigten Rohrabschnitt stellenweise weniger als einen Millimeter dick. Ursprünglich habe die Dicke 8,8 Millimeter betragen. Nun soll untersucht werden, ob es auch bei „umsichtigem“ Arbeiten an der Leitung zur Explosion hätte kommen können.

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