Firmenübernahmen in den USA Deutsche Konzerne sind auf teurer Einkaufstour

Noch nie gaben deutsche Firmenlenker wie Siemens-Chef Joe Kaeser so viel Geld für Firmenübernahmen in den USA aus. Die Shoppingtour der Konzerne kommt spät, ist teuer und riskant.

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Blick auf die Siemens-Zentrale in München. Quelle: dpa

Das Wunderwerk hört auf das graue Kürzel LNGO und passt in einen Standardschiffscontainer. Doch die Maschine hat es in sich. Sie kann täglich mehr als 22.000 Liter Erdgas verflüssigen und so transportfähig machen. Zum Einsatz kommen soll sie auf den zahlreichen neuen Schiefergasfeldern in den USA, die nicht an Pipelines angeschlossen sind. Wenn die Anlage nicht mehr gebraucht wird, lässt sie sich ohne größeren Aufwand zum nächsten Bohrloch verfrachten.

Zusammengeschraubt haben die Anlage Ingenieure des amerikanischen Unternehmens Dresser-Rand. Das hat noch weitere Maschinen im Angebot, die Erdgas fördern und transportieren. Seit die USA mithilfe von Wasser und umstrittenen Chemikalien immer mehr Öl und Gas aus tiefen Gesteinsschichten schwitzen, sind Anlagen aus dem texanischen Houston ein Renner.

Großübernahme I: Siemens und Dresser-Rand

Siemens übernimmt Dresser-Rand

Das sollen sie künftig für Siemens werden. Nachdem der Münchner Technologiekonzern schon vor Jahren Interesse an Dresser-Rand bekundet hatte, schlug Konzernchef Joe Kaeser in der Nacht zum Montag vergangener Woche zu. Umgerechnet 5,8 Milliarden Euro wollen die Bayern für die Übernahme lockermachen.

Großübernahme II: SAP und Concur Technologies

Damit reiht sich Siemens ein in einen Aufkauf historischen Ausmaßes. Innerhalb von nicht einmal zwei Wochen haben sich deutsche Konzerne US-Unternehmen für hohe Milliardenbeträge unter den Nagel gerissen. Neben Siemens jagten der Darmstädter Pharmakonzern Merck, der Autozulieferer ZF Friedrichshafen und der Softwareriese SAP den Wert deutscher Firmenübernahmen in den USA auf ein jährliches Allzeithoch von 69 Milliarden Dollar.

US-Zeitungen von „Wall Street Journal“ bis „New York Times“ berichteten verwundert wie anerkennend über die „deutsche Shoppingtour“.

Großübernahme III: ZF Friedrichshafen und TRW Automotive

Die USA sind gefährliches Gelände

Was wie ein lockerer Durchmarsch anmutet, ist vielfach teuer erkauft und birgt gewaltige Risiken. Wer sich in den USA engagiert, der betritt gefährliches Gelände. Das zeigten in der jüngeren Vergangenheit schauderhafte Fälle wie die misslungene Fusion von Daimler und Chrysler und der gescheiterte Angriff der Deutschen Post auf die US-Marktführer UPS und Fedex.

Doch die Erinnerung an diese Niederlagen ist verblasst, die Lage deutlich anders als vor 10, 15 Jahren. Speisten sich Übernahmen damals vielfach aus Großmannssucht, gibt es heute für sie gute Gründe. Deutsche Unternehmen haben sich in den vergangenen Krisenjahren wackerer geschlagen als viele internationale Wettbewerber und reichlich Bargeld angehäuft, das sie nun sinnvoll einsetzen wollen.

Großübernahme IV: Bayer und Merck & Co

Die Zinsen sind historisch niedrig und wirken gleich doppelt: Zum einen fehlen den Unternehmen attraktive Möglichkeiten, gehortete Milliarden profitabel anzulegen, zum andern lassen sich Zukäufe so selten günstig finanzieren.

Großübernahme V: Merck und Sigma-Aldrich

Der gefallene Euro-Kurs macht Zukäufe teurer

Dass der Blick da vor allem nach Amerika geht, ist nur konsequent. In Europa sind die konjunkturellen Aussichten für weiteres Wachstum begrenzt, größere Zukäufe verhindert zudem das strenge Kartellrecht. Die USA dagegen haben sich erholt und bieten nicht zuletzt dank niedriger Energiekosten und mäßiger Löhne auch Industrieunternehmen verlockende Perspektiven. Und anders als etwa asiatische Schwellenländer gelten sie als politisch und rechtlich verlässlich.

Hinterhergeworfen bekommen die Unternehmen ihre US-Wunschkandidaten deswegen allerdings nicht. Denn das gute Übernahmeklima hat sich längst herumgesprochen und die Bewertungen der US-Unternehmen in die Höhe getrieben. Zudem macht der im Vergleich zum Dollar zuletzt gefallene Euro-Kurs Zukäufe für deutsche Unternehmen zusätzlich teuer.

Die Preise, die Merck, Siemens und Co. bezahlen, gelten zumindest als sportlich. Letztlich gibt es für deutsche Konzerne aber kaum eine Alternative, wenn sie weiter international wachsen und in der Weltspitze mitmischen wollen.

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