Firmenübernahmen in den USA Deutsche Konzerne sind auf teurer Einkaufstour

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Etliche Zukäufe in Milliardenhöhe

Seit 2007 hat SAP etliche Zukäufe in Milliardenhöhe gestemmt. Dabei erschienen auch die Preise für Unternehmen namens Successfactors und Ariba zunächst hoch. Inzwischen haben sich die Zukäufe aber als richtig und sogar relativ günstig erwiesen. Und die Nordbadener wissen nun, wie man große Brocken halbwegs reibungs- und geräuschlos integriert. Zudem weilt Aufsichtsratschef und Konzernübervater Hasso Plattner einen großen Teil seiner Zeit in den USA, während der Amerikaner McDermott den Konzern vom beschaulichen badischen Walldorf aus steuert – eine beispiellose Konstellation.

Auch für den Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck sind die USA kein vermintes Gelände mehr. Bereits 2010 hatte das Unternehmen zugeschlagen und für fünf Milliarden Euro den Laborausrüster Millipore übernommen. Verglichen mit dem aktuellen Zukauf, war das fast ein Klacks.

Die Übernahme des US-Laborausrüsters Sigma Aldrich für umgerechnet 13 Milliarden Euro ist der größten Zukauf in seiner fast 350-jährigen Geschichte. Merck will damit seine Stellung im weltweiten Geschäft mit Laborreagenzien und vor allem seine Marktposition in Nordamerika ausbauen. Dort erzielten die Darmstädter derzeit nur etwa 19 Prozent ihres Jahresumsatzes von etwa elf Milliarden Euro.

Zukäufe deutscher Unternehmen im Ausland

Obwohl die USA mit Abstand der größte Markt sind, waren Übernahmen großer Pharmaunternehmen bisher die Ausnahme. Den Startschuss zum großen Sprung über den Teich gab im Frühjahr dieses Jahres Bayer-Chef Marijn Dekkers, indem er das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten vom US-Konzern Merck & Co. übernahm. Der hat nichts mit Merck in Darmstadt zu tun, besitzt aber bekannte Marken wie das Fußpflege-Label Scholl.

Mit größerer Spannung als bei Siemens, SAP oder Merck werden Branchenkenner beobachten, wie sich der Getriebehersteller ZF mit seiner Erwerbung in den USA schlagen wird. Zwar gilt Experten die Elektronik- und Digitalexpertise von TRW Automotive als „komplementär“ zur ZF-Produktpalette, der US-Zweig ergänzt also das bisherige Geschäft. Zudem schließt das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee sowohl bei der Größe als auch bei der Digitalisierung des Autos zu den Marktführern Bosch und Continental auf.

Großübernahmen

Doch ob die zehn Milliarden Euro – die mit Abstand größte Übernahme in der fast 100-jährigen Firmengeschichte – sich auszahlen, wird sich bei ZF und TRW auf dem Gebiet der Firmenkultur entscheiden. Mit einem Umsatz von fast 13 Milliarden Euro wenig kleiner, ist TRW ein börsennotiertes Unternehmen, das nach den Regeln und Erfordernissen des Kapitalmarktes tickt, während ZF als Stiftungsunternehmen agiert, mit Friedrichshafens Oberbürgermeister im Aufsichtsrat. Der Zusammenschluss sei deshalb „kulturell riskant“, sagt der Manager einer internationalen Unternehmensberatung. „Das wird knirschen.“

Experten gehen davon aus, dass die Großübernahmen in den USA in naher Zukunft nicht die einzigen bleiben werden. Zwar werde der Boom nicht mit gleicher Intensität weitergehen. Da sich an den Rahmenbedingungen bis auf Weiteres wenig ändern dürfte, würde es aber immer wieder auch zu Mammuttransaktionen speziell in den USA kommen.

Reindustrialisierung

Denn die Vereinigten Staaten durchleben gerade eine Reindustrialisierung, die sich zu einer Zeitenwende entwickeln dürfte. Seit 2010 kletterte die Zahl der US-Jobs in der industriellen Fertigung um rund 600.000 – Tendenz: weiter so. Von 2015 werden die Gesamtkosten der Produktion in den USA laut einer Studie von Boston Consulting nicht mehr höher sein als in China. Die USA wären dann einer der günstigsten Produktionsstandorte der Welt.

Die Lohnstückkosten in den USA sind seit 2000 nahezu unverändert, auch bei den Energiepreisen werden sie international kaum noch unterboten. Das Wachstum der Bevölkerung von derzeit 318 auf rund 400 Millionen Amerikaner im Jahr 2050 dürfte zudem für einen ausreichenden Nachschub an Arbeitskräften sorgen.

Aspiranten, die dies für Akquisitionen in den USA nutzen wollen, gibt es genug. Der Duisburger Standhandelskonzern Klöckner & Co hat die USA zum „Kernwachstumsmarkt“ erklärt. Über 50 Standorte hat das Unternehmen in den USA bereits. Das ist Konzernchef Gisbert Rühl („Die USA sind der bessere Industriestandort“) nicht genug. „Wir schauen uns laufend Übernahmekandidaten in den USA an“, heißt es aus Rühls Umfeld.

Das Trauma der „Heirat im Himmel“, wie Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp 1998 den Flop mit Chrysler pries, ist passé. Dafür suchen die deutschen Konzernchefs in den USA jetzt den Erfolg auf Erden.

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