Firmenübernahmen in den USA Deutsche Konzerne sind auf teurer Einkaufstour

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Später, aber gewaltiger Übernahmeboom

Der Übernahmeboom kommt spät, aber gewaltig. In den vergangenen Monaten hatten deutsche Konzernlenker Investmentbanker und andere Berater bisweilen an den Rand der Verzweiflung gebracht. Die konnten noch so sehr schwärmen, wie verlässlich sich das volkswirtschaftliche Umfeld stabilisiert habe und wie sehr die niedrigen Leitzinsen die Kredite für Firmenübernahmen verbilligt hätten.

Fünf Gründe, warum deutsche Konzerne jetzt in den USA zuschlagen

Die Unternehmenschefs blieben unbeeindruckt. Gab es ein attraktives Ziel, blockierten zudem die Aufsichtsräte die Milliarden. Zu groß war die Sorge, dass eine große Krise wie 2008 einen Strich durch optimistische Rechnungen machen könnte.

So kam es, dass deutsche Unternehmen noch 2013 vergleichsweise läppische 19 Milliarden Dollar für Firmen im Ausland ausgaben. Von der weltweit bewunderten Stärke der hiesigen Industrie war da nicht viel zu spüren. Im Gegenteil: Ausländische Käufer griffen in Deutschland zu. Die größte Transaktion 2013 war die Übernahme von Kabel Deutschland durch den britischen Mobilfunkkonzern Vodafone.

"Rahmenbedingungen für Akquisitionen sind schon seit über zwei Jahren günstig"

Nun aber ist das Vertrauen in den Chefetagen und den Aufsichtsräten zurück. „Die Rahmenbedingungen für Akquisitionen sind schon seit über zwei Jahren günstig, aber deutsche Unternehmen waren zunächst sehr vorsichtig. Jetzt nutzen sie die Position der Stärke um sich Marktzugang und Marktanteile zu sichern“, sagt Ken Oliver Fritz, Co-Chef der Investmentbank Lazard in Deutschland.

„Deutsche Unternehmen haben lange auch international auf organisches Wachstum gesetzt und ergänzen die Strategie jetzt durch Übernahmen. Auch die Kapitalmärkte honorieren Wachstumsschritte“, meint auch Berthold Fürst, Leiter des deutschen Geschäfts mit Fusionen und Übernahmen bei der Deutschen Bank.

Dass die deutschen Konzernbosse dafür tief in die Kasse greifen, ist offenbar Teil des Kalküls. „Angesichts der niedrigen Basiszinsen sind Prämien für attraktive Zielunternehmen unvermeidlich“, sagt Banker Fürst. „Viele Unternehmen verfügen schon lange über hohe Barreserven und stehen zunehmend unter Druck, diese sinnvoll einzusetzen“, sagt Alexander Doll, Co-Chef der britischen Bank Barclays in Deutschland. Verglichen mit Aktienrückkäufen und der Anlage des Geldes zum Minizins, ist die Übernahme eines Konkurrenten oft die sinnvollste Lösung.

Kaufrausch

Das gilt auch für Siemens. Der Konzern hat gut acht Milliarden Euro flüssig, drei Milliarden bringt der Verkauf seiner Beteiligung an der Hausgerätegruppe BSH an Bosch zusätzlich rein. Der Konzern steht vor einem Neuanfang, der Kauf von Dresser-Rand ist die wohl letzte Möglichkeit, am Boom der Schiefergas- und Ölförderung in den USA mitzuverdienen.

Diese US-Konzerne wurden von Deutschen übernommen
Logos von Daimler und Chrysler Quelle: dpa
Logo der Deutschen Post Quelle: dapd
Logo der Deutschen Lufthansa Quelle: dpa
Adidas und Reebok Quelle: AP
Schriftzug von Bertelsmann Quelle: AP
Aldi-Nord-Schild Quelle: dpa

Wenn die Münchner das wollten, dann müssten sie „unbedingt jetzt“ zuschlagen, sagt ein Unternehmensberater. „In maximal zwei Jahren sind die Claims verteilt, um eigene Kapazitäten aufzubauen und Technik zu entwickeln, fehlt die Zeit.“ Allerdings sei der Preis, mit dem Siemens den Schweizer Rivalen Sulzer deutlich überbot und dem US-Rivalen General Electric zuvorkam, „verdammt hoch“.

Der aktuelle Kaufrausch hat aber nicht nur die Preisempfindlichkeit in deutschen Vorstandsetagen herabgesetzt. Auch andere dortige Gepflogenheiten haben ihren Schrecken verloren und gelten als kalkulierbares Risiko. „Die Unternehmen nehmen mit ihren Akquisitionen auch rechtliche Risiken in Kauf. Dazu zählen etwa das amerikanische Schadensersatzrecht mit seinen hohen Strafzahlungen und die komplexen Vorgaben der Börsenaufsicht SEC“, sagt Nikolaos Paschos, auf Übernahmen spezialisierter Anwalt bei der Kanzlei Linklaters in Düsseldorf.

Firmenkäufe deutscher Unternehmen in den USA

Die meisten Fusionen erreichen ihre Ziele nicht, sagen einige Statistiken

Auch Statistiken, nach denen die meisten Fusionen ihre Ziele nicht erreichen, hemmen den Drang nach Größe kaum. „Das Vorgehen bei Übernahmen hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich professionalisiert“, sagt Matthias Rückriegel, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Früher glaubten Vorstände noch, dass ihre Arbeit mit dem Abschluss des Kaufvertrages erledigt sei. Das hat sich geändert. „Viele haben heute mehr internationale Führungskräfte und stehen anderen Unternehmenskulturen offener gegenüber“, sagt Rückriegel.

So hat der deutsche Softwarekonzern SAP längst ein zweites festes Quartier in den USA. Der weltweit führende Anbieter für Unternehmenssoftware hat 8,3 Milliarden Dollar für das US-Unternehmen Concur ausgegeben – die bisher größte Übernahme der Firmengeschichte. Concur programmiert Software zur Buchung und Abrechnung von Reisen.

Interessant ist das für SAP nicht so sehr deshalb, weil die USA weiter der mit Abstand größte Softwaremarkt sind, sondern vor allem weil sich die Vorgänge bei Concur komplett internetbasiert abspielen. Dort, in der sogenannten Cloud, sieht SAP-Chef Bill McDermott die Zukunft seines Unternehmens.

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