Flowtex-Skandal „Betrugsfälle wie Flowtex wird es auch in Zukunft geben“

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Flowtex - „Ein Schneeballsystem par excellence“

Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Wir haben schlicht und einfach damit angefangen, die Maschinen zu zählen und zu inventarisieren.

Was kam dabei heraus?
Wir haben 270 Bohrsysteme gefunden, die von Flowtex produziert worden waren. Über diese Anlagen waren allerdings 3400 Leasingverträge abgeschlossen worden. Das war ein Schneeballsystem par excellence, aber es war interessanterweise kein Betrug, der von Anfang so geplant worden war.

Sondern?
Der spätere Strafprozess hat gezeigt, dass die Unternehmenschefs Schmider und Kleiser nach und nach ein immer größeres Rad gedreht haben. Sie sind am Anfang völlig normal gestartet und dann ist ihr Unternehmen nicht so schnell in die Gänge gekommen, wie sie sich das offenbar vorgestellt hatten. Das Geld wurde knapp und um diese Liquiditätsprobleme zu lösen, haben sie begonnen, Leasingverträge bereits einzubuchen, bevor die finalen Unterschriften der Geschäftspartner vorlagen. Einige Deals kamen nicht zustande, blieben aber eingebucht. So hat sich das nach und nach hochgeschaukelt. Dann wurde es irgendwann zu einer Art Geschäftsmodell, das sich im Grunde auch nicht mehr stoppen ließ.

Warum? Schmider und Kleiser hätten das System doch jederzeit beenden können.
Die Verkäufe haben zunächst zwar neues Geld eingespielt, gleichzeitig musste aber immer mehr für die Leasingverträge bezahlt werden. Die Finanzierungslast wurde dadurch immer größer, weshalb immer neue Verträge abgeschlossen wurden. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, sind die Flowtexmanager schließlich auf die Idee gekommen, eine Anleihe aufzulegen. Hätte das geklappt, wäre wohl ein dreistelliger Millionenbetrag ins Unternehmen geflossen. Das hätte Flowtex Luft verschafft, am Ende wäre der Schaden aber womöglich noch größer geworden. Nur kurze Zeit vor der Emission der Anleihe wurden Schmider und Kleiser verhaftet.

In der Folge wurde auch der aufwendige Lebensstil der Flowtex-Gründer bekannt. Sie leisteten sich Yachten, Villen, Gemälde und Privatjets. Wurde so das Geld aus der Firma gezogen?
Die privaten Ausgaben haben sicherlich nicht dazu beigetragen, die wirtschaftliche Lage von Flowtex zu verbessern. Man muss aber zwischen den Personen an der Spitze unterscheiden. Der Strafprozess hat gezeigt, dass die beiden Chefs sehr unterschiedlich agierten. Kleiser verbrachte seine Freizeit gerne in einer kleinen Blockhütte im Wald. Schmider pflegte dagegen durchaus kostspielige Interessen.

Kleiser und Schmider mussten auch Privatinsolvenz anmelden. Laufen diese Verfahren noch?
Anders als bei klassischen Verbraucherinsolvenzverfahren gibt es bei Insolvenzen, die mit Straftaten in Verbindung stehen, keine Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Daher laufen die Verfahren noch und werden auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Das hängt insbesondere mit Vermögenstransfers in die Schweiz und deren komplexer rechtlicher Aufarbeitung zusammen. Vor allem geht es dabei um den Verkaufserlös eines Hauses in St. Moritz, den wir für die Insolvenzmasse beanspruchen.

Was kann man aus dem Flowtex-Fall lernen? 
Flowtex zeigt, dass man seinen gesunden Menschenverstand nicht ausschalten sollte, wenn jemand von märchenhaften Renditen und Geschäftsaussichten schwärmt. Wäre der Wille vorhanden gewesen, das Geschäftsmodell von Flowtex wirklich zu durchdringen, hätten auch Außenstehende schnell bemerkt, dass die Zahlen nicht plausibel und das Marktvolumen nicht realistisch waren. Erst recht hätten das die Wirtschaftsprüfer bemerken müssen. 

Lassen sich solche Betrügereien verhindern?
Schneeballsysteme sind letztlich dem freien Wirtschaftssystem inhärent. Solange der Mensch nicht ausschließlich gut ist, wird es auch immer Betrügereien geben. Das wird man am Ende auch nicht verhindern können. Fliegt ein Fall auf, werden zwar oft die Kontrollen verschärft. Das Problem ist, dass das Wissen um solche Fehler generationsgebunden ist. Betrugsfälle wie Flowtex wird es damit auch in Zukunft geben. Nehmen sie den Containeranbieter P&R, der im vergangen Jahr Insolvenz angemeldet hat und inzwischen als einer der größten Anlegerskandale Deutschlands gilt. Der Fall weist einige Parallelen zu Flowtex auf. Gleichzeitig muss man natürlich sehen, dass nur ein kleiner Teil aller Insolvenzen einen kriminellen Hintergrund hat. In der Regel scheitern Unternehmen schlicht, weil ihr Geschäftsmodell nicht mehr trägt, die Verschuldung zu hoch ist oder Aufträge wegbrechen. 

Davon war in den vergangenen Jahren wenig zu spüren. Die Insolvenzzahlen gingen spürbar zurück. 
Das ändert sich gerade. Insbesondere für Unternehmen aus Branchen, die ohnehin kämpfen müssen, könnte es 2019 eng werden. Das trifft Bäckereien ebenso wie Textilhändler und Warenhausbetreiber. Kritisch ist die Lage auch im Automotivebereich. Viele Hersteller von Komponenten, die im Elektroauto nicht benötigt werden, könnten mittelfristig erhebliche Probleme bekommen. 

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