Flugzeugbauer Boeing muss Rekordverlust verschmerzen – 737 Max soll in Europa wieder starten

Für den US-Flugzeugbauer Boeing war 2020 ein Jahr zum Vergessen. Nach einem Rekordverlust will man sich nun auf den Neustart konzentrieren.

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Die Auslieferung des Langstreckenfliegers musste mehrfach verschoben werden. Quelle: AP

Die Coronakrise, das Debakel um den Krisenjet 737 Max und neue Verzögerungen beim Großraumjet 777X haben dem US-Flugzeugbauer Boeing 2020 einen Rekordverlust eingebrockt. Unter dem Strich stand ein Minus von mehr als 11,9 Milliarden US-Dollar (9,8 Mrd Euro), wie der Airbus-Rivale am Mittwoch in Chicago mitteilte.

2019 hatte das Minus noch 636 Millionen Dollar betragen. Allein wegen der 777X legte Boeing zum Jahresende 6,5 Milliarden Dollar zurück. Dadurch fiel das Minus noch deutlich höher aus als von Analysten im Schnitt erwartet.

So soll das erste Exemplar der 777X erst Ende des Jahres 2023 ausgeliefert werden. Boeing hatte den Termin bereits mehrfach verschoben - zuletzt auf das Jahr 2022. Als Gründe für die erneute Verzögerung nannte der Konzern unter anderem veränderte Voraussetzungen für die Zulassung des Jets durch die Behörden und die veränderte Nachfrage der Fluggesellschaften infolge der Coronakrise.

Immerhin gibt es in Europa auch gute Nachrichten für den US-amerikanischen Flugzeugbauer: Der Krisenjet 737 Max darf nach fast zwei Jahren Flugverbot auch in Europa wieder abheben. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA gab am Mittwoch grünes Licht, wie sie am Mittag in Köln mitteilte. „Wir haben entschieden, dass die 737 Max sicher in den Dienst zurückkehren kann“, erklärte EASA-Chef Patrick Ky.

Die Boeing 737 Max war im März 2019 nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten aus dem Verkehr gezogen worden. Als Hauptursache der Unglücke galt ein fehlerhaftes Steuerungsprogramm. Boeing hatte die Probleme eigentlich bereits nach dem ersten Absturz beheben wollen. Doch es traten weitere Mängel auf, so dass es bis zur Neuzulassung in den USA rund 20 Monate dauerte.

Piloten sollen Schulungen erhalten

Voraussetzung für den Neustart in Europa sind technische Verbesserungen an Hard- und Software sowie zusätzliche Trainings für die Piloten. Nach Ansicht der EASA erfüllen die geplanten Verbesserungen die Anforderungen an die Flugsicherheit. Die Behörde kündigte gleichzeitig an, den Betrieb der Maschinen eng zu überwachen. Boeing habe die weitere Zusammenarbeit zugesichert, um noch höhere Sicherheitslevel zu erreichen.

Bevor ein Jet des Typs in Europa wieder startet, müssen Techniker die notwendigen Umrüstungen vorgenommen haben. Zudem müssen die Piloten modifizierte Schulungen absolvieren. In Boeings Heimatland USA, in Brasilien und in Kanada ist die 737 Max bereits wieder zugelassen. Die seit 1967 gebaute und immer wieder veränderte 737 ist mit mehr als 10.000 Exemplaren der meistverkaufte Passagierjet der Welt.

„Wir haben auf einem langen Weg einen wichtigen Meilenstein erreicht“, sagte EASA-Chef Patrick Ky. Die EU-Behörde hatte bei Teilen des Verfahrens mit ihrem US-Pendant FAA kooperiert, wollte aber nach den Abstürzen auf eigener Wissensgrundlage eine unabhängige Entscheidung treffen.

Denn die FAA war infolge der Untersuchungen selbst stark in die Kritik geraten. Regulierer sollen bei der ursprünglichen Zertifizierung des Jets die Augen zugedrückt und sich von Boeing an der Nase herumführen lassen haben. Heikle Interna ließen die FAA in schlechtem Licht erscheinen.

Tui und Ryanair warten auf neue Flugzeuge

In Europa haben unter anderem der Reisekonzern Tui, SunExpress und der Billigflieger Ryanair die 737 Max bestellt. Tui-Airlines im europäischen Ausland haben die „Max“ in der Version 737-Max-8 bereits in der Flotte, mussten sie aber seit fast zwei Jahren am Boden lassen. Die mehr als 70 Bestellungen wurden in Verhandlungen mit Boeing mehr als halbiert und zeitlich gestreckt. Der deutsche Ferienflieger Tuifly wartet noch auf seine erste Maschine der Reihe.

Bis zum Einsatz in Deutschland dürften noch einige Monate vergehen, erklärte ein Sprecher in Hannover. Europas größter 737-Betreiber Ryanair setzt auf die Sonderversion 737 Max 200, die bisher noch nicht ausgeliefert wurde.

Im Fall der beiden Abstürze hatte ein Sensor falsche Daten über die Fluglage und einen drohenden Strömungsabriss an die Software geliefert. Diese drückte die Nase der Flugzeuge daraufhin immer weiter nach unten, bis die Jets auf dem Boden aufprallten. Künftig baut die Software auf die Daten von zwei Sensoren.

Die EASA hatte zudem den Einbau eines dritten Sensors gefordert. Dieser soll ein sogenannter synthetischer Sensor sein, der erst noch entwickelt werden muss. In der noch nicht zugelassenen Langversion des Jets, der 737 Max 10, soll er von Anfang an vorgeschrieben sein. Bei den übrigen Varianten soll er später nachgerüstet werden.

Mehr: Boeings 737 Max darf in Europa wieder abheben – unter Bedingungen

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