Flugzeugorders Das Ein-Produkt-Problem von Airbus

Das eine Airbus-Produkt? Rohbau eines Fliegers der Baugruppe A320. Quelle: ddp images

Airbus verbuchte 2019 bislang so wenige Bestellungen wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Konzernchef Guillaume Faury hofft nun auf eine Jahresendrally – doch Auftragsdetails zeigen: Die Lage könnte bedrohlich werden.

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Um einem Manager der großen Flugzeughersteller Airbus und Boeing Sorgenfalten ins Gesicht zu treiben, müsste in diesem Jahr eigentlich ein Hinweis auf die aktuelle Auftragslage reichen. Wenn es nach Bestellungen geht, ist 2019 bisher das schlechteste Jahr seit der Finanzkrise nach 2008. Und es droht das schlechteste seit 1995 zu werden.

Airbus konnte bis Ende September unterm Strich nach Abzug aller Stornos gerade mal 127 zusätzliche Maschinen in seine Bücher packen. Im vorigen Jahr waren es noch 747. Und sieben Mal in den vergangenen 14 Jahren waren es sogar mehr als 1000. Noch schlechter steht es beim US-Rivalen Boeing. Wegen der vielen Absagen beim derzeit aus dem Verkehr gezogenen Bestseller 737 Max hatte der weltgrößte Flugzeugbauer Ende September gar fast 40 Maschinen weniger auf Reserve als noch zu Jahresbeginn. 2018 war der Bestand noch um 800 gewachsen. Das ist selbst für die an Krisen gewohnte Flugbranche neu, meint der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: „So einen Stand gab es zuvor bislang nur in gewaltigen Konjunktureinbrüchen.“

Doch die Lage macht weder Airbus-Chef Guillaume Faury unruhig, noch seinen Boeing-Kollegen Dennis Muilenburg. „Wir haben in der Tat eine ungewöhnliche Situation“, beschwichtigt Faury im Interview mit der Wirtschaftswoche. „Aber ich sehe darin nichts Bedrohliches.“ Muilenburg scheint bei dem Punkt ähnlich unbekümmert.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Christian Schlesiger

Doch der Optimismus ist ein wenig übertrieben. Sicher, beide Hersteller haben bereits reichlich Aufträge eingesammelt. Airbus zählt zum Quartalsende 7113 bestellte Flieger und Boeing immerhin fast 6500. „Das lastet uns rein theoretisch fast acht Jahre aus“, freut sich Faury. Dazu rechnet er mit einem baldigen Ende der Orderflaute. „Ich glaube, dass wir bereits zum Jahresende und in den Monaten danach wieder den üblichen Auftragseingang haben werden“, ergänzt Faury. Dabei hat er vor allem die Flugmesse in Dubai im November im Blick. „Viele Kunden warten ab, bis die Boeing 737 Max ihre Betriebserlaubnis zurückhat und sich die Situation mit den US-Strafzöllen klärt“, sagt Faury.

Aber danach gehe der Bestellboom weiter. „Die Nachfrage nach Flugzeugen auf der Mittelstrecke wird noch lange größer sein als das Angebot. Was unsere Branche treibt, ist in Asien das Wachstum der Mittelklasse und ihrer Reisebedürfnisse.“ Darum biete die Situation die Gelegenheit, etwas anders zu arbeiten. Angesichts der Lage, so der Airbus-Chef „müssen wir anders als noch vor fünf, sechs Jahren nicht mehr jede Ausschreibung gewinnen.“

Doch wer nachbohrt, stößt auf Nachdenklichkeit bei dem Manager. Statt ständig neue Verkaufskampagnen vorzubereiten, bleibe Zeit für Arbeit an der „Qualität der Aufträge.“ Darunter versteht der Konzern das Bestreben, dass die Flugzeuge nicht nur in pompösen Zeremonien mit vielen Flugbegleiterinnen und Blitzlichtgewitter bestellt werden – sondern die Airlines sie anschließend auch abholen und bezahlen.

Die Erfahrung zeigt, dass je nach Modell auch mal gut zehn Prozent aller Aufträge nicht an den geplanten Kunden geliefert oder auch erst gar nicht ausgeliefert werden. Das verdeutlicht ein Blick in die Details der Bestellstatistik dieses Jahres. 176 Flugzeugaufträge musste Airbus in diesem Jahr bereits streichen. Bei Boeing sind es sogar fast 200.

Das zweite Problem von Airbus ist die einseitige Verteilung der Aufträge. Während Boeing in allen Produktgruppen gut verkauft, entfallen bei Airbus mit 5700 Jets gut 80 Prozent des Bestands auf Verträge für die Mittelstreckenjets der A320-Familie. Dem stehen gerade mal 930 Großraumflugzeuge der Typen A330, A350 und A380 gegenüber. Bei den kleinen A220 sind es nur gut 400 Orders. Und davon gingen dieses Jahr noch drei Prozent verloren.

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